Hagen. In der BVB-Fanszene und darüber hinaus sind die kernigen Audio-Folgen von „Borussen Bernie“ längst Kult. Der Mann dahinter ist Vorhaller Junge.
„Hömma Motinier, spende doch einfach mal für jeden Fehlpass einen Zehner an meinen Heimatverein und Kreisligisten Vorhalle 09. Dann können wir uns in zehn Jahren eine 80.000-Zuschauer-Arena mit Autobahnanschluss bauen, Mensch.“ Es ist einer dieser kernigen Sprüche, mit denen „Borussen Bernie“ vor drei Jahren im Internet und in sozialen Medien bekannt und in Borussia Dortmunds Fan-Szene längst zum Kult geworden ist. Was viele nicht wissen: Hinter Borussen-Bernie steckt mit Bernd Möller ein Vorhaller Junge. Und in „Borussen Bernie“ steckt ganz viel von Bernd Möller.
Herr Möller, Sie haben ein Problem damit, wenn ich Sie lustig nenne?
Bernd Möller Das Wort „Problem“ ist übertrieben. Aber lustig zu sein, war und ist nicht mein Ziel. Ich sage, was ich denke über das, was ich liebe. Und das ist eben Borussia Dortmund. Seit mein Vater mich 1975 mit ins Westfalenstadion genommen hat. Wenn manche Zuhörer das lustig finden, okay. Ich für mich spreche aber Dinge an. Darum geht es.
Bernie ist ein Malocher-Typ. Er steht im Drei-Schicht-Betrieb „anne Schüppe“, wie es in den wöchentlichen Audios heißt. Ein Junge aus dem Pott, der unter der Woche buckelt und sich samstags auf die Pöhlerei freut. Mussten Sie jene Figur erfinden?
Ich arbeite seit vielen, vielen Jahren für Bilstein in Ennepetal und mache diesen Job total gerne. Ich bin auch im Betriebsrat und in der Stoßdämpfer-Produktion tätig. Ich arbeite im Drei-Schicht-Betrieb und ja, ich freue mich am Wochenende, mit meinen Jungs ins Stadion zu gehen. Ich weiß ziemlich gut, was es bedeutet, wenn man für die „Knatters“ hart arbeiten geht. 90 Prozent von dem, was Borussen-Bernie ist und sagt, das bin ich auch.
Vor allem, was er sagt, empfinden viele Zuhörer oft treffend. Sie sprechen viel in kernigen Ruhrpott-Metaphern und geben den Spielern Spitznamen. Mats Hummels ist „Cathy“ Hummels, es gibt noch „Ich hab’ Brandt“, Batida Moukoko“, „Viking Haaland“, „Hecke Witsel“, „Sancho Pancho“ oder „Rolls Reus“. Sie fragen ob die Stirnbänder zu eng sitzen, wenn die Kicker nach Niederlagen die Pleite schön reden.
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Hömma, ganz wichtig ist: Ich habe Respekt vor den Bolzern. Aber wenn Sie vom Strand das Mittelmeer nicht treffen, müssen Sie damit leben, dass sie mal kritisiert werden. In Kabinensprache, so wie ich es auf der Asche gelernt habe.
Sie haben selbst erzählt, dass sie Arbeiter in der Industrie sind und eben niemand, der es gelernt hat, Audios zu produzieren, die andere Leute – Entschuldigung – lustig finden.
Eins ist ganz klar: Wenn ich mir mit diesen Folgen irgendwann einen abbreche und stundenlang brauche, damit da was bei rauskommt, zu dem ich stehe, dann höre ich einfach auf damit. Für mich ist das ganz normale Pöhler-Sprache, die ich auf der Straße beim Bolzen gelernt habe. Im Fußballkäfig in Vorhalle, in der Kabine bei Vorhalle 09, beim Hasper SV, Fortuna oder SSV Hagen. Da reden die Menschen so. Das ist echt, das ist authentisch. Da wird nicht lange rumformuliert, sondern Tacheles geredet.
Erinnern Sie sich noch an diesen Tag, an dem die „Figur“ Borussen- Bernie entstand?
Na sicher. Das war vor drei Jahren. Nach einer Niederlage vom BVB hatte ich Kreislauf und habe eine Whatsapp-Audio zu meiner Gefühlslage an meinen Kumpel gesendet.
Und dann?
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Na ja, mein Kumpel fand sie klasse und hat sie dann mehreren Leuten weitergeleitet. Irgendeiner, den ich nicht kenne, hat das dann bei Youtube hochgeladen. Plötzlich ging das Dingen durch die Decke. In Dortmunds Kneipen schickten sie sich das rum, und auch meine Arbeitskollegen kamen nicht drumherum. Sie und Fans von Borussia hielten mir das plötzlich vor die Nase und sagten: „Hömma, haste das schon mal gehört? Das ist Borussen-Bernie.
Und Sie haben die Menschen dann aufgeklärt, dass Sie es sind?
Nein, das wollte ich überhaupt nicht. Daran war mir gar nicht gelegen. Ich habe ja gesagt, dass ich solche Sprachnachrichten immer mal verschickt habe nach Spielen, weil mir das Spaß macht. Dann habe ich auf einer Feier Florian Lenze kennengelernt, der mir nach dem 28. Bier suggeriert hat, dass dieses Format Potenzial hat. Außerdem wurde es Zeit, an die Öffentlichkeit zu gehen.
Warum?
Weil sich in den Stadien und diversen Internet-Portalen mittlerweile vier, fünf Leute als Borussen-Bernie ausgegeben hatten, und als sie dann die ersten Fotos mit Fans machten, beschloss ich, dass die Grottenolme verschwinden.
Heute haben Sie nicht nur einen Youtube-Kanal, sondern auch einen Merchandising-Shop, in dem es Fanartikel gibt. Sie sind bei Instagram und Facebook vertreten. Sieht so aus, als hätten Sie sich ein zweites Standbein aufgebaut.
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(lacht) Erstmal muss man wissen, dass ich von Internet, Facebook und dem anderen Gedöns überhaupt keine Ahnung hatte. Dabei hat mir Florian Lenze sehr viel geholfen, unter anderem den ganzen E-Commerce Bereich aufzubauen. Und zweitens: Ich arbeite gerne in meinem Beruf. Da gehöre ich hin. Ich bin noch die alte Schule. Ich bin doch noch mit „R2D2“ groß geworden.
Das Format hat ihnen trotzdem sicher viele Türen geöffnet, die vorher zugeblieben sind.
Das verhehle ich auch nicht. Plötzlich trifft man auch mal Michael Zorc oder wird, wie aktuell, auf die Geschäftsstelle eingeladen, weil der BVB darüber sprechen möchte, wie es mit der Marke des Borussen-Bernie weitergehen kann. Ich kann das verstehen, es geschieht ja auch viel im Namen des BVB, wenn ich Audios aufnehme. Ich will mich da aber auch nicht verbiegen. Ich habe schon viele Einladungen zu Weihnachtsfeiern von Sponsoren bekommen, aber das mache ich nicht. Mit der Privatbrennerei Boente habe ich einen Schnaps/Likör namens „Kloppa“ entworfen. Für die Firma Atlas, die unter anderem Sicherheitsschuhe herstellt, promote ich zum Beispiel den „Malocher 09“, der im Übrigen sehr gut zu meinem Beruf passt.
Was war eines ihrer erzählenswertesten Erlebnisse, seit sie auch als Borussen Bernie aktiv sind?
Nach einem Spiel gegen Paris Saint Germain im Februar 2020 bin ich zu Fuß vom Stadion weggetrottet. Plötzlich hielt neben mir eine schwarze Limousine an und der Fahrer fragte mich, ob ich mich kurz mit Matthias Sammer unterhalten möchte. Ich war total perplex und erfreut, denn er fragte mich sofort nach meiner Meinung zum Spiel. Unfassbare Entenpelle, dass mich so eine Legende und so ein Fußballfachmann nach einer spontanen Analyse fragt.
Hat sich das Stadionerlebnis denn irgendwie verändert?
Natürlich erkennen mich die Menschen jetzt. Manche wollen Fotos machen, andere halten mir das Handy hin, damit ich einen Gruß spreche, aber das ist halb so wild, denn ich mach das gerne. Ansonsten passen die Jungs, mit denen ich seit Jahren ins Stadion gehen, ganz gut mit auf, dass alles so normal wie möglich bleibt. Und das akzeptieren auch alle Borussen drumherum.
Mit Bernd Möller sprach Mike Fiebig