Hagen. Von der einstigen Herrlichkeit bleibt nicht viel. Der 30. Juni ist der letzte Arbeitstag für 160 Hawker-Beschäftigte. Sie sind entlassen worden.
Nach 33 Jahren ist Schluss. Nicht freiwillig. Nein, freiwillig verlässt Jörg Zickler (52) seinen Arbeitsplatz nicht nach 33 Jahren. Er muss gehen. Und 160 Kollegen mit ihm. Allesamt Malocher. Allesamt haben sie am Mittwoch ihren letzten Arbeitstag bei Hawker, dem traditionsreichen Batterieproduzenten aus Wehringhausen. „Eigentlich wollte ich bis zur Rente bleiben“, sagt Zickler.
Daraus wird nun nichts. Im November hatte der Enersys-Konzern im fernen Pennsylvania/USA, zu dem Hawker gehört, bekannt gegeben, dass die Batterieproduktion in Hagen nach 134 Jahren eingestellt werde. In einem Brief an die Belegschaft in Wehringhausen hatte der Vorstandsvorsitzende David Shaffer um Verständnis für die Entscheidung geworben, auf einer Kundgebung an der Stadthalle, auf der sein Brief verlesen wurde, jedoch höhnisches Gelächter geerntet.
Von der Geschäftsführung enttäuscht
Nein, sie sind nicht gut zu sprechen auf das Management, die Arbeiter von Hawker, die nun alle ihren Job los sind. „Ich bin mir bewusst, dass in einem Konzern auch harte Entscheidungen getroffen werden müssen“, sagt Zickler: „Aber hier vor Ort ist soviel Knowhow, das hätte man anders managen können.“ Er sei enttäuscht von der Geschäftsführung in Hagen, die viel zu spät auf die sich verschlechternde Lage reagiert habe, spart Zickler nicht mit Kritik.
Anfangs sei er konsterniert und dann wütend gewesen, doch inzwischen habe er sein Los akzeptiert, sagt der gelernte Energieelektroniker, der bei Hawker im Zellenbau gearbeitet hat: „Es bringt ja nichts, dem allem hier hinterherzutrauern. Wo sich eine Tür schließt, geht eine andere auf“, konzentriert er sich nun auf die Suche nach einer neuen Stelle.
Transfergesellschaft gegründet
Fünf der 160 vom Konzern gekündigten Arbeiter haben mittlerweile einen anderen Job in der Industrie gefunden, der Großteil wechselt ab 1. Juli in eine Transfergesellschaft (BOB Transfer GmbH) in der Hoffnung, über dieses arbeitsmarktpolitische Instrument eine neue Beschäftigung zu finden. „Die meisten der Betroffenen sind seit 10, 15 Jahren bei Hawker, viele sogar länger“, umreißt Betriebsratsvorsitzender Andreas Koll das ganze Ausmaß der Massenentlassung.
Es sei eine erschreckende Erfahrung, dass man nichts dagegen unternehmen könne, wenn Personen, die tausende Kilometer weit weg seien, die man nie kennengelernt habe und die man auch nie kennenlernen werde, so weitreichend in das Leben vieler Menschen vor Ort eingreifen könnten. „Uns blieb eigentlich nur, über einen Sozialplan zu verhandeln.“
Immerhin waren diese Verhandlungen aus Sicht der Arbeitnehmer erfolgreich. So werden die Arbeiter in der Transfergesellschaft nicht nur für künftige Aufgaben fit gemacht, sondern erhalten 80 Prozent des zuletzt gezahlten Nettolohns. Darüber hinaus gibt es für jeden Beschäftigten pro Berufsjahr ein Monatsgehalt als Abfindungszahlung. „Die meisten Kollegen sind mit diesem Abschluss zufrieden. Was in den Verhandlungen erreicht wurde, ist ein wirklich guter Abschluss“, so Koll.
Die 180 Angestellten im Bereich der Administration, bei Service, Vertrieb, Controlling, IT, Sicherheitsdienst und Verwaltung, deren Außendienstkräfte zum Teil weltweit unterwegs sind, werden in Hagen zunächst weiter beschäftigt – wie lange, das wagt nach der Stilllegung der Produktion niemand zu sagen. Die Angst vor einer kompletten Schließung des Standorts in Hagen geht um. „Wir erwarten von der Politik, dass sie sich um Investoren bemüht, die hier an Ort und Stelle neue Arbeitsplätze schaffen“, appelliert der Betriebsratschef.
Die Glanzzeiten sind längst vorbei
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Derweil hat Jörg Zickler einen Schlussstrich unter seine Hawker-Zeit gezogen. Frau und Tochter haben ihm geholfen, über den Verlust des Arbeitsplatzes hinwegzukommen und nach neuen Ufern Ausschau zu halten: „Ich denke nicht mehr über diese Sache nach, das bringt ja nichts.“
Und so endet am Mittwoch nach 134 Jahren ein Stück Wirtschaftsgeschichte, ein Stück Hagener Geschichte: die Produktion von Batterien in Wehringhausen. Zuletzt waren es Akkumulatoren für Gabelstapler, Flurförderfahrzeuge und elektrische Hubwagen, die in Hagen hergestellt wurden. Lediglich einige Spezialbatterien für Deutschlands Vorzeige-Zug ICE werden noch in Hagen produziert.
Aber mit der einstigen Herrlichkeit – in den Glanzzeiten der Accu bzw. Varta standen 6000 Leute in Lohn und Brot – hat das nicht mehr viel gemein.