Hagen. Milliarden-Deal in Hagen: Die Sparkassen-Fusion mit Lüdenscheid ist auf der Zielgeraden. Hier alle bekannten Fakten zu Zahlen und Köpfen.
Die Städte-Namen werden aus den Sparkassen-Bezeichnungen komplett verschwinden, dafür sollen die Flüsse als begriffliche Klammer zwischen den fusionierenden Geldinstituten dienen. Das vermeidet nicht bloß lokalpatriotische Animositäten, sondern eröffnet zugleich die Chance, entlang der Uferregionen noch weitere Partner aus der Sparkassen-Familie anzudocken. Der Verwaltungsrat der Sparkasse Hagen/Herdecke hat am Donnerstag hinter verschlossenen Türen mit klarer Mehrheit einer Fusion mit den Nachbarn aus Lüdenscheid und somit einem Milliarden-Deal zugestimmt.
Auch interessant
Gegenstimmen gab es lediglich aus dem Herdecker Lager, weil eine ausdrückliche Bestandsgarantie für die Hauptfiliale in der Nachbargemeinde in dem Fusionskontrakt aus formalen Gründen nicht hinterlegt wird. Und auf eine alternativ diskutierte Sideletter-Vereinbarung wollten sich die Herdecker Verwaltungsratsvertreter nicht einlassen.
Am kommenden Dienstag werden noch die Gremien in Lüdenscheid votieren und somit das neue Banken-Baby „Sparkasse an Volme und Ruhr“ mit Sitz in Hagen endgültig aus der Taufe heben. Der Hagener Vorstandsvorsitzende Frank Walter teilte seinen Mitarbeitern am Freitag bereits per Intranet mit, dass er „die gleichlautende Weichenstellung des dortigen Verwaltungsrates“ erwarte.
Bilanzsumme: 6 Milliarden Euro
Nachdem die Sparkasse Hagen im Sommer 2016 mit den Kollegen in Herdecke fusioniert hat und seitdem im Ranking des Sparkassenverbandes Westfalen-Lippe auf Platz 12 rangierte, wird jetzt der nächste Zusammenschluss rückwirkend zum 1. Januar 2022 Realität. Obwohl die Vorstände, der Verwaltungsrat Hagen sowie die Stadtspitzen aus Hagen, Herdecke, Lüdenscheid, Halver, Herscheid und Schalksmühle sich bereits auf eine Verschmelzung der Sparkassen Hagen/Herdecke (Bilanzsummer: 3,7 Milliarden Euro) und Lüdenscheid (Bilanzsumme: 2,3 Milliarden Euro) geeinigt haben, wurde bis zum finalen Votum des Verwaltungsrates in Lüdenscheid unter allen Beteiligten Stillschweigen vereinbart.
Durch diese Fusion können die beiden bislang völlig gesunden Kreditinstitute mit einer Gesamtbilanzsumme von 6,0 Milliarden Euro im regionalen Ranking nicht bloß auf Platz 8 (hinter den Sparkassen in Münster, Dortmund, Ahaus/Dülmen/WML, Paderborn-Detmold, Bochum, Bielefeld, Recklinghausen) vorrücken, sondern sehen sich perspektivisch vor allem für die anhaltenden Widrigkeiten des Bankenmarktes gerüstet. „Ziel ist es, die beiden grundsoliden Sparkassen auch langfristig erfolgreich aufzustellen“, hatte Oberbürgermeister Erik Schulz bereits bei Einfädelung der Gespräche die Stoßrichtung vorgegeben.
Unternehmensberatung moderiert
Nach Hagener Lesart waren ursprünglich die Lüdenscheider (Einlagen: 1,9 Mrd., Kundenkredite: 1,3 Mrd., Mitarbeiter 344) auf Hagen/Herdecke (Einlagen: 2,5 Mrd., Kundenkredite: 2,4 Mrd., Mitarbeiter: 508) zugekommen, um über eine gemeinsame Zukunft zu sprechen. Letztlich folgten damit beide Häuser einer Empfehlung des Sparkassenverbandes Westfalen-Lippe, der in der Vergangenheit angesichts des anhaltenden wirtschaftlichen Drucks eine Bilanzsumme von etwa 6 Milliarden Euro als solide Kenngröße skizzierte, um für die Herausforderungen der Zukunft langfristig gewappnet zu sein. Der Startschuss für einen Fusionsprozess, der in den vergangenen Monaten von der europaweit agierenden Strategie- und Managementberatungsgesellschaft ZEB (Münster) extern begleitet und moderiert wurde. Damit sollte sichergestellt werden, auftauchende Knackpunkte abseits aller eingeschliffenen Eigenheiten und Eitelkeiten der beteiligten Vorstände unvoreingenommen zu objektivieren und in tragbare Kompromisse münden zu lassen.
Kunden und Filialen
Die Sparkasse Lüdenscheid hat nach eigenen Angaben einen Marktanteil von mehr als 60 Prozent im Privatkunden-Bereich. Mit zwölf Filialen und weiteren 16 SB-Einrichtungen ist sie einer der wichtigsten Finanzdienstleister in ihrem Geschäftsgebiet, das durch zahlreiche mittelständische Unternehmen geprägt ist. Sie zählt aktuell etwa 70.000 Kunden.Dem stehen etwa 90.000 Kunden bei der Sparkasse Hagen/Herdecke gegenüber. Sie verfügt neben zahlreichen SB-Standorten über zwei Hauptstellen in den beiden namensgebenden Kommunen sowie fünf Beratungscenter in Eilpe, Haspe, Elsey, Emst und Boele.
Demnach verteilen sich die Geschäftsanteile – Grundlage ist ein Schlüssel, der auf einer Geschäftspotenzialanalyse fußt – künftig auf die beteiligten Kommunen wie folgt: Hagen: 61,56 Prozent, Lüdenscheid: 20,35 Prozent, Herdecke: 9,04 Prozent, Halver: 4,05 Prozent, Schalksmühle: 3,54 Prozent und Herscheid: 1,46 Prozent. Ähnlich gestaltet sich die Sitzverteilung im künftigen Verwaltungsrat, in dem neben 9 Arbeitnehmervertretern auch 18 politische Sitze reserviert werden. Davon entfallen zehn auf Hagen, drei auf Lüdenscheid, zwei auf Herdecke sowie jeweils einer auf Halver, Herscheid und Schalksmühle.
Der Vorstand der neuen „Sparkasse an Volme und Ruhr“ wird zunächst aus fünf Mitgliedern bestehen: Vorstandsvorsitzender bleibt Frank Walter aus Hagen, die Stellvertreter-Rolle übernimmt sein Lüdenscheider Kollege Markus Hacke. Die übrigen Vorstandsposten belegen auch künftig Martin Schulte (Hagen), Frank Mohrherr (Herdecke) und Thorsten Haering (Lüdenscheid) – also eine komplette Männer-Riege. Mittelfristiges Ziel bleibt es, die Vorstandsriege wieder auf drei Köpfe einzudampfen.
Frank Walter, auch bislang Vorstandssprecher der Sparkasse Hagen/Herdecke, hatte zuletzt nicht bloß angesichts der zunehmenden Strafzinsproblematik stets betont: „Die Auswirkungen der Niedrigzinspolitik und der Regulierung des Bankenmarktes sind erheblich.“ Allein im Bilanzjahr 2020 musste die Sparkasse Hagen/Herdecke für diese Position einen deutlich sechsstelligen Betrag aufwenden. Dennoch gelang es, einen Überschuss von 4,7 Millionen Euro zu erwirtschaften. Zugleich formulierte der Vorstandssprecher aus Hagen immer wieder den Anspruch, dass die kerngesunde Struktur seines Hauses durch weitere Fusionen nicht gefährdet werden dürfe.
Rein inhaltlich haben sich die Hagener Vorstände Frank Walter, Martin Schulte und Frank Mohrherr mit den Lüdenscheider Kollegen Markus Hacke und Thorsten Haering darauf verständig, im Rahmen der Verschmelzung zunächst einmal auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten. Gleichwohl soll die fusionierte Mitarbeiterzahl von künftig fast 850 Köpfen im Rahmen späterer Synergien schrittweise reduziert werden. Als Zielmarke wird bis zum Jahr 2026 zunächst einmal ein erwirtschafteter Überschuss von etwa acht Millionen Euro angepeilt, so dass alle Anteilseigner in Zukunft bei den Ausschüttungen finanziell von dem Bündnis profitieren. Darüber hinaus wurde vereinbart, dass für weitere Fusionen zwei Drittel der Anteilseigner zustimmen müssen.