Iserlohn. Etwa 300 Menschen haben am Sonntag auf dem Iserlohner Hauptfriedhof ein Zeichen gegen Rassismus und Intoleranz gesetzt.
Wegen Störung der Totenruhe auf dem muslimischen Teil des Iserlohner Hauptfriedhofs ermittelt seit Samstagnachmittag der Staatsschutz. Angehörige hatten die Zerstörung von Grabsteinen, Pflanzen und Deko entdeckt und der Polizei gemeldet.
Durch Facebook-Posts waren schnell die Angehörigen und Freunde der etwa 30 betroffenen Grabstellen informiert worden. Sie zeigten sich auf dem Friedhof beim Betrachten der zerschlagenen Steine und umher gestoßener Gegenstände äußerst betroffen. Einige weinten, andere verkniffen sich nach eigenen Angaben jeglichen Kommentar. Der 29-jährige Jusef Halla, dessen Großeltern auf dem betroffenen Teil des Friedhofs bestattet wurden, erklärt: „Das ist unmenschlich. Das hat nichts mit Politik oder Religion zu tun. Ich habe noch nie mitbekommen, dass eine solche rote Linie überschritten wurde.“ Mehr als zehn Jahre gebe es die Grabstelle bereits, so etwas sei jedoch noch nie vorgekommen. Andere der Anwesenden erklärten, dass es auch im vergangenen Jahr Vandalismus gegeben habe, allerdings nicht in einem vergleichbaren Ausmaß.
Neben Vertretern der Ditib-Gemeinde war auch Ercan Atay, Mitglied des Iserlohner Rates und des Integrationsrates, gekommen um sich ein Bild der Zerstörung zu machen. „Es ist erschütternd, was hier passiert ist. Ich finde, das ist ein Angriff auf die Menschlichkeit und nicht auf den Islam. Diese Leute müssen wohl krank sein, sowas zu machen.“ Auch er sagt: „Das ist eine rote Linie, Friedhöfe oder Gotteshäuser anzugreifen. Ich finde es unheimlich verletzend für die Angehörigen, aber auch für die Nicht-Angehörigen.“ Immer wieder haben die Männer, die die schlimmste Verwüstung provisorisch beseitigt hatten, betont, dass es ihnen nicht um die materiellen Schäden gehe.
Bei den Gesprächen unter den Betroffenen wird deutlich, dass sie sich von den Hagener Polizeibeamten, die die Anzeigen aufgenommen hatten, nicht unbedingt gut behandelt gefühlt haben. Dem Vernehmen nach soll es von Beamten geheißen haben, das Ganze würde ohnehin „im Sande verlaufen“.
Im Gespräch mit der Heimatzeitung erklärt Mustafa El-Bouziani, Sprecher des Bündnisses der Muslime: „Ich war auf dem Friedhof, habe mir selbst ein Bild gemacht und finde das erschreckend.“ Dass „hauptsächlich Grabsteine mit arabischen Schriftzeichen zerstört worden sind“, gebe zu denken. „Und das an einer Stelle, an der man mit Frieden rechnet“, sagt El-Bouziani, der sich allerdings mit Vorverurteilungen zurückhalten möchte.
Integrationsrat organisiert Veranstaltung
Noch am Neujahrstag liefen die Telefone heiß, eine Solidaritäts- beziehungsweise Gedenkveranstaltung sollte kurzfristig auf die Beine gestellt werden. Der stellvertretende Vorsitzende des Integrationsrates, Ayman Alaiz, und Mitglied Sylvia Olbrich hatten die Organisation in Hand genommen.
Am frühen Abend seien bereits Emre Öngel vom türkischen Generalkonsulat aus Essen und der Religionsattaché Kakki Gür angereist, berichtete Atay.
Etwa 300 Menschen waren am Sonntagnachmittag dann zum Gräberfeld gekommen, um ein Zeichen zu setzen – nicht nur Angehörige der dort Bestatteten und deren Freunde, sondern auch Vertreter der Ratsfraktionen von CDU, Die Grünen, „DieIserlohner“, Die Linke und SPD, des Friedensplenums sowie Bürgerinnen und Bürger, die von sich aus Solidarität mit den Betroffenen zeigen wollten. Auch aus Hagen und Unna waren Teilnehmer angereist.
Iserlohns stellvertretender Bürgermeister Thorsten Schick, der vom verreisten Michael Joithe gebeten worden war, auf dem Friedhof zu sprechen, erklärte, dass die große Resonanz der Anwesenden zeige, „dass wir in Iserlohn die Schändung von Gräbern nicht dulden“. „Sie ist respektlos, sie ist feige, und sie ist ein Schlag ins Gesicht der Angehörigen“, so Schick weiter. Die in Iserlohn bestatteten Muslime hätten sich bewusst für den Hauptfriedhof entschieden. „Iserlohn war für viele ihre Heimat, sie waren für uns Nachbarn, Arbeitskollegen und sehr gute Freunde, sie waren Iserlohnerinnen und Iserlohner. Die Schändung ist damit eine Schändung des gesamten Hauptfriedhofs.“ Nach dem „barbarischen Übergriff“ müsse die Kommunalpolitik handeln.
Auch Abdelghani Ouaquil, Imam der Gemeinschaft der Freunde islamischer Kultur, sowie der Imam der Ditib-Gemeinde, Harun Ulu, sprachen und beteten. Mustafa Üstün vom Bündnis der Muslime erklärte: „Iserlohn ist eine Stadt des Friedens und des Dialogs zwischen den Religionen, wir lassen durch eine solche Tat keinen Keil zwischen uns treiben.“ Er zeigte sich „zutiefst erschüttert“ über die Tat, die zeige, „wie tief der Hass sitzt“.
Christliche Vertreter zeigen sich beschämt
Pfarrer Bernd Neuser und Gaby Iserloh waren stellvertretend für den evangelischen Kirchenkreis Iserlohn gekommen, sie richteten auch im Namen des katholischen Pastoralverbunds Worte der Anteilnahme aus. „Die Stadtgesellschaft hat die Gräber nicht schützen können, das beschämt uns sehr“, so Neuser.
Zeugen, die sachdienliche Hinweise geben können, werden gebeten sich unter 02331/986-2066 zu melden. „Weitere Presseauskünfte werden zum derzeitigen Zeitpunkt nicht gegeben“, hieß es in der gemeinsamen Erklärung von Polizei und Staatsanwaltschaft Hagen am späten Samstagnachmittag.
Am Sonntagabend erreichte unsere Redaktion eine gemeinsame Erklärung, die von fast allen Iserlohner Ratsfraktionen unterzeichnet ist (Bericht folgt).