Hagen. Die Landesregierung möchte die Krankenhauslandschaft reformieren. Was machen diese Pläne mit den Hospitälern in Hagen?
Die Landesregierung hat eine tiefgreifende Reform der Krankenhauslandschaft angekündigt, die auch zur Schließung einzelner Kliniken führen könnte. Kernstück des Ansatzes ist es, dass die Häuser sich auf bestimmte Leistungen konzentrieren und untereinander absprechen, welche Schwerpunkte sie künftig verfolgen wollen. Dazu sollen benachbarte Häuser sogar über konkrete Zusammenarbeit verhandeln. Die Weichen sollen bereits in der ersten Jahreshälfte 2022 gestellt werden, bevor es dann 2023 in die Umsetzung geht. Ein Zeitplan, den die Hagener Hospitäler für völlig unrealistisch erachten. Dennoch senden sie das Signal, den Prozess konstruktiv begleiten zu wollen und verweisen darauf, dass in vielen Stellen bereits ein Miteinander durch Neu- und Umstrukturierungen, Zentrenbildungen sowie Bündelungen gelebt werde.
Im Mittelpunkt stehen bei der künftigen Krankenhausplanung die Fragen: Was kann die Klinik? Ist sie besonders gut aufgestellt in der Inneren Medizin, Onkologie oder Orthopädie? Hat sie Spezialisten und zeitgemäße technische Ausstattung für Knie-, Hüft- oder Wirbelsäulen-OPs? Und wie viele Eingriffe werden im Jahr tatsächlich vorgenommen? Dieser neue Blick auf die Kliniklandschaft kann dazu führen, so die Krankenhausgesellschaft NRW, dass im konkreten Einzelfall Abteilungen oder ganze Krankenhäuser dicht gemacht werden.
Konstruktives Miteinander
Keine Überversorgungin Ballungsgebieten
Im September sollen die Pläne im Gesundheitsausschuss des Landtags beraten werden. Anfang 2022 soll die neue Krankenhausplanung vom Land gestartet werden. Spätestens Mitte 2023 will Minister Karl-Josef Laumann dann Fakten geschaffen haben. Auch solle nach Fallzahlen und nicht mehr nach Anzahl der Betten geplant werden.„Als erstes Bundesland werden wir die Krankenhausstruktur künftig differenziert über Leistungsbereiche und Leistungsgruppen planen“, sagt der Minister. Dazu gehöre auch, dass sich Krankenhäuser auf bestimmte Behandlungen konzentrieren und andere nicht mehr anbieten. Dabei würden den Kliniken klare Vorgaben hinsichtlich der Personalausstattung, der Qualifikation der Beschäftigten und der Ausstattung der Kliniken gemacht.2019 hatte Laumann ein Gutachten vorgestellt. Fachleute empfahlen eine grundlegende Reform der Krankenhausplanung. Die Experten kritisierten u.a. eine Überversorgung in den Ballungsgebieten, insbesondere der Rhein-Ruhr-Schiene. Daneben attestierten die Wissenschaftler eine teilweise Unterversorgung in ländlichen Regionen von NRW.
Grundlage für die Neuordnung der Krankenhauslandschaft, so die idealtypische Vorstellung in Düsseldorf, soll ein unter den Häusern vor Ort abgestimmtes Miteinander sein. Sie selbst sollen sich darauf einigen, wer was am besten kann. Sicherlich hat das einst zerrüttete Miteinander der Hagener Hospitäler durch die Coronakrise sowie Personalwechsel an führenden Positionen zuletzt zumindest auf operativer Ebene an konstruktiver Qualität gewonnen. Doch wenn sich die Träger Agaplesion Allgemeines Krankenhaus Hagen (AKH), die Katholische Krankenhausgesellschaft Hagen (KKH/St. Josefs, St. Johannes sowie das Zentrum für seelische Gesundheit in Hohenlimburg), die Evangelische Stiftung Volmarstein (Mops-Krankenhaus Haspe) und die Vamed-Klinik Hagen-Ambrock über den jeweiligen Verzicht sich verständigen sollen, birgt das dennoch Reibungspotenzial.
Erst in dieser Woche sind die Häuser im Rahmen einer landesweiten Videokonferenz vom NRW-Gesundheitsministerium offiziell über die ehrgeizigen Pläne informiert worden. „Ich halte zunächst einmal den Zeitplan für völlig unrealistisch“, betont Frank Bessler, Ärztlicher Leiter des Geschäftsbereichs Gesundheit in Haspe, dass mitten in die vierte Coronawelle hinein die Häuser zurzeit nur bedingt einen Kopf für einen neuen Landeskrankenhausplan hätten. Zudem erfordere eine mögliche Zerstückelung der Inneren und Chirurgischen Medizin in kleinere Behandlungsgruppen so viel Detailarbeit, dass dies in der Kürze der Zeit niemals umsetzbar sei. So hätten die Hasper als ein Haus der Grund- und Regelversorgung sich zuletzt auf die Angebote für behinderte Patienten spezialisiert, so dass naturgemäß auf viele medizinische Bereiche gar nicht verzichtet werden könne. „Wie nötig es ist, für alle Dinge betriebsbereit zu sein, haben wir ja gerade in den vergangenen Jahren gesehen“, warnt Bessler davor, das Kind jetzt mit dem Bade auszuschütten.
Differenzierte Fachabteilungen
Parallel sind auch das AKH sowie die katholischen Häuser aktuell damit beschäftigt, die angemahnten Reformen für sich zu simulieren. „Dies ist aufgrund der enormen Detailtiefe der Planung ein sehr komplexer Vorgang, der seine Zeit braucht. Daher liegen uns zum aktuellen Zeitpunkt noch gar keine Ergebnisse vor“, beschreiben Maren Esser (AKH) und Christian Bers (KKH) für die beiden Träger die aktuelle Situation und somit die konkreten Auswirkungen der angekündigten Reformen auf die Hagener Krankenhauslandschaft zurzeit kaum skizzieren.
„Ein Krankenhaus ist auch nicht mit jeder beliebigen Konfiguration von Leistungsbereichen leistungsfähig, wirtschaftlich zu betreiben und für Fachkräfte attraktiv“, betonen die beiden Unternehmenssprecher. Gleichzeitig verweisen sie darauf, dass man schon heute über einen ausdifferenzierten Versorgungsauftrag mit vielen Alleinstellungsmerkmalen verfüge, der sich in etlichen Fachgebieten niederschlage – wie zum Beispiel der Urologie, Geburtshilfe und Pädiatrie am AKH oder auch der Neurologie, Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie oder Augenheilkunde im KKH.
Darüber hinaus sei der größte Zugewinn an Patientenorientierung und Behandlungsqualität in den vergangenen Jahren durch die Bildung interdisziplinärer medizinischer Zentren erzielt worden. „Auch wir kooperieren bereits seit Jahren in einigen Bereichen erfolgreich, beispielsweise im zertifizierten Darmkrebszentrum Hagen“, so Esser und Bers. „Aber auch auf dem nichtmedizinischen Sektor arbeiten wir seit Jahren erfolgreich zusammen. So betreiben AKH und KKH eine zentrale Speisenversorgung für unsere Betriebstätten. Dadurch konnten wir die Qualität hochhalten und dabei gleichzeitig die Kosten senken“, seien dies Praxisbeispiele dafür, dass Grundzüge der Reformen in Hagen bereits gelebte Praxis würden. Natürlich sei man für weitere und neue Kooperations- und Restrukturierungsansätze offen.