Garenfeld. Weil ein Mitglied einer Roma-Familie das ehemalige Gymnasium Garenfeld in Hagen erworben hat, sind Anwohner besorgt.
Mit der idyllischen, dörflichen Ruhe und Gemächlichkeit im äußersten Nordosten der Stadt Hagen ist es seit ein paar Tagen vorbei. Denn in Garenfeld spukt eine explosive Mischung aus Skepsis, Angst und Alarmstimmung: Der Grund: Die Hille-Stiftung hat das seit den Abiturprüfungen 2017 leerstehende Gymnasium Garenfeld an ein Mitglied einer Roma-Familie verkauft. Die Kaufsumme für den 17.500 Quadratmeter großen Gesamtkomplex mit angrenzenden Sportplatz- und Freiflächen liegt nach Informationen der Stadtredaktion knapp unter der Million-Grenze. Zwar stammt die Beurkundung des Vertrages bereits aus Februar, doch nach einer Anzahlung ist die Restsumme erst in dieser Woche geflossen, weil der Käufer den Betrag aufgrund eines nachträglich aufgetauchten Wasserschadens bis zum letzten Stundungstermin zurückgehalten hatte.
„Die Menschen sind verunsichert“, spiegelt Bezirksbürgermeister Heinz-Dieter Kohaupt aus Gesprächen mit Anwohnern die Stimmung auf der Höhe wider. „Dort regiert bereits die Sorge, dass hier bald Verhältnisse wie in Altenhagen und Wehringhausen herrschen.“ Dabei stammt der ursprüngliche Hinweis auf den potenziellen Käufer von einem Garenfelder, berichtet Lars-Nicklas Sondermann aus der Dortmunder Wirtschaftskanzlei Audalis, der die Hille-Stiftung als Verkäufer vertritt und zuletzt aufgrund der dringend erforderlichen Tilgung von Stiftungsschulden dieses Immobiliengeschäft vorangetrieben hat: „Unser Kontakt zu dem Mittelsmann des Käufers war immer zuvorkommend, das Geld wurde von einem deutschen Konto überwiesen“, räumt der Steuerberater ein, dass ihm auch erst bei der Beurkundung des Kaufvertrages erstmals der Name der Roma-Familie K. aufgefallen sei.
Letzten Abiturprüfungen im Jahr 2017
Sinkende Schülerzahlen und damit einhergehende finanzielle Schwierigkeiten hatten die Privatschule zuletzt an den wirtschaftlichen Abgrund gebracht. Der Internatsbetrieb war bereits 2010 eingestellt worden, im Schuljahr 2016/17 wurde die Schule nur noch von 121 Jungen und Mädchen besucht, schließlich zogen die Verantwortlichen die Notbremse und kündigten mit Ablauf des Schuljahres die Schließung an. 17 junge Leute waren im Juli 2017 die letzten Abiturienten nach 110 Jahren Schulgeschichte. Seitdem steht das riesige Gebäude leer. Ein großer Teil des Inventars wurde im März 2018 auf einem Trödelmarkt verkauft. Die Villa an der Einfahrt ist von einem Dortmunder Chirurgen erworben worden. Doch das Haupthaus wurde wie Sauerbier angeboten.
Über vier Jahre herrschte Stillstand. Zwischenzeitlich interessierte sich auch die Stadt Hagen, die zu keinem Zeitpunkt ein Vorkaufsrecht besaß, für die Immobilie, um dort eventuell die FESH, eine Kita, sowie ein Mehrgenerationen-Wohnprojekt oder gar eine Gewerbenutzung zu realisieren. Doch die Kaufsumme lag seinerzeit noch deutlich höher und ein Ankauf erschien somit unrentabel. Letztlich wurde sich die Stiftung (siehe Box) mit der Roma-Familie K. für deutlich kleineres Geld handelseinig. Die ursprünglich aus Osteuropa stammende Großfamilie sorgte zuletzt durch dubiose Praktiken beim Teppichhandel im süddeutschen und Schweizer Raum für Schlagzeilen und geriet aufgrund ihres wenig seriösen Geschäftsgebarens auch in den warnenden Fokus der Verbraucherschützer. In Hagen fiel die Familie zuletzt wegen kleinerer Taschendiebstähle in Bussen von Kinder-Klaubanden auf.
Nachdem die Stadt von Garenfelder Anwohnern, die in den vergangenen Wochen plötzlich bauliche Aktivitäten auf dem Gelände wahrnahmen, von dem Privatverkauf erstmals erfuhr und zugleich Kenntnis erhielt, dass aufgrund der noch offenen Restzahlung durch den Käufer gar eine Rückabwicklung des Kaufvertrages möglich erscheine, versuchte man seitens des Rathauses noch einmal dazwischenzugrätschen: Hans-Joachim Bihs, Geschäftsführer der Hagener Erschließungs- und Entwicklungsgesellschaft (HEG) rechnete mit spitzer Feder nach und schob bei der Stiftung ein Angebot von rund einer Million nach, um auf dem Areal nach einem Abriss des Internats einer gehobenen Ein- und Zweifamilienhausbebauung den Weg zu ebnen.
Sorge vor Roma-Zuwanderung
Geschichte reicht bis ins Jahr 1907
Seit den Anfängen der Schule im Jahr 1907 befand sich das frühere Landschulheim Höfinghoff stets im Familienbesitz. Ab 1928 war Dr. Hermann Hille Schulleiter und Eigentümer der Schule. Mit seinem Tod 1985 ging die Verantwortung und Trägerschaft auf seine Frau Katharina Hille über.Noch zu Lebzeiten gründete Frau Hille im Jahr 2010 die Dr. Hermann und Katharina Hille Stiftung, in welche sie ihre finanziellen Mittel und die vorhandenen Immobilien einbrachte, um auch über ihren Tod hinaus den Fortbestand des Gymnasiums sicherzustellen.Seit ihrem Tod 2011 sind ein Kuratorium sowie ein Vorstand verantwortlich. Würde die Stiftung aufgelöst, was ihr Sprecher Lars-Nicklas Sondermann zurzeit noch nicht absehen kann, fiele ihr Vermögen an die SOS-Kinderdörfer.
„Es gab sogar eine positive Rückmeldung der Stiftung, zu unseren Gunsten von dem bestehenden Kaufvertrag zurücktreten zu wollen“, sah auch Oberbürgermeister Erik O. Schulz die Stadt auf einem guten Weg, den ungeliebten Verkauf an die Roma noch zu verhindern. Schließlich kann man sich auch im Rathaus nicht des Eindrucks erwehren, dass durch die massive EU-Zuwanderung aus Südosteuropa das Maß des Verträglichen an nur äußerst mühsam integrierbaren Migranten aus diesem Kulturkreis in der Stadt inzwischen erreicht sei. Daher verfolgte die Stadt das strategische Ziel, hier kein weiteres Großobjekt einer Roma-Familie zu überlassen, bei der angesichts der Erfahrungen in anderen Großstädten die Sorge besteht, dass dort Domizile für Großfamilien entstehen.
Doch zwei Stunden bevor am vergangenen Mittwoch bei einem extra angesetzten Notartermin der neue Kontrakt zwischen HEG und Hille-Stiftung unterschrieben werden sollte, musste der HEG-Chef erfahren, dass die Familie K. die offene Summe am Vorabend überwiesen habe. Damit war dieses ursprüngliche Verkaufsgeschäft unwiderruflich rechtskräftig.
Parallel liegt nach Informationen der Stadtredaktion bei der Stadt schon eine Bauvoranfrage vor, wonach in dem ehemaligen Gymnasium 25 Wohneinheiten entstehen sollen. Zudem wird in der nächsten Sitzungsrunde der Einleitungsbeschluss für einen Bebauungsplan für das Areal auf den Weg gebracht. „Wir werden exakte planungsrechtliche Ziele definieren, die mit den Strukturen des Garenfelder Dorfkerns harmonieren“, macht der Oberbürgermeister deutlich, dass im Rathaus bislang weder ein konkreter Bauantrag der neuen Gymnasiumsbesitzer vorliege noch irgendeine Baugenehmigung erteilt worden sei.
Hinweis: Artikel geändert am 8. Juni