Hagen. Tausende Impftermine abgesagt, viele Fragen offen. Wie es für Astrazeneca-Erstgeimpfte weitergehen kann, ordnet der Leiter des Impfzentrums ein.

3500 Corona-Impftermine in Hagen sind vorerst abgesagt, weil der Impfstoff des Unternehmens Astrazeneca vorerst ausgesetzt wird, weil europaweit 30 Fälle von Gerinnungsstörungen, auch mit Blick auf Hirnvenenthrombosen aufgetreten sind. Hagener, die die erste Dosis Astrazeneca erhalten haben, fragen sich, wie sie sich nun verhalten sollen. Dr. Rolf Kinzius, Leiter des Hagener Impfzentrums, ordnet die aktuelle Lage ein.

„Alle, die die erste Dosis Astrazenca bereits erhalten haben, haben einen Impfschutz“, sagt Kinzius und blickt dabei auch auf England, wo die Zweitdosis so weit verschoben werde, dass zunächst möglichst viele Menschen die Erstimpfung erhalten. „Es scheint zu funktionieren in England. Der Schutz ist da. Wobei noch unklar bleibt, ob diese Strategie Mutanten mehr Raum gibt oder nicht.“ Klar sei laut Kinzius, dass Astrazeneca-Erstgeimpfte einen deutlichen Impfschutz haben. „Schwere Covid-Verläufe kriegen die Erstgeimpften nicht mehr“, so Kinzius. Die Immunantwort sei im Übrigen höher, je größer der Abstand zwischen den Impfungen sei. Im besten Fall neun bis zwölf Wochen.

Unabhängig von Corona: 1000 bis 3000 Thromboembolien jährlich in Deutschland

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Laut Daten aus großen Phase-III-Studien verringert der Astrazeneca-Impfstoff das Covid-19-Risiko um gut 80 Prozent, wenn zwischen zwei vollen Impfdosen mindestens drei Monate liegen, geht aus einer Spiegel-Recherche hervor. Die Süddeutsche Zeitung hat herausgearbeitet, dass unabhängig von Corona oder der Impfung jährlich in Deutschland 1000- bis 3000- mal pro eine Million Menschen „Thromboembolien“ auftreten würden und sie damit „relativ häufig“ seien. Üblicherweise bekämen 200 bis 300 von einer Million Frauen im gebärfähigen Alter jedes Jahr eine Thrombose. „Nehmen Frauen die Pille, erhöht sich ihre Wahrscheinlichkeit, eine Thrombose oder Embolie zu entwickeln, je nach Präparat auf 700 bis 1200 zu einer Million, abhängig von weiteren Risikofaktoren wie Rauchen, Bewegungsmangel oder Übergewicht“, berichtet die SZ.

Impfzentrumsleiter findet Stopp von Astrazeneca „unangemessen“

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„Ich finde den Impfstopp von Astrazeneca unangemessen“, sagt der Hagener Impfzentrumsleiter Rolf Kinzius. „Es ist richtig, dass man die genannten Fälle ernst nimmt und auch untersucht.“ Das wäre aber auch im laufenden Verfahren gegangen. Generell gelte laut Kinzius zum einen, dass der Nutzen von Astrazeneca das bisherige Risiko überwiege. Zum anderen sei es nicht schädlich, wenn Astrazeneca-Erstgeimpfte mit einem anderen Impfstoff neugeimpft würden, falls Astrazenca nicht mehr zugelassen werde – eine bislang hypothetische Betrachtungsweise.

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Astrazeneca ist bekanntlich ein Vektorimpfstoff. Das Trägervirus sind Schnupfenviren, die bei Schimpansen Erkältungen auslösen, beim Menschen aber nicht. Damit der Körper eine Abwehrreaktion erzeugen kann, wird das Virus um einen Teil der Erbsubstanz des Coronavirus ergänzt. Dem Körper wird so eine Corona-Infektion vorgetäuscht, woraufhin er die Antikörperproduktion in Gang setzt. Bei den Impfstoffen von Biontech/Pfizer und Moderna handelt es sich um genbasierte Impfstoffe. Dabei erhält der Körper genetisches Material des Virus für den Bau von Antikörpern.

Zwei Impfstoffe im Körper? Dr. Rolf Kinzius hält das für unproblematisch

Da es sich bei Astrazeneca im Gegensatz zu Biontech oder Moderna um einen Vektor- und keinen mRNA-Impfstoff handelt, hätten alle, die statt der zweiten Astrazeneca-Dosis ein anderes Präparat erhalten würden, zwei Corona-Impfstoffe mit unterschiedlichen Wirkweisen im Körper. „Für den Körper sind unterschiedliche Antigene überhaupt kein Problem“, sagt Rolf Kinzius. „Es ist im Prinzip so, als würde dem Körper der Angreifer einmal auf einem Löffel präsentiert und einmal auf einer Gabel. Die Antwort des Immunsystems darauf wird aber die gleiche sein und es ist folglich egal, wie viele unterschiedliche Impfstoffe man schon in sich trägt. Schädlich ist das nicht.“

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Seit einer Woche können sich Hagenerinnen und Hagener an zwölf Stellen im Stadtgebiet einmal die Woche kostenlos auf das Coronavirus testen lassen. 3495 Schnelltests wurden in den letzten sieben Tagen durchgeführt, davon haben 23 Tests ein positives Testergebnis ergeben. Die Schnelltests werden von Apotheken, Hilfsorganisationen, extra eingerichteten Testzentren oder von Arztpraxen durchgeführt. Eine Übersicht über alle Teststellen gibt es unter www.hagen-testet.de