Arnsberg. Einblicke in das Leben einer besonderen Gemeinschaft im Herzen von Hüsten: Warum ein Bayern-Fan in Schalke-Bettwäsche schläft und ein Bewohner gern in den Keller geht.
Manche gehen zum Lachen in den Keller - Christian hingegen zum Handwerken. Der 32-Jährige lebt mit sieben weiteren Menschen in der Wohngemeinschaft Heinrich-Lübke-Straße 31, im Herzen von Hüsten. Dort wird nicht nur viel gelacht, sondern auch gemeinsam gekocht, geklönt, Fernsehen geschaut - und manchmal auch ein wenig gezankt. Wie in einer ganz normalen Familie halt. Für manchen Außenstehenden mag das nicht selbstverständlich sein, denn die WG läuft in Regie des Caritas-Verbandes Arnsberg-Sundern - unter der Bezeichnung „Intensiv Ambulantes Wohnen (IAW)“.
Was es mit diesen drei Buchstaben auf sich hat, lässt sich am besten vor Ort herausfinden - bei einem Besuch, den der Schreiber dieser Zeilen noch lange in guter Erinnerung behalten wird. Herzlich ist bereits der Empfang an der Haustür: „Christian, du warst ja gefühlt 100 Jahre nicht mehr bei uns!“ Gemeint ist Christian Stockmann, der den Anstoß zu diesem abendlichen Gespräch gegeben hat. Der „Sozialfachliche Vorstand der heimischen Caritas“ möchte zeigen, dass sich auch Menschen mit Behinderung mit Erfolg auf Veränderungen einlassen können.
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Natürlich sind die „100 Jahre“ nur eine Frotzelei von Norman, der - wie alle hier - seit dem Start der WG vor etwa zwei Jahren in den Räumlichkeiten an der Heinrich-Lübke-Straße wohnt. Ende 2022 zog die bunt gemischte Truppe vom Wohnhaus Mariannhill auf dem Schreppenberg gemeinsam in ihr damals neues, großzügiges Zuhause.
Bereut hat das niemand - im Gegenteil: „Wir fühlen uns hier sehr wohl“ berichten die „Neu-Hüstener“ wenig später bei Kaffee und Kuchen am festlich gedeckten Tisch des Gemeinschaftsraums. Dieser Bereich ist, samt Küche und einem Wohnzimmer, für alle da. Wer seine Ruhe haben möchte, kann sich jederzeit in seinen eigenen Bereich zurückziehen - wie in einer WG üblich. Ziel ist, dass die Bewohnerinnen und Bewohner ein „ganz normales Leben“ führen. Das kann manchmal auch richtig aufregend sein, wie Norman (52) und seine Bianca erzählen. Die beiden kennen sich seit mehr als 15 Jahren; doch in Hüsten hat es erst richtig gefunkt. Im Mai gab sich das Paar das „Ja-Wort“; seitdem haben sie ihre privaten Bereiche in der WG zu einem schmucken Appartement zusammengelegt.
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„Ich will hier nie wieder weg“, verrät Bianca während des Blätterns im Fotoalbum ihrer Hochzeit. Die wurde „fett“ gefeiert - standesamtlich, kirchlich und dann bis in die Puppen im Gasthof Köster. Ein Zeichen dafür, wie gut das Eingewöhnen in Hüsten geklappt hat.
„Die WG ist längst fester Bestandteil der Hüstener Gemeinde“, freut sich Tanja Bode. Sie ist als Wohngruppenleiterin - unterstützt von drei Kolleginnen - für die Truppe verantwortlich, schon in Mariannhill. Dorthin, sprich zum Schreppenberg, gibt es übrigens noch immer Kontakte. „Unsere Bewohner sind viel unterwegs“, weiß der „gute Geist“ der WG. Und das weit über Arnsberg hinaus - Beispiele gefällig: „Depeche- Mode“-Fan Hannelore düste schon zu einem Livekonzert der Band. Gemeinsam waren die Acht beim „Schlagerstern“ in Willingen am Start; im Urlaub rollt ein Bus an die niederländische Küste - nach Zandvoort. Klingt alles sehr harmonisch, aber gibt‘s denn auch mal Zoff?
Es gibt auch mal Streit
„Wir haben auch mal Streit - Elke ärgert sich schon mal“, gibt Christian mit Blick auf seine Mitbewohnerin (59) Auskunft. Doch von langer Dauer sei so etwas nie, stellt Tanja Bode prompt fest. Auch, weil einmal im Monat eine Gruppensitzung abgehalten wird. Dort wird diskutiert, werden Probleme angepackt, Konflikte ausgeräumt - und Aufgaben verteilt. Wie sieht er denn aus, der WG-Alltag? Zwei weibliche Bewohnerinnen sind schon in Rente, darunter auch die WG-Älteste Sigrun (68). Beide kümmern sich, teils unter Anleitung, um den Haushalt: Wäsche machen, drei Mal pro Woche einkaufen, Kochen, etc..
Die übrigen Bewohner gehen einer Arbeit nach, in den Caritaswerkstätten, wo sie auch zu Mittag essen. Nach ihrer Rückkehr versammeln sich alle am großen Tisch und lassen den Tag Revue passieren, ebenfalls wie in einer Familie. Zeit und Raum für Hobbys bleibt danach noch genug: Norman hört dann gerne Musik aus den 80ern; Uta (51) lässt in ihrem schicken roten Sessel die Seele baumeln und beschäftigt sich mit Handy und Tablet. Christian begibt sich gern an seine Werkbank in den Keller (nicht zum Lachen...).
Irgendwann kehrt Ruhe ein - die Betreuer haben das Haus verlassen (es gibt nachts eine Rufbereitschaft): Schlafenszeit. Auch für Axel (39), der zwar Bilder vom FC Bayern an der Wand hängen hat - aber Bettwäsche mit Logo des FC Schalke 04 bevorzugt (!). Der Besucher und Chronist hat sich längst verabschiedet - beeindruckt vom Leben in der „IAW“; normal - doch oft auch intensiv.
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