Arnsberg. Die Ukrainerin Salamakha lebt in Arnsberg und schaut optimistisch in die Zukunft. Und doch hängt sie an ihrem alten Leben in der Ukraine.

„Den Geburtstag meiner Tochter haben wir im Keller gefeiert“, sagt Salamakha Zoreslava, „und über uns war Krieg.“ Sie spricht über den ersten Luftangriff der russischen Truppen am Abend des 12. März 2022 auf den Militärstützpunkt Jaworiw nahe Lwiw in der Ukraine. Sie erzählt vom Luftalarm, der in ihrer Stadt ausgelöst wurde. Es ist der 9. Geburtstag ihrer Tochter Anastasia.

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Vor zweieinhalb Jahren ist sie allein mit ihrer Tochter aus der Ukraine nach Deutschland geflohen. Rund eineinhalb Monate nach Kriegsbeginn im Frühling 2022. „Wir wollten nicht weg“, sagt die heute 46-Jährige. „Aber unsere Wohnung lag zwischen …“. Sie stockt, nimmt ihr Handy in die Hand und spricht mit einer Übersetzungsapp, „zwischen einer Panzerfabrik und einem Militärstützpunkt.“ Unweit der polnischen Grenze, nahe der Stadt Lwiw. 

458 Ukrainerinnen über 18 Jahre in Arnsberg

In Arnsberg ist sie eine von 458 erwachsenen Frauen, die aus der Ukraine geflüchtet sind. „Nicht alle geflüchteten Frauen aus der Ukraine fühlen sich als Flüchtling unter Flüchtlingen aus aller Welt. Vor einigen Jahren besuchten sie unser Land möglicherweise als Touristen, nun sind sie hier Sozialleistungsempfängerinnen und sollen sich in den Arbeitsmarkt integrieren, obwohl sie große Sehnsucht nach dem eigenen Zuhause haben“, so Stadtsprecherin Ramona Eifert zur allgemeinen Situation.

Einige Frauen sähen sich deshalb eher als Vertriebene, die für die Kriegsdauer ihr Heimatland verlassen mussten und statt einer Integration in den hiesigen Arbeitsmarkt eher ihr Land unterstützen möchten. Salamakha Zoreslava möchte ihrer Tochter zuliebe in Deutschland bleiben. „Meine Tochter hat sehr gut Deutsch gelernt, hat hier Freunde gefunden, sie möchte nicht mehr weg. Das möchte ich ihr nicht nehmen“, sagt sie.

Aus der Redaktion in die Spülküche
Salamakha Zoreslava ist eine von 458 erwachsenen ukrainischen Frauen, die aktuell in Arnsberg leben. Für ihre Tochter will sie bleiben. © WP | Thora Meißner

Sie lässt alles hinter sich: Ihre Familie, ihren Ex-Mann und Vater ihrer Tochter, ihre Freunde und ihren Job. „Ich habe am Institut für Druck- und Medientechnologien studiert und dann 17 Jahre lang als Sekretärin beim Vash Bau-Magazin gearbeitet.“ Als Anastasia zur Welt kam, sei sie zunächst zu Hause geblieben, um für ihre Tochter zu sorgen und habe später dann neue Jobs angenommen. „Ich habe dann in der Aesthetic Medicine Clinic und in einer Pizzeria gearbeitet.“

Hilfsbereite Familie in Arnsberg nimmt Familie Zoreslava auf

In Arnsberg lebten sie und ihre Tochter zunächst in einer Flüchtlingsunterkunft. „Aber nur ein paar Tage. Da war eine nette Familie, die uns erlaubte, in ihrem Haus zu wohnen“, sagt Salamakha Zoreslava. Rund eineinhalb Jahre bleiben sie. „Wir sind der Familie dafür sehr dankbar!“

Nach Kriegsbeginn seien Ukrainer auf sehr viel Verständnis und Hilfsbereitschaft in der Stadtgesellschaft getroffen, so die Stadt Arnsberg. Inzwischen sei es aber zu einem Wandel gekommen. „Öffentliche Anfeindungen sind keine Seltenheit mehr. Statt einer Solidarisierung mit anderen Flüchtlingen geht man mehr den Weg, sich in rein nationalen Gruppen zu organisieren“, so Eifert. Salamakha Zoreslava sagt, dass sie glücklicherweise noch keine schlechten Erfahrungen mit Arnsbergern gemacht habe.

Gerne würde sie auch wieder im Sekretariat arbeiten, das Büroleben genießen - und schöne Fingernägel haben. Gepflegte Nägel hat sie, kurz. Ihre Hände sind rau. „Ich habe seit acht Monaten keine Maniküre mehr gemacht“, sagt sie und lacht, „seitdem ich in der Spülküche arbeite.“ Denn ihre Deutschkenntnisse lassen es nicht zu, sich in einem deutschsprachigen Büro zu bewerben, meint sie. Und das, wo sie doch das Sprechen so liebe. „Ich spreche gerne mit Menschen, habe gerne Kundenkontakt. Das vermisse ich!“

Ramona Eifert, Sprecherin der Stadt Arnsberg.

„Leider dauert es lange, bis Zeugnisse anerkannt werden. Ukrainerinnen haben häufiger ein Interesse an einem Spracherwerb, der über das Niveau B1 hinausgeht, um in ihrem bisherigen Beruf arbeiten zu können. Helfertätigkeiten sind selten erwünscht.“

Ramona Eifert
Sprecherin der Stadt Arnsberg

Der Wunsch nach qualifizierter Tätigkeit bei arbeitsfähigen Frauen sei groß, stellt die Stadt Arnsberg fest. „Leider dauert es lange, bis Zeugnisse anerkannt werden. Ukrainerinnen haben häufiger ein Interesse an einem Spracherwerb, der über das Niveau B1 hinausgeht, um in ihrem bisherigen Beruf arbeiten zu können. Helfertätigkeiten sind selten erwünscht“, so Eifert.

Ukrainerin in Arnsberg: Jeden Abend in die Ukraine telefonieren

„Ich habe B1 abgeschlossen, aber die B2-Prüfung leider nicht bestanden.“ Bei B1 und B2 handelt es sich um Bezeichnungen für das vorhandene Sprachniveau. Ein System gemäß GER (Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen), das die Sprachkompetenzen nach gemeinsamen Kriterien beschreibt und vergleicht.

Deshalb lernt Salamakha Zoreslava weiter Deutsch. Immer dann, wenn ihr anstrengender Achtstundentag in der Spülküche es noch zulässt. „Abends bin ich oft müde, dann ruhe ich mich erstmal aus“, sagt sie.

Außerdem telefoniere sie abends oft und lange. „Ich telefoniere jeden Tag mit einer Freundin und Bekannten aus der Westukraine“, so Salamakha Zoreslava. „Ich erfahre so, wie es ihr geht. Die Menschen in der Ukraine passen sich dem Krieg an - anders geht es nicht.“

Diese Sorge der Ukrainerinnen sieht auch die Stadt Arnsberg. „Die Sorgen um ihre Ehemänner, Verwandten, Freunde, Nachbarn und die eigenen Besitztümer sind groß. Bei Seniorinnen geht es um Werte, die sie sich in Jahrzehnten zuvor schwer erarbeitet haben“, so die Stadtsprecherin.

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