Arnsberg. Fünfköpfige Wohngruppe soll Haus in Niedereimer nach mehr als 20 Jahren verlassen. Im Dorf versteht das niemand. Caritasverband steht Rede und Antwort.
Das Schreiben ist anonym - verfasst haben muss aber jemand, der selbst betroffen ist - oder den Betroffenen nahesteht; zwischen den Zeilen sind Unverständnis und Ärger deutlich zu spüren. „Auszug Behinderten-Wohngemeinschaft Niedereimer“ titelt der Brief, den ich in Händen halte. Noch in diesem Jahr sollen die fünf Bewohner des ehemaligen Pfarrhauses nach Hüsten umziehen - in eine neue Einrichtung des Caritasverbandes Arnsberg-Sundern, an der Straße „Möthe“. „Gegen ihren Willen“, heißt es in besagtem Schreiben - und weiter: „Niedereimers Bevölkerung ist über diese Entscheidung völlig enttäuscht.“ Seit mehr als 20 Jahren in Niedereimer fest verwurzelt sei das Quintett, aktiv in ortsansässigen Vereinen und fester Bestandteil des dörflichen Lebens.
Auch interessant
„Die Fünf sind tatsächlich sehr gut integriert“, bestätigt uns Friedel Sölken auf Nachfrage. Er muss es wissen, denn er lebt selbst in Niedereimer und ist Mitglied im Kirchenvorstand. Das Wohnhaus gehört der Kirche - ist an den Caritasverband vermietet. Doch im Zuge der vom Bistum angestoßenen Veränderungen stehen derzeit alle Immobilien auf dem Prüfstand - auch das alte Pfarrheim soll verkauft werden. Man habe es dem Caritasverband zum Kauf angeboten, berichtet Friedel Sölken, doch der habe abgelehnt. Das Gebäude sei nicht barrierefrei, die Sanierung nicht wirtschaftlich. „Wir haben dann vorgeschlagen, gemeinsam mit der Caritas einen Investor zu suchen, der das Haus als Geldanlage kauft, saniert - und keinen Eigenbedarf anmeldet“, so Sölken weiter. Ziel sei, dass die Fünf - drei Männer und eine Frau „60 plus“ sowie eine deutliche jüngere Dame - weiter in Niedereimer leben können; denn: „Die gehören einfach dazu“, stellt das Kirchenvorstandsmitglied fest. Vor wenigen Tagen erst habe ein Dorfbewohner geäußert, er könne sich durchaus vorstellen, das alte Pfarrhaus unter diesen Voraussetzungen zu kaufen, erzählt Sölken - nicht zuletzt deswegen sei man in Niedereimer von der Entscheidung der Caritas „doch etwas überrascht“.
Was sagt der Caritasverband Arnsberg-Sundern selbst? Wir haben mit Christian Stockmann über die Angelegenheit gesprochen. Weil es sich um ein älteres, nicht barrierefreies Gebäude handelt, habe der Verband entschieden, es nicht zu kaufen, so der Sozialfachliche Vorstand. „Vor dem Hintergrund, dass auch Menschen mit Handicap älter werden, haben wir überlegt - was macht Sinn?“, erklärt Stockmann, „und wie können wir diese Menschen auch künftig optimal betreuen und versorgen?“ Das neue Projekt in der „Möthe“ in Hüsten biete alle Voraussetzungen dafür. „Intensiv Ambulantes Wohnen“ (kurz IAW) sei dort vorgesehen, hatte Dominik Pieper bereits vor einigen Wochen im Gespräch mit der WP erklärt. „Menschen mit geistiger Einschränkung, teils zusätzlich mit körperlichem Handicap, werden in den Räumen leben, jeder im eigenen Zimmer. Gemeinschafts- und Personalräume sowie eine Küche runden das Wohngruppenangebot ab, das von etwa acht bis zehn Menschen in Anspruch genommen werden kann“, so der Kaufmännische Vorstand des Caritasverbandes Arnsberg-Sundern seinerzeit weiter.
Auch interessant
Der Gruppe aus Niedereimer sei darum der Vorschlag gemacht worden, gemeinsam dorthin umzusiedeln. „Wir haben mit den Betroffenen, ihren Angehörigen und Betreuern ausführlich darüber gesprochen“, betont Christian Stockmann. Natürlich machen Veränderungen Angst, räumt er ein. Aber nach den Gesprächen hätten die Fünf das Angebot als Chance - und als Verbesserung verstanden und angenommen. „Vor etwa zwei Jahren hatten wir eine ganz ähnliche Situation“, berichtet der Sozialvorstand. Seinerzeit zogen Bewohner einer Wohngruppe im Bereich der Heilig-Kreuz-Gemeinde auf dem Schreppenberg in eine Immobilie nach Hüsten um. „Und das ist - aus Sicht aller Beteiligten - gut gelungen“, blickt Stockmann zurück.