Arnsberg. Mit dem Begriff „Biergenuss“ will sich Klinikum-Chefarzt Dr. Rüdiger Holzbach nicht anfreunden. Er spricht über Alkohol und Suchtrisiken.

Im Rahmenprogramm zur Sonderausstellung „Frisch gezapft! Das Bier und wir“ lädt das Sauerland-Museum Arnsberg am Dienstag, 17. September, um 18 Uhr zu einem Vortrag ins Blaue Haus ein. Das Thema setzt sich kritisch mit dem Umgang mit Alkohol auseinander. Zum Thema „Alkohol - vom Genuss zur Sucht“ spricht Dr. med. Rüdiger Holzbach, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik im Klinikum Hochsauerland. Im Vorfeld stellt er sich den Fragen der Redaktion.

Dr. Rüdiger Holzbach, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik im Klinikum Hochsauerland.
Dr. Rüdiger Holzbach, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik im Klinikum Hochsauerland. © WP | Klinikum Hochsauerland

Wie definiert sich aus medizinischer Sicht der Übergang vom gelegentlichen und eher unproblematischen Biergenuss zur Alkoholabhängigkeit?

Der Übergang ist fließend. Allerdings muss unter strengen Kriterien gesagt werden, dass es keinen unschädlichen Alkoholkonsum gibt, weil Alkohol ein Zellgift ist und immer, natürlich abhängig von der Menge, Zellen und damit Organe im Körper schädigt. Je nach genetischer Schwachstelle greift Alkohol bei manchen Menschen eher die Leber, bei anderen ist die Bauchspeicheldrüse am stärksten betroffen und beim nächsten die Nervenzellen.

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Wie erkenne ich, wenn diese Grenze überschritten ist? Auf welche Warnsignale sollten regelmäßige Biertrinker oder auch deren Angehörige achten?

Ich empfehle unabhängig vom Überschreiten der sichtbaren Grenze sich bei jedem Glas Alkohol zu fragen, für oder gegen was trinke ich Alkohol, warum suche ich die Wirkung von Alkohol. Zum Beispiel, um „lockerer drauf zu sein“, um abzuschalten, um soziale Ängste zu reduzieren.

Welche Faktoren begünstigen die Entwicklung einer Abhängigkeit von Bier oder Alkohol im Allgemeinen?

Zum einen gibt es eine genetische Komponente. Suchterkrankungen werden zwar nicht als Erberkrankungen gesehen, aber das Risiko für die Entwicklung wird vererbt. Typisches Frühwarnzeichen ist, wenn man von Anfang an mehr Alkohol verträgt als Gleichaltrige, insbesondere wenn man dann auch noch zu Aggressivität unter Alkohol neigt. Allgemein gilt, je öfters ich Alkohol trinke, je größer die Trinkmenge ist, umso schneller werde ich abhängig.

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Welche Risiken gibt es bei regelmäßigem Bierkonsum auch abseits der Suchtentwicklung? Gibt es gegebenenfalls auch gesundheitliche Mehrwerte aus Wirkstoffen in Bier?

Das mit dem gesundheitlichen Mehrwert von alkoholischen Getränken wird von Hersteller immer wieder versucht, zum Beispiel durch Aussagen wie „Isotonisch“ oder indem Alkohol ganz allgemein mit Sport in Verbindung gebracht wird. Alkohol ist aber kein Heilmittel, schadet immer mehr als es nutzt.

„Allgemein gilt, je öfter ich Alkohol trinke, je größer die Trinkmenge ist, um so schneller werde ich abhängig.“

Dr. Rüdiger Holzbach
Chefarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik im Klinikum Hochsauerland

Gibt es beim Thema Suchtgefahr grundsätzlich Unterschiede zwischen Bier und anderen alkoholischen Getränken (zum Beispiel Wein, Schnaps etc.)?

Klares „Jein“. Entscheidend für die körperliche Schädigung und die Entwicklung einer Abhängigkeit ist die Menge reinen Alkohols, die in den Getränken „verpackt“ sind. Die „Verdünnung“ von Alkohol im Bier im Vergleich zu beispielsweise Schnaps führt nicht zu einer Reduktion der Risiken. Andersherum wird man von einem Liter Schnaps entsprechend schneller Schäden und Abhängigkeit haben, als wenn man einen Liter Wein oder einen Liter Bier am Tag trinkt, weil entsprechend mehr Alkohol damit aufgenommen wird.

Was raten Sie jemandem, der spürt, dass er die Grenze von Genuss zur Sucht überschritten hat?

Ehrlich gesagt mag ich den Begriff Genuss in Verbindung mit Alkohol nicht so gerne, weil es zur Verharmlosung der Risiken beiträgt. Auch Verniedlichungen wie „ein Gläschen“ oder „mein Weinchen“ sind gefährlich. Der erste Schritt sollte immer sein, sich ehrlich Rechenschaft über sein Trinkverhalten abzulegen. Zu der Erkrankung gehört, dass man zuerst anfängt sich selber zu belügen, sich selber etwas vorzumachen. Ein erster Schritt kann deshalb sein, ein sogenanntes Trinktagebuch zu führen. Dies kann eine einfache Strichliste sein, um sich über die Menge klar zu werden. Verfeinert werden kann dies durch zusätzliche Angaben wie aus welcher Stimmung heraus wurde getrunken, mit wem und an welchem Ort, aus welchem Anlass. Dies kann dazu genutzt werden, um für sich selber zu entscheiden, ob man weiter Alkohol so einsetzen möchte oder ob man alternative Strategien nutzen kann. Wenn man merkt, dass man mit diesen einfachen Hilfsmitteln nicht weiter kommt, sind Suchtberatungsstellen, der Hausarzt oder auch Selbsthilfegruppen niedrigschwellige Angebote, die einem weiterhelfen können.

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