Möhnesee. Fischbesatz an Stauseen des Ruhrverbands ist wichtige Stellschraube zur Wahrung der Wasserqualität. Auch „Dreimeterbrocken“ schwimmen im See.
Allmählich kommt Bewegung in die Stauseen. Mit zunehmender Sonneneinstrahlung und Wärme zieht es nicht nur die Menschen zum Wassersport und bald auch Schwimmen an den See, sondern auch die Fische in Möhne und Sorpe verteilen sich in ihre nun am besten für sie geeigneten Lebensräume zum Fressen, Jagen und Fortpfanzen. Unter der Wasseroberfläche passiert dabei mehr als der Stand-up-Paddler oder Segler unter ihm erwartet. Markus Kühlmann ist verantwortlich für den Fischereibetrieb des Ruhrverbandes am Möhnesee, von wo aus der Fischbesatz in den Stauseen der Region kontrolliert und gesteuert wird.
Es sind nicht nur die kleinen Fische, mit denen sich der 56-jährige Gruppenleiter Fischwirtschaft und Fischökologie mit seinem Team aus sechs festangestellten Mitarbeitenden und zwei Auszubildenden zum Fischwirt täglich beschäftigt. In Möhne und Sorpe kann es unter einem im Wasser auch schon einmal dunkel werden. Dort nämlich halten sich zwischen Mai und Oktober die Raubfische gerne auf - die größten von ihnen sind der Wels, rund ein Meter lange Karpfen und bis 1,40 Meter lange Hechte. „Der Wels bei uns in der Möhne kann auch bis zu drei Meter groß und 70 Kilo schwer sein“, erklärt Markus Kühlmann.
Und da beginnt schon das erste Problem. „Der Wels würde normal hier nicht leben“, sagt Kühlmann. Eigentlich ist dieser urzeitlich anmutende Jäger nämlich im Schwarzmeerraum heimisch. Markus Kühlmann geht davon aus, dass er irgendwann bewusst von Anglern eingesetzt wurde. „Jetzt kann er sich vermehren“, so der Fischwirt. Er gehört zu den Fremdarten, die der Fischereibetrieb des Möhnesees im Blick halten muss. „Jetzt schadet er dem Ökosystem noch nicht“, sagt Markus Kühlmann. Langfristig aber sei das aufgrund des Klimawandels absehbar.
Invasive Arten in den Seen
Die Stauseen werden wärmer - die flachere Möhne noch schneller als die tiefere Sorpe. Und zunehmend werden sogenannte invasive Arten an Seebewohnern gefunden. Erstmals tauchte im Möhnesee 2018 die Körbchenmuschel auf. Und rasant breitet sich die Quaggermuschel aus. „Stellenweise haben wir 1200 Muscheln pro Quadratmeter im Uferbereich gefunden“, erklärt Markus Kühlmann, „sie behindern die Entwicklung anderer Arten“. Gleiches gelte für amerikanische Signalkrebse und Kamberkrebse, die in Möhne und Sorpe eigentlich nichts zu suchen haben.
See ist nicht gleich See. Der Möhnesee zeichnet sich durch seine große Fläche bei geringerer Tiefe, naturnahen Uferstrukturen und einem schnelleren Erwärmungspotenzial aus. „Der Sorpesee entspricht eher einem Voralpensee“, erklärt Markus Kühlmann. Durch seine Tiefe, geringere Fläche und Einbettung in höhere Berge (mehr Schatten) ist der See grundsätzlich ein paar Grad kühler. So schwimmen hier auch der alpine Seesaibling und das Blaufelchen (Bodensee Renke). „Die würden im Möhnesee nicht gedeihen“, weiß Markus Kühlmann. Wie lange das in der Sorpe gut geht, bleibt abzuwarten. „Bei der Klimaerwärmung müssen wir schauen, wohin die Reise geht“, sagt der Experte.
„Der Fischbestand nimmt Einfluss auf die Wasserqualität der Talsperren.“
Seit 30 Jahren arbeitet Markus Kühlmann beim Ruhrverband. Er ist gelernter Fischwirtschaftsmeister und Diplom-Sachverständiger für Fischerei. Er stammt aus dem Schmallenberger Land, war zwischenzeitlich am Bodensee und kehrte zurück ins Sauerland. Heute lebt er direkt am See, direkt am Fischereibetrieb am Möhnesee-Nordufer. Zuständig ist er für das fischereiliche Managament für die acht Talsperren des Ruhrverbandes.
Ein Wasserteilchen bleibt rund ein Jahr in Möhne und Sorpe
„Der Fischbestand nimmt Einfluss auf die Wasserqualität“, sagt Markus Kühlmann. Und die Trinkwasserversorgung ist die Kernaufgabe der Stauseen. Eine intakte Ökologie trage wesentlich dazu bei, dass die Qualität stimmt. Das Wasser fließe nämlich nicht mal eben so durch den See, sondern wird über einen langen Zeitraum von seinem ökologischen Umfeld geprägt. Rund ein Jahr würde es dauern, bis ein Tropfen Trinkwasser nach seinem Eintritt in Amecke (Sorpe) oder Völlinghausen (Möhne) in den See diesen wieder in Langscheid oder Günne verlassen würde.
Gezieltes Fischen und Nachzucht
Eine wichtige Qualitätsstellschraube des Ruhrverbandes ist die Steuerung des Fischbestandes. „Für Angler wird der See dadurch natürlich hochattraktiv“, weiß Markus Kühlmann. Deren Fangleistung und Zahl der vergebenen Angellizenzen fließe in die Planungen ein. „Für jede Talsperre legen wir einen eigenen Bewirtschaftungsplan an“, erklärt der Fischereimeister. Neben regelmäßigen Sonarbildern, die Schwärme gut erkennen, werde der Fischbestand durch Bestandsuntersuchungen im dreijährigen Rhythmus überprüft. Mit Netzen, über Elektrofischerei in Uferzonen, Labor- und Biomasse-Untersuchungen werde der See „durchleuchtet“.
Aus den Ergebnissen und Erkenntnissen leite sich dann ab, was zu tun ist. „Wir spüren die Folgen des Klimawandels. Da sind die Stellschrauben nicht mehr so einfach und scharf zu stellen“, weiß Markus Kühlmann. Eingegriffen werde aber immer dann, wenn das ökologische Gleichgewicht zu kippen droht. „Wir können artselektiv fischen“, erklärt der Betriebsleiter. Das geht mit Schleppnetzen in den tieferen Bereichen, mit Kiemennetzen in der Möhne oder mit Hilfe von Reusen. Die Netze werden im Fischereibetrieb selbst hergestellt. Umgekehrt werde der Bestand auch mit Fischbesatz aus eigener Zucht gestützt. „Es darf aber nie vergessen werden, dass eine Talsperre immer noch ein künstlicher Lebensraum bleibt“, so Kühlmann. Mit stark schwankenden Wasserständen und fehlenden Aufstiegsmöglichkeiten für Wanderfische.
Die Fischzucht ist so auch eine wichtige Aufgabe des Fischereibetriebs am Möhnesee. Sechs Arten werden hier gezüchtet In Außen- und Innenbecken wachsen und gedeihen die Fische. Hier hat sich der Betrieb einen guten Ruf erworben und züchtet seit vielen Jahren die Quappe für diverse Artenschutzprojekte in Flüssen. Saibling. Seeforelle, große Maräne und auch Äsche schwimmen in den Becken. Was zunächst nach dem Schlüpfen kaum sichtbar ist, kann erst in relevanter Größe in den See entlassen werden. Auch ein toller Hecht fängt hier mal ganz klein.