Sundern. Langjähriger Sunderner Lokalreporter Matthias Schäfer geht ab 1. Mai in den wohlverdienten Ruhestand. Hier seine Erinnerungen:

Politik, Streit, Ärger, Brände und Unfälle mit und ohne Todesfolge, Hochzeiten von lokalen Prominenten, glückliche Goldhochzeiter, Schützenkönige, die dir noch zum Königsjubiläum den Verlauf jeden Schusses erklären können, Lotto-Gewinner, politische Sieger und auch Verlierer - das alles gehört zum Beruf eines Journalisten, vor allem eines Lokaljournalisten, und das hat mir immer Spaß gemacht, das Gespräch mit Menschen aus meiner Heimat. Oft hörte ich von Kollegen Sprüche wie „Als ich dann schon wieder zum Geflügelzuchtverein musste, da wusste ich, ich muss mich verändern…“. Nein, das war mir immer wichtig: die normalen Menschen aus dem Sauerland mit ihren Besonderheiten zu entdecken. Aber auch mal Promis ganz normal zu erleben, wie DDR-Spitzenläuferin Renate Stecher oder die BRD-Speerlegende Klaus Wolfermann bei meinem Freund Uwe Pichel im Lokal in Langscheid erzählen zu hören, wie Olympia wirklich war. Es war eine schöne, anstrengende und herausfordernde Zeit. Wir werden uns sicherlich noch begegnen, ob zu Fuß, auf dem Rad, beim Schwimmen in der Sorpe oder beim Beten in Kloster Brunnen, und auch in dem ein oder anderen Konzert oder Theaterstück. Ich werde weiterhin in Hachen wohnen bleiben. Nur das Schreiben werde ich bis auf einige noch im Block stehenden Geschichten einstellen.

Matthias Schäfer 1986 in der Redaktion
Matthias Schäfer 1986 in der Redaktion © WP Sundern | Josef Föhrweißer

Reigern: Logischer Standort

Schon als ich 1990 in Sundern Lokalredakteur wurde, war das Thema Baustopp in der ganzen Stadt wegen fehlender Kapazitäten der Kläranlage in Sundern am unteren Lockweg und in Amecke am heutigen „Saubermänner“-Haus ein großes Thema, da jegliche – private wie gewerbliche – Entwicklung behindert wurde. Der tiefste Punkt von Sundern in Reigern schien als Standort logisch, juristisch war das so ein Ding. In einem legendären Prozess von OLG und OVG in Hamm wurde der Schlusspunkt gesetzt. Im September 2005 war dann Eröffnung.

Burg Hachen: Ein Herzensort

Ein Ort, an dem mein Herz hängt, ist die alte Burg in Hachen. Ich habe immer gehofft, dass in meiner Zeit bei der WP endlich in einem Archiv irgendwo in Westfalen ein Beweis für das wahre Alter der Burg Hachen gefunden wird. Leider ist das bis heute nicht passiert. Leider mussten wir sogar das große Jubiläum „1200 Jahre Hachen“ wegen eines Übersetzungsfehlers aus dem Lateinischen früherer Archivare zurücknehmen. Und leider musste ich in Hachen beim Juni-Hochwasser 2021 über die größte Naturkatastrophe in Sundern berichten.

Volksaufläufe in Enkhausen und Langscheid

Eine der größten Berichterstattungen war 1994 die Versetzung der alten Leichenhalle Enkhausen mit Hilfe von Hydraulikstempeln und Trailern. Sie sollte vom Standort gegenüber der Schützenhalle zum Friedhof. Ein Riesenereignis war auch die Ankunft der MS Sorpesee im November 2006: Von der Werft in Monheim bei Bonn schipperte sie erst als Ganzes bis Duisburg, dann ging es in zwei Teilen auf Trailern weiter. In der Hüstener Bahnunterführung, die neue B 229 war noch nicht fertig, musste die Luft aus den Reifen. Zu allem Übel schneite es wie aus Kübeln. Die Sauerländer wollten es dennoch erleben.

MS Sorpesee
MS Sorpesee © WP | Ted Jones

Das Erbe des Bundespräsidenten

Und natürlich der ehemalige Bundespräsident Heinrich Lübke hat meine Arbeit begleitet: Der Prozess zwischen einem Künstler, der der Stadt Sundern ein nicht gewolltes Denkmal von Lübke und seiner Frau Wilhelmine aufzwingen wollte, der Prozess in allen Instanzen um die Orden des Bundespräsidenten, die aus der Gedenkstätte in Enkhausen auf die Burg eines Verwandten an die Mosel gebracht werden sollten, die vielen Besucher am Grab wie der von Bundespräsident Roman Herzog in Enkhausen am Grab. Und in jüngster Zeit die Versuche des kleinen Vereins etwas Nachhaltiges zum Gedenken zu schaffen.

Amecke: Ort des politischen Traumas

Ich hatte anfangs geglaubt, bis zu meinem Ruhestand wäre er eröffnet, heute denke ich eher, es wird nichts mehr. Seit 2004, gab es Höhen und Tiefen, verschiedenste Betreiber traten auf die Amecker Bühne und verschwanden wieder. Es folgten umsturzartige Ereignisse, als 2013 die erste der Gesellschaften, die der damalige Stadtmanager leitete, pleite ging. Der Golfsport Sorpesee GmbH folgten andere, später gab es Staatsanwälte im Rathaus, Durchsuchungen, Verdächtigungen und sehr tiefe Gräben zwischen und in den Ratsparteien. Bis heute ein Trauma - einen Prozess, in dem alles neutral aufgearbeitet wurde, gab es nie. So blieb vieles im Vagen, Freundschaften zerbrachen. Noch heute sind Prozesse ständige Begleiter aller Entwicklungen rings um die Ferienhaussiedlung, wie man den Park besser nennen sollte, der keiner ist.

Rathaus: Ort der Entscheidungen

Wenn das nicht auf dieser Liste stände, hätte ich wohl den Job verfehlt. So habe ich tausende von Stunden auf einem der drei Stühle am Pressetisch verbracht. Oder auch nicht, wenn es um besonders kritische Themen wie Ferienpark, Feuerwehr oder Elternbeiträge ging, denn dann hatten interessierte Bürger diese Plätze besetzt. Geschenkt - auf der breiten Fensterbank gab es immer Platz für mich. Eine Wohltat war die Mikrophonanlage. Legendär sind die ultralangen Sitzungen, die Bürgermeister Ralph Brodel - manchmal bis Mitternacht - durchzog.

Enkhausen: Der Geburtsort

Enkhausen ist für mich sehr wichtig, da ich – als einer der letzten aus der Region – 1957 noch im Karolinum Enkhausen geboren wurde. Schon 1959 wurde die Wöchnerinnen-Station geschlossen, bald das ganze Haus, das seit 1904 existierte. Was blieb, war eine schöne Geschichte mit meiner eigenen Geburtshelferin, die ihr dickes Geburtenbuch mit allen Namen öffnete. Heute steht dort das Baugebiet „Schwester Eulalia Straße“. Beim Bau eines der letzten möglichen Häuser wurden gerade noch Mauerreste des Krankenhauses entdeckt..

Karolinum Enkhausen auf einer alten Postkarte von 
Karolinum Enkhausen auf einer alten Postkarte von  © WP Sundern | Matthias Schäfer

Langscheid: Touristisches Highlight

Das Beste, was Sundern in Sachen Tourismus passieren konnte. Unser Fotograf Ted Jones und ich haben jeden Bauabschnitt begleitet. Vorher gab es nur einen grauen Pkw- und Busparkplatz an der Seestraße, das ist heute alles grün und lebendig. Doch die Eröffnung im September 2009 war schrecklich: Mittags waren Ted Jones und ich noch bei einem mörderischen Streit auf der Grünewaldstraße in Sundern, berichteten, tranken kurz einen Kaffee und fuhren dann mit wenig feierlichem Gefühl zur Eröffnung der Promenade. Wie immer in unserem Beruf lagen Freude und Trauer mal wieder dicht beieinander...

Sorpe Promenade
Sorpe Promenade © WP | Ted Jones

Allendorf: Stilecht zum Dom

Natürlich, Allendorf muss auf die Liste. Der Heimatverein „Fickeltünnes“ und die zahlreichen Veranstaltungen rund um das Jubiläum 2006 zum 600-jährigen Stadtrecht der alten Titularstadt waren immer Höhepunkte. In bester Erinnerung bei mir ist der Rekonstruktionsmarsch der Allendorfer Bürgerinnen und Bürger, der an die Rettung des Domschatzes mit dem Schrein der Hl. Drei Könige erinnern sollte. Gefahren hatte dies damals der Allendorfer Fuhrmann Clute-Simon. Stilecht in historischen Gewändern ging es los, für mich nur bis Attendorn.

Wildewiese: Der höchste Ort

Die Idee von SPD-Ratsherren Friedrich Nagel aus Allendorf schien mir anfangs ziemlich schräg. Doch die Vodafone Deutschland sprang an, und so haben wir seit 2006 in Wildewiese einen der besten Aussichtstürme in der Region auf dem Schomberg und einen funktionierenden Funkturm für die Vodafone-Netzwerke: Der Blick reicht bis zum Siebengebirge, manchmal auch bis zur Nürburg. Einen guten Freund habe ich übrigens dabei gewonnen, den schon verstorbenen Geometer Prof. Dr. Hans Fröhlich aus Bochum.

Prof. Fröhlich misst den Turm in Wildewiese ein
Prof. Fröhlich misst den Turm in Wildewiese ein © WP | Matthias Schäfer

Landgericht Arnsberg: Der Gerichtreporter

Dort fing 1985 alles mit einer Stelle als freier Gerichtsreporter an. Zahllose Tage berichteten Kollege Achim Gieseke und ich im Wechsel über die Taten der Diebesbande um den Chef, Glatze genannt, später ging es um den berühmt-berüchtigten THTR in Hamm-Uentrop, die langen Trecker-Blockaden und den Kernkraft-Protest in der Regierungsstadt. Und heute zuletzt in Sundern um ganz viel Drogen, nochmals Drogen, um schlimme illegale und tödliche Autorennen sowie Lug und Betrug im großen Stil bei Sportwetten.

Kloster Brunnen: Ein Ort der Stille

Auf die Liste der Orte, die ich oft und gern besucht habe, gehört auch Kloster Brunnen, das schönste Stück Sundern in der Waldeinsamkeit. Und die dank Klimawandel und Borkenkäfer leider so nicht mehr existiert. Ich habe es noch mit Gastronomie erlebt, viel Schnee, Loipen und einem Landrat Ferdi Tillmann, der mir die Skilanglauf-Urkunde überreichte. Wäre das schön, wenn man heute nach einem Konzert, bei dem die wunderbar restaurierte Fromme-Orgel aufspielen würde, mit Freunden ein Klosterbier vom Brunnen trinken könnte...

Kirche Kloster Brunnen vom Wald aus gesehen
Kirche Kloster Brunnen vom Wald aus gesehen © WR | METZLER, Sabine

Wasser in der Innenstadt: Stadtbrunnen und Flutkatastrophe

Wieder eine lange Geschichte: Von der Durchgangsstraße, die immer mehr zu einem Nadelöhr wurde, über den Bau der Umgehungsstraße und die folgende Umgestaltung der Sunderner Innenstadt in den 90er-Jahren zur Fußgängerzone. Hunderte Artikel und fast genauso viele Leserbriefe. Schön und ereignisreich waren die vielen Feste in der Innenstadt, vom Autofrühling im Mai bis zum Stadtfest im September. Ja und auch hier prägend: Die Flut-Katastrophe am 14. Juli 2021, bis heute sind die Folgen nicht überstanden und viele Narben werden wohl auch bleiben.

Viele Orte und Begegnungen

So viele Orte gesehen und geliebt in 32 Jahren als Lokalredakteur von Sundern. Auch die Wachholder Heide in Altenhellefeld (Bild) ist mir dabei ans Herz gewachsen, wie auch der Hubertusstock und so viele andere Orte. Schön war es, in der eigenen Heimat zu berichten, manchmal schwierig, wenn in „meinem“ Hachen Schützenfest war, aber ich dienstlich in Sundern unter der Vogelstange zu stehen hatte. War aber auch dort nett...

Stationen im Beruf

Pressearbeit ab dem 14. Lebensjahr, für den Landesverband Dt. Pfadfinder St. Georg, die Unizeitung der Dt. Sporthochschule: Ab 1985 freier Mitarbeiter in Arnsberg (lokal) und Soest (Sport), 1987 fest, Stationen: Warstein, Meschede, Olpe, Hagen (Kultur/Wochenend), Meschede, seit 1990 Arnsberg mit Schwerpunkt Sundern.