Arnsberg. Sollte die Deutsche Bahn ihre Pläne umsetzen, wird es eng für das Team um Guido Schulte. Er hofft nun auf öffentlichen Druck.
Wer stressfrei mit der Bahn verreisen will, der benötigt dafür optimale Verbindungen und kostengünstige Varianten, die jedoch im dichten Dschungel der Fahrpläne für viele Menschen nicht einfach zu recherchieren sind.
Doch dafür gibt es in Arnsberg Guido Schulte: Der steht seit nunmehr 20 Jahren und zwei Monaten mit seiner Bahnagentur „GlobRailer“ für qualitativ hochwertige Auskünfte, die er mit großem persönlichem Engagement zusammenträgt. Aber dies möglicherweise nicht mehr lange, denn die Deutsche Bahn will ab 1. Januar 2023 die Provisionen für die Bahnagenturen deutlich reduzieren beziehungsweise komplett streichen. Und dann droht der Bahnagentur Schulte das Aus.
Guido Schulte: „Werden diese Pläne der Bahn umgesetzt, ist Schluss“
„Werden diese Pläne der Bahn umgesetzt“, sagt ein über dieses Vorhaben entsetzter Guido Schulte, „ist Schluss. So groß sind die Umsätze nicht, um den Betrieb unter diesen Voraussetzungen weiterhin aufrecht erhalten zu können.“ Von der Schließung betroffen wäre nicht nur Bahn-Enthusiast Schulte, sondern wären auch zwei weitere Mitarbeiter. Und nicht zu vergessen die vielen treuen Kunden, die die in der Bahnagentur im Arnsberger Bahnhof geleistete Arbeit sehr zu schätzen wissen.
Würden die Provisionen, die die Deutsche Bahn bislang für verkaufte Fernverkehrstickets zahlt, eingeschmolzen, bliebe für Schulte letztlich nur ein Weg: „Ich müsste die Kosten an die Kunden weitergeben.“ Doch für den Arnsberger wäre dies ein verheerender Teufelskreis und damit keine wirkliche Option. „Denn schlage ich die wegfallende Provision auf den Ticketpreis auf, bleiben die Kunden weg. Lasse ich es so, wie es ist, bedeutet das das Ende meiner Agentur.“
Auch die Weitergabe des Provisionsverlustes an die Kunden würde ins Aus führen
Und Guido Schulte weiß, wovon er spricht. Weil einige sogenannte Business-Agenturen, die bereits seit 2014 keine Provisionen mehr von der Bahn erhalten, diese Ausfälle an die Bahnreisenden weitergeben würden. „Mit dem Ergebnis, dass sie einen Kundenrückgang von 50 bis 60 Prozent zu verzeichnen haben.“
Ein wirtschaftliches Fiasko, das bei seiner Agentur in der Schließung münden würde. Zumal man auch nicht vergessen dürfe, dass die Bahn bereits seit Jahren „keine anständigen Provisionen mehr zahlt“.
Aber warum macht die Deutsche Bahn den Bahnagenturen künftig das Leben so schwer, dass viele dieser Einrichtungen in ihrer Existenz bedroht sind?
Die Deutsche Bahn AG will verstärkt auf digitale Kanäle setzen
Nach 152 Jahren Fahrplanauskunft Schluss?
Die Deutsche Bahn habe, teilt Guido Schulte noch mit, inzwischen die neuen, „aber eigentlich nicht zu akzeptierenden“ Agenturverträge verschickt.Unterschrieben werden müssen diese Verträge bis Mitte August, sonst sei nach 152 Jahren persönlicher Fahrplanauskunft am 31. Dezember 2022 im Bahnhof Arnsberg Schluss mit diesem Service.Die Fahrplanauskunft bei „GlobRailer“ ist kostenlos. Lediglich für eine gedruckte Fahrplanauskunft nimmt die Agentur 2 Euro, die aber beim Kauf des Fahrscheins verrechnet werden.
„Wir beobachten in den letzten Jahren im Zuge der Digitalisierung ein verändertes Buchungsverhalten der Fahrgäste,“ erklärt dazu ein Sprecher der Deutschen Bahn AG in Düsseldorf auf Anfrage unserer Redaktion. „Reisende buchen inzwischen jedes zweite DB-Ticket digital im DB-Navigator oder auf bahn.de – im Fernverkehr sind es sogar vier von fünf Tickets, Tendenz weiter steigend.“
Damit hätten die digitalen Vertriebskanäle bei der DB in 2021 einen Einnahmeanteil von über 50 Prozent erzielt. Reisebüros mit DB-Lizenz hielten gerade einmal einen Anteil von vier Prozent im Vertriebskanalmix (Nah- und Fernverkehr) bei der Deutschen Bahn.
Das bisherige Agenturmodell wird zum 1. Januar 2023 modifiziert
Auch im Produktmix der Reisebüros spiele die DB in den letzten Jahren eine untergeordnete Rolle: „Der DB-Umsatzanteil in den Reisebüros belief sich laut aktuellem Reisebüro-Barometer des Deutschen Reiseverbandes 2018 auf deutlich unter drei Prozent.“ Durch sinkende Einnahmen, so der Bahnsprecher weiter, seien umsatzbezogene Vergütungsmodelle für Reisebüros weniger attraktiv geworden.
„Daher modifizieren wir als DB zum 1. Januar 2023 unser bisheriges Agenturmodell. Im neuen Modell erhalten Agenturen, die eine Verpflichtung aus einem Verkehrsvertrag erfüllen, das heißt eine von einem Aufgabenträger geforderte Leistung im personenbedienten Vertrieb erbringen, künftig eine Provision von einheitlich fünf Prozent auf Fernverkehrsangebote. Für den Nahverkehr“, so der Bahnsprecher weiter, „erhalten sie eine Provision gemäß den Konditionen im Vertrag mit dem Aufgabenträger. Reisebüros, die keine Verpflichtung aus einem Verkehrsvertrag erfüllen, erhalten dagegen künftig keine Provision auf Nah- und Fernverkehrsangebote.“
Das Modell BahnEasy wird derzeit noch getestet
Ebenfalls zum 1. Januar 2023 werde die DB als Reaktion auf den sich verändernden Markt mit BahnEasy ein kostenfreies Online-Buchungstool für Reisebüros einführen. Die bisherigen Buchungstools seien kostenpflichtig gewesen.
Mit BahnEasy ermögliche die DB potenziell etwa 8000 Agenturen deutschlandweit, die bisher keine Bahn-Tickets verkaufen, Bahnangebote in ihr Verkaufsportfolio aufzunehmen. Bereits seit Ende 2021 werde BahnEasy im Rahmen eines Pilotprojekts mit knapp 50 Reisebüros getestet und weiterentwickelt.
Schulte: Nur öffentlicherer Druck könnte die Bahn noch von den Plänen abhalten
Argumente, die für Guido Schulte nicht nachvollziehbar sind, werde doch die persönliche Beratung nach seinen Erfahrungen immer noch sehr geschätzt. So aber befürchte er auch für seine Agentur „GlobRailer“ Schlimmes:
„Ich hätte gerne noch die zehn Jahre bis zur Rente weitergemacht, denn die Arbeit macht großen Spaß. Aber bei diesen Aussichten hat es keinen Zweck mehr. Das einzige, was die Deutsche Bahn von diesem Wahnsinn noch abhalten könnte, wäre Druck der Öffentlichkeit.“