Arnsberg/Sundern.. Heimische Politikerinnen wollen sich bei „anderer Sichtweise“ nicht auf einzelne Themenfelder reduzieren


In den politischen Gremien der Parteien in Arnsberg und Sundern und vor ­allem in den Stadträten sowie im Kreistag des Hochsauerlandkreises sind Frauen in der Minderheit. Das muss sich – nicht nur aus Sicht der meisten Frauen – ändern. Dabei geht es nicht um rollenspezifische Themen, sondern um Sichtweisen.

Eine erfahrene Politikerin ist Gisela Wilms (CDU). Bis ins vergangene Jahr war sie Vorsitzende der Frauen-Union Arnsberg. „Frauen und Männer sehen ein und dieselbe Sache aus unterschiedlichen Blickwinkeln und ergänzen sich demzufolge in der Beurteilung“, sagt sie. Das kann Nicole Jerusalem nur bestätigen: „Frauen schauen anders auf die Welt und keineswegs schlechter“, meint die Arnsberger CDU-Politikerin.

Familie und Politik

Nicole Jerusalem verbindet Familie und Politik. „Ich bin dafür, dass besonders auch Frauen, die Kinder haben, verantwortlich Politik machen und damit unser gesellschaftliches Miteinander gestalten“, sagt sie. Als Vorsitzende des Ausschusses für ­Familie und Jugend ist sie allgemein anerkannt. Ihre Parteikollegin ­Gisela Wilms warnt aber davor, dass Frauen nicht auf die „typischen“ ­Betätigungsfelder wie Familie und Erziehung reduziert werden sollten.

Das will auch Dorothee Thiele, die Vorsitzende der FDP Sundern, nicht. Sehr wohl gibt sie aber zu, dass „wir Frauen manchmal doch, gerade wenn es um Themen wie Schule, Kinder oder Kita geht, plötzlich Dinge hinterfragen, auf die die Männer im ersten Moment gar nicht gekommen sind“.

Alltagserfahrungen einbringen

Frau bleibt Frau – auch in der Kommunalpolitik. Und sie ist in unterschiedlichster Form auch in Rollenbilder oder Rollenverteilungen eingebunden. Die jetzige Vorsitzende der Arnsberger Frauen-Union, Christina Reuther, spricht lieber von „Alltagserfahrungen der Frauen“, die in die Politik einfließen müssten. „Ein ausgewogener Frauenanteil in der Politik und auch in anderen Entscheidungsgremien ist wichtig, da sie aufgrund der anderen Aufgabenbewältigung und des unterschiedlichen Alltags mit anderen Fragen und Problemfeldern in Berührung kommen“, so Reuther.




Diese Sichtweise müsse daher bei Entscheidungen berücksichtigt werden. „Wichtig finde ich, dass Frauen mit ihrer durch Alltag, erlebte Erziehung und ihr Leben geprägte Sichtweise zur Verbesserung vieler Dinge beitragen können“, sagt Christina Reuther.

Ähnlich – vielleicht auch deutlich unverkrampfter – sieht es die 32-jährige Anna Lena Brandt. Sie würde gerne in Zukunft für die Arnsberger SPD in den Rat einziehen.Für die junge Politikerin ist die Aktivität von Frauen in der Politik gar nicht an ein spezielles Thema gebunden. „Ich fühlte mich hier politisch gefordert“, sagt sie. Als Frau habe sie das Gefühl gespürt, dass sie sich stärker engagieren sollte. „Wir müssen einfach Gas geben“, rät Anna Lena Brandt.

Interessen der Bevölkerungshälfte

Letztendlich ist es aber auch eine reine Frage der Parität: „Frauensicht in der Politik ist wichtig, damit auch die Interessen der einen Hälfte der Menschheit auf jeder Ebene vertreten sind und vertreten werden“, sagt Margit Hieronymus von der SPD.

Sie ist Ortsverbandsvorsitzende in Hüsten und stellvertretende Vorsitzende der SPD im Hochsauerlandkreis. „Betrachtet man die Zusammensetzung der Bevölkerung, drängt sich die Frage auf, warum nur Männer über Themen entscheiden sollen, die für Frauen ebenso wichtig, wenn nicht sogar wichtiger sind“, so Gisela Wilms (CDU).

„Eine Kanzlerin macht noch keine Gleichberechtigung“

Auch Verena Verspohl (Sprecherin Bündnis 90/Grüne Arnsberg) sieht zwar eine „andere Herangehensweise der Frauen“ (Verspohl: „Ich sage nicht eine bessere), verweist aber vor allem auf die Mischung, die es ausmache.

„Frauen sind die eine Hälfte der Gesellschaft – also müssen sie auch die Hälfte der Parlamente besetzen“, fordert Vers­pohl. „Eine Kanzlerin macht noch keine Gleichberechtigung! Die Hälfte der Macht gehört den Frauen“, sagt sie, „dafür sollten wir uns alle zusammen einsetzen“. Und da schließt sie die Männer ausdrücklich mit ein. Vor denen, die sich für Gleichberechtigung einsetzen, habe sie viel Respekt.

Qualifiziert für viele Themenfelder

Am Ende aber gehe es um Kompetenzen für Amt und Mandat: „Ich vertrete allerdings die Auffassung, dass nicht zwingend eine Frau einen Posten bekleiden sollte, nur weil sie eine Frau ist. Wichtig erachte ich auch die Qualifikation“, sagt Christina Reuther. Die politisch aktiven Frauen der Region verweisen darauf, dass sich in der Wirtschaft längst herumgesprochen habe, dass Unternehmen, die von gemischten Führungsteams geleitet werden, auch erfolgreicher seien.

Das muss in der Politik nicht anders sein: „Frauen sind gleich gut ausgebildet und haben ohne Zweifel das Zeug, ebenso verantwortlich Politik auf allen Ebenen zu gestalten wie Männer“, betont Nicole Jerusalem. Hinzu komme eine psychologische Komponente: „Und der Ton wird ein anderer, wenn mindestens ein Drittel Frauen anwesend ist. Das ist auch deutlich sympathischer“, sagt die Arnsberger CDU-Politikerin. Und vielleicht ja auch die Grundlage für das gute und gleichberechtigte politische Miteinander von Männern und Frauen. „Denn darum geht es doch schlussendlich bei allem: Wir sollten das Gemeinsame suchen, nicht das Unterscheidende!“, sagt Verena Verspohl.