Arnsberg. Bundestagsabgeordneter Carlo Cronenberg (FDP) über Arbeit im Parlament, Corona im HSK und den Wahlkampf.


Der Müscheder Unternehmer Carl-Julius Cronenberg ist seit 2017 Abgeordneter des Deutschen Bundestages in Berlin. Mit dem FDP-Politiker spricht unsere Zeitung über seine erste Legislaturperiode, künftige Ambitionen und die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Politik, Wirtschaft und das Sauerland.


Welche Chancen rechnen Sie sich aus erneut in den Bundestag zu kommen?

Carl-Julius Cronenberg: Ich bin da optimistisch, dass es klappt. Viele schreiben uns zwar noch das Scheitern der damaligen Jamaika-Verhandlungen zu, doch schauen die Wähler im nächsten Jahr auf Zukunftserwartungen. Nach 16 Jahren Angela Merkel geht eine Ära zu Ende. Es geht dann darum, wen die Menschen als Kanzler haben wollen. Ich kann mir eine Regierungsbeteiligung der FDP sowohl unter einem Kanzler Olaf Scholz von der SPD als auch unter einem der möglichen Unions-Kanzler vorstellen. Für mich entscheidend ist, dass sich Kernanliegen der FDP wiederfinden im Sinne des Credos „entlasten, entfesseln, investieren“. Ich rechne damit, dass ich einen aussichtsreicheren Platz in der Landesliste einnehmen werde als noch im Jahr 2017.

Es sieht aus, als hätten Sie Spaß an Ihrem Bundestagsmandat gefunden, oder?

Ja, das waren für mich viele tolle Erfahrungen, vieles hat Spaß gemacht. Ich habe mir gerade noch die Bewerbungen für den internationalen parlamentarischen Austausch angeschaut - dafür bin ich der Berichterstatter der Fraktion. Es ist toll, mit jungen Leuten aus aller Welt ins Gespräch zu kommen. Für mich war es eine tolle Überraschung, dass diese wie viele junge Menschen eine hohe Meinung von unserem System und unserer Demokratie haben.

Großer Tag für Amerika

Hat sich deren Stärke gerade auch im Vergleich und mit Blick auf die USA gezeigt?

Auf jeden Fall. Wir haben uns hier in Deutschland immer um die Mitte geschart und uns als Demokraten nicht spalten lassen. Dazu bedarf es auf allen Seiten viel Kompromissbereitschaft, die unsere Parteien zeigen. Es gibt aber keine Garantie, dass dies immer so bleibt. Daran muss man arbeiten. Der Wahlsieg von Joe Biden in den USA war jedenfalls ein guter Tag für Amerika. Damit ziehen wieder Respekt und Demut ins Weiße Haus.

Was finden Sie bislang frustrierend an Ihrer Arbeit im Bundestag?

Vieles läuft dort doch ritualisierter, als ich das vorher gedacht habe. Schon seit längerem verlagern sich Entscheidungen vom Parlament auf die Regierungsebene und jetzt sogar ins Kanzleramt. Gerade in Corona-Zeiten wäre es wichtig gewesen, das Parlament mehr in die Entscheidungen über Beschränkungen und Lockdowns einzubeziehen. Wir haben als FDP da bereits vor den Sommerferien entsprechende Anträge gestellt. Aber der Sauerländer Franz Müntefering sagte ja einmal zu Recht, Opposition sei Mist. Und so kann man in dieser Rolle beantragen, was man will. Die Große Koalition lehnt alles ab. Wenn umgekehrt aber die Akzeptanz für Maßnahmen wie Corona-Einschränkungen verloren geht, kann eine Regierung verfügen, was sie will, ohne dass es zum Erfolg führt. Wir brauchen beim Thema Corona föderale Lösungen und Beteiligung der Parlamente. Eine Debatte über die Maßnahmen gehört nicht in die Gerichte und auf die Straße, sondern in die Parlamente.

Rückständigkeit und Bürokratie

Was stört noch?

Der Staat ist noch fürchterlich rückständig - das ist mir vor allem in meiner Arbeit in der Enquete-Kommission zur Künstlichen Intelligenz bewusst geworden. Das ist gefährlich für die Wirtschaft, fängt bei der Bildung an und hört bei der sozialen Sicherheit auf. Unsere Sozialversicherungssysteme erfassen doch neue Arbeitsformen gar nicht mehr. Alle stöhnen über mehr Bürokratie - das muss doch nicht alles in Papierform gehen. Ich kämpfe im Bundestag gegen Bürokratie und muss dabei so viele Zettel ausfüllen wie noch nie zuvor.

Wie ist Ihre Bilanz der Bundestagsarbeit? Haben Sie schon gegen Ihre Fraktion gestimmt?

Bei Wahlen habe ich auch schon gegen Empfehlungen der Fraktion gestimmt, in der Gesetzgebung aber noch nicht abweichend von der Fraktion. Seit meiner Wahl gab es rund 200 Plenartage, gut 90 Ausschusssitzungen und über 40 Sitzungen in der Enquetekommission. Viel habe ich davon nicht verpasst. Die Themenvielfalt aber ist so groß, dass man sich gar nicht mit allen Fragen auseinandersetzen kann. Bei Abstimmungen vertraue ich daher auch dem Rat meiner Fachkollegen aus der Fraktion.

Welche Folgen hat aus Ihrer Sicht die Corona-Pandemie im Hochsauerlandkreis gehabt?

Ich habe da eine Menge Zusammenhalt und Zuversicht gespürt. Da war kein allgemeines Katastrophengejammer. Natürlich haben die Betriebe wie Gastronomen oder Fitnessstudios, über Schließungen geklagt, die vorher viel investiert haben, um alle Hygieneregeln einzuhalten. Dem schließe ich mich an. Auch die Kulturschaffenden sind gekniffen, es muss jetzt geprüft werden, inwieweit der Staat Entschädigungen zahlen muss. Viele Unternehmen im Sauerland konnten aber weiter arbeiten. Wir haben zwar Kurzarbeit, doch keine Massenarbeitslosigkeit. Mir ist es aber wichtig zu betonen, dass es starke Anzeichen dafür gibt, dass wir am Ende ganz gut durch die Krise kommen. Wir müssen jetzt alle vernünftig sein und dürfen nicht noch mehr Angst schüren.

„Corona wird kein Thema“

Glauben Sie, dass Corona im nächsten Jahr Ihren Wahlkampf beeinflussen wird?

Nach jetzigem Stand würde ich sagen Nein. Ich wage natürlich keine Prognose für den Sommer, doch glaube ich nicht, dass Corona bei der Bundestagswahl das herausragende Thema sein und das Land in zwei Lager teilen wird. Es geht darum, in was für einen Staat wir leben wollen. Ich wünsche mir ein modernes und digitalisiertes Land. Da muss der Staat mutig vorangehen und als starkes Vorbild selbst investieren.

Sie können sich jetzt auf den Bundestag konzentrieren, da Sie den Arnsberger Rat verlassen haben. Mit welchen Gefühlen schauen Sie auf die Kommunalpolitik zurück?

Nach über 20 Jahren Ratsarbeit mit viel Dankbarkeit und Wehmut. Ich habe im Rat viel Gutes gelernt - auch für meine jetzige Arbeit im Bundestag. Berlin könnte sich viel vom Rat in Arnsberg abgucken. Insgesamt bin ich aber in Sorge, weil der Bürgermeister im Arnsberger Rat keine richtige Mehrheit hat. Da müssen wir aufpassen, dass es nicht zu Verhältnissen wie in den vergangenen Jahren in Sundern kommt.

Wie sehen Sie die Entwicklung in Ihrer FDP in Arnsberg?

Wir haben eine gute Fraktion. Der Generationswechsel ist gelungen - vermutlich besser als bei den anderen Parteien. Im Rat sitzen zwei starke Frauen und engagierte junge Männer. Das ist eine starke liberale Stimme in der Kommunalpolitik.