Arnsberg. Die Medizinischen Fachangestellten der Arztpraxis Bauer in Arnsberg treten in einen Mini-Streik. Sie fühlen sich bei Bonuszahlungen ausgegrenzt.

Seit Ausbruch der Corona-Pandemie im Winter 2020 arbeiten sie am Limit, müssen einen ständig wachsenden Patientenansturm bewältigen. Immer freundlich, immer hilfsbereit.

Dabei sind die Medizinischen Fachangestellten (MFA) in den niedergelassenen Arztpraxen im Stadtgebiet Arnsberg selbst großen Belastungen ausgesetzt. Was den Gesetzgeber in Berlin nicht „zu jucken“ scheint: Bei der Zuteilung von Corona-Boni werden die MFA – anders als bei den Pflegeberufen – regelmäßig übergangen. Weil angeblich nicht systemrelevant.

„Wir Medizinischen Fachangestellten sollen wieder einmal leer ausgehen“

Wohl auch heute wieder: Denn an diesem Donnerstag wird im Bundestag über den Corona-Pflegebonus 3.0 verhandelt. Aber nur für die Pflegeberufe. „Wir Medizinischen Fachangestellten sollen wieder einmal leer ausgehen,“ macht Christiane Hoffmann, MFA in der Praxis Bauer am Neumarkt und Mitglied im „Verband Medizinischer Fachangestellter“ ihrer Empörung über diese mangelnde Wertschätzung in Teilen der Politik Luft.

„Dabei stehen auch wir seit Beginn der Pandemie vor zwei Jahren in vorderster Front. Immerhin werden inzwischen 90 Prozent der Coronaerkrankten ambulant betreut und versorgt. Und zwar vor Ort in den Praxen,“ sagt Hoffmann. Hinzu komme, ebenfalls beschleunigt durch Corona, bei manchen Patienten eine wachsende Aggressivität dem Praxis-Personal gegenüber. „Das geht oft unter die Gürtellinie.“

MFA-Team der Praxis Bauer will mit Mini-Streik auf Ungerechtigkeit aufmerksam machen

MFA haben großen Anteil an bisherigen Impferfolgen

Eine kleiner Auszug aus den Aufgaben der MFA:Ohne die MFA hätten in den Arztpraxen nicht schon mehr als 80 Millionen Menschen gegen Corona geimpft werden können.Die MFA organisieren Corona-Testungen, ohne dabei andere Patienten gesundheitlich zu gefährden.Die MFA müssen in der Corona-Zeit täglich mehrere Hundert Anrufe bearbeiten.Die MFA werden angesichts der Überlastung der Gesundheitsämter zu Beratern bei den Themen Isolation und Quarantäne.Sie organisieren auch in Zeiten des Patientenansturms den Praxisbetrieb.

Und deshalb wird heute gehandelt - mit einem Mini-Streik mit dem Motto „MFA am Limit“: Für 15 Minuten, längstens eine halbe Stunde wird die alteingesessene Praxis Bauer im Arnsberger Gesundheitshaus als Vorreiter einer möglicherweise breiteren Protestwelle dicht gemacht. „Wir nehmen in dieser Zeit auch keine Anrufe entgegen und werden keine Mails beantworten,“ erklärt Christiane Hoffmann.

Allerdings gehen die MFA der Praxis Bauer bei dieser Aktion, mit der sie die Bevölkerung auf das mit zweierlei Maß Messen der politischen Handlungsträger aufmerksam machen wollen, mit Verantwortung vor: „Denn länger werden wir die Praxis nicht schließen, sonst würde angesichts der wachsenden Zahl an Corona-Patienten alles zusammenbrechen.“

MFA bitten um Unterstützung im Kampf für mehr Wertschätzung und Anerkennung

Die Anregung für den Ministreik gab übrigens Praxischef Dr. Christoph Bauer. „Er ist auf mich zugekommen,“ so Hoffmann, „und hat uns darauf gedrängt, auch in Arnsberg ein Zeichen zu setzen.“ Und so habe sich das Praxis-Team zu diesem Schritt entschlossen und „ich als Verbandsmitglied für die Organisation mein Netzwerk genutzt“.

Verteilt werden so heute um den Mini-Streik herum unter anderen Flyer, die Patienten und Interessierte über die Thematik aufklären sollen. Außerdem gibt es FFP2-Schutzmasken mit der Aufschrift „MFA am Limit“.

Damit könne jeder, der wolle, seine Solidarität zum Ausdruck bringen und ideelle Unterstützung leisten. „Im Kampf für mehr Wertschätzung und Anerkennung unserer Berufsgruppen, für die geleistete und zukünftige Arbeit in der Corona-Pandemie und für die Zahlung eines staatlichen bundesweiten Bonus im Rahmen der Infektionsschutzgesetzgebung.“

Christiane Hoffmann: „Wir wollen einfach nur Gleichberechtigung“

Dabei wolle man aber keinesfalls den Pflegediensten die Leistungen in der Pandemie absprechen. „Wir wollen einfach nur Gleichbehandlung und nicht wieder leer ausgehen.“ Dazu beitragen soll auch ein Verbandsmitglied als Mitglied des Bundestages. Doch die Chancen auf Anerkennung der MFA als systemrelevant stünden nicht gut.

Verbandspräsidentin: „Die Arztpraxen waren der Schutzwall für die Krankenhäuser“

Das sieht auch MFA-Verbandspräsidentin Hannelore König (Bochum) so. Im Gegensatz zur CDU/CSU-Fraktion sei in der regierenden Berliner Ampel derzeit keine Bereitschaft zu erkennen, in dieser Angelegenheit Gerechtigkeit zu schaffen. Für König völlig unverständlich.

„Denn es waren die Arztpraxen, die mit enormer Arbeitsbelastung angesichts der vielen Corona-Kranken einen Schutzwall für die von Überlastung bedrohten Krankenhäuser gebildet und auch viele Engpässe bei den Gesundheitsämtern aufgefangen haben. Doch dafür gab es für die Praxen keinen Pfennig vom Staat.“

„Denkbar ist aber durchaus auch einmal eine richtig große Protest-Aktion“

Aber warum gibt es angesichts der Ungerechtigkeit bei der Auszahlung von Corona-Boni nur einen Mini-Streik in einer einzigen Arztpraxis im Stadtgebiet?

„Weil dies jetzt eine sehr spontane Aktion ist und wir daher in der Kürze der Zeit keine anderen Praxen angesprochen haben,“ sagt Christiane Hoffmann. Dennoch hoffe man auf ein positives Echo. „Denkbar ist aber durchaus auch einmal eine richtig große Protest-Aktion.“