Hochsauerlandkreis. Personalmangel und Finanznot: Wie wird die Krankenhausreform die Sauerländer Kinderkliniken verändern? Klartext aus drei Kinderkliniken.

Die Krankenhausreform ist in aller Munde. Für viele Kliniken bringt die Reform tiefe Einschnitte, manche profitieren. Wie aber verändert die Reform die Arbeit in den Kinderkliniken, die von den Familien aus dem Hochsauerlandkreis besucht werden? Die WP hat bei der Kinder- und Jugendmedizin der Frauen- und Kinderklinik St. Louise in Paderborn, aber auch beim Ev. Krankenhaus Lippstadt und der anhängenden Kinderklinik nachgefragt, wie die aktuelle Lage ist, welche Folgen die Reform auf die Kinderkliniken hat und was die Ärzte und ihr Team wirklich brauchen.

Betten in der Kindermedizin immer weiter abgebaut

Zum Hintergrund: Die Betten in der Kindermedizin sind seit den 1990er-Jahren immer weiter abgebaut worden. Das zeigen Daten des Statistischen Bundesamtes. Die Kindermedizin ist aus Sicht vieler Kliniken meist ein Minusgeschäft. Denn die Versorgung von Kindern ist zeit- und personalintensiv. Zum Mangel an Betten kommt ein Mangel an Pflegefachkräften. Die ohnehin fordernde Arbeit verteilt sich so auf immer weniger Schultern. In einer bundesweiten Umfrage haben 34 Prozent der teilnehmenden Mediziner sowie Pflegefachkräfte in Kinderkliniken angegeben, mehrmals pro Woche über ihre persönliche Belastungsgrenze hinauszugehen. Weitere 41 Prozent tun dies mehrmals im Monat. Zudem sagen fast zwei Drittel der Teilnehmenden der nicht repräsentativen Umfrage, dass sich ihre persönlichen Arbeitsbedingungen in den vergangenen fünf Jahren verschlechtert haben.

Knappe Finanzierungsbasis eine große Sorge in Paderborner Kinderklinik

Frauen- und Kinderklinik St. Louise in Paderborn: Hier fehlt es an ausreichender Finanzierung.
Frauen- und Kinderklinik St. Louise in Paderborn: Hier fehlt es an ausreichender Finanzierung. © WP | St. Vincenz-Krankenhaus GmbH

Jens Sommerkamp ist Sprecher der Paderborner Klinik. Dort sei die Situation in der Kinder- und Jugendmedizin Frauen- und Kinderklinik St. Louise erfreulich stabil, „aber es gibt viele Herausforderungen.“ Eine große Sorge sei generell die knappe Finanzierungsbasis. „Kinder brauchen viel Zuwendung, damit sie die Vorgänge verstehen, etwaige Ängste überwinden, sich geborgen fühlen und anderes mehr. Dafür braucht es natürlich besonders viel Zeit, doch dieser intensive Betreuungsaufwand wird im aktuellen System der Krankenhaus-Finanzierung nicht ausreichend abgebildet.“ Wenn das Team mehr für ihre jungen Patienten tun möchten, können sie dies laut Sommerkamp oft nur mit Hilfe von Spenden. „Für wünschenswerte Extras, die den Kindern helfen und sie stärken, lässt das Finanzierungssystem leider keinen Raum. Das ist sehr bedauerlich. Kinder und Jugendliche sollten unserer Gesellschaft mehr wert sein, denn sie sind unsere Zukunft.“

Menschen sollten in den Kinderkliniken im Sauerland im Mittelpunkt stehen

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Grundsätzlich sollte im medizinischen Bereich immer der Mensch im Mittelpunkt stehen. Das bedeutet laut Sommerkamp: optimale, patientenzentrierte Versorgung, genug Personal, gute Arbeitsbedingungen. „Wir brauchen eine auskömmliche Finanzierung für die besonderen Bedarfe in der Kinder- und Jugendmedizin. In dieser Hinsicht gehen die Vorschläge der „Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“ in die richtige Richtung.“ Damit wäre die Paderborner Klinik auch in der Lage, genügend motivierte und kompetente medizinische und Pflegekräfte zu gewinnen und mit ihrer Hilfe die Qualität der Arbeit zu sichern. Aktuell sei die Personalsituation in der Frauen- und Kinderklinik gut. „Das liegt unter anderem daran, dass wir Kinderkrankenpflegende an unserem Campus für Gesundheitsfachberufe selbst ausbilden und erfreulicherweise die meisten Absolventen bei uns bleiben“, erklärt Sommerkamp. Diese spezialisierte Kinderkrankenpflege-Ausbildung ist ein Alleinstellungsmerkmal. Viele andere Ausbildungsstätten verzichten auf diese Spezialisierung. „Qualifizierte Bewerbungen sind trotzdem willkommen“, betont Sommerkamp indes. „Wir setzen alles daran, genug Personal zu haben, damit wir keine Betten sperren müssen. So gelingt es uns beispielsweise auch, unsere Kinderintensivstation nahezu nie abzumelden.“

„Kinder brauchen viel Zuwendung, damit sie die Vorgänge verstehen, etwaige Ängste überwinden, sich geborgen fühlen und anderes mehr. Dafür braucht es natürlich besonders viel Zeit, doch dieser intensive Betreuungsaufwand wird im aktuellen System der Krankenhaus-Finanzierung nicht ausreichend abgebildet.“

Jens Sommerkamp
Sprecher der Frauen- und Kinderklinik St. Louise

Zu wenig Personaleinsatz wegen fehlender Finanzierung

Dass aufgrund der unzureichenden Finanzierung nicht so viel Personal eingesetzt werden könne, wie es wünschenswert wäre, bedeute natürlich eine zusätzliche Arbeitsbelastung für die Teams. „Es ist beeindruckend, wie hoch trotz dieser Bedingungen die Motivation der Kolleginnen und Kollegen ist.“ Sommerkamp kommt aber auch auf die Reform zu sprechen: „Das Land Nordrhein-Westfalen hat in den Planungen der Krankenhausreform erfreulicherweise die wichtige Rolle unserer Kinder- und Jugendmedizin für die Region bestätigt. So ist unsere Klinik eins von drei Perinatalzentren (Level 1) in Ostwestfalen-Lippe, die im Zuge der Reform bestehen bleiben. Das stärkt einerseits die Bedeutung unserer Einrichtung und bringt andererseits neue Herausforderungen mit sich – denn die Zahl der Patientinnen und Patienten wird dadurch steigen.“

Krankenhausplanung für Hochsauerlandklinikum eine Bestätigung

Die Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Klinikum Hochsauerland Standort Karolinen-Hospital in Hüsten hat ihr Versorgungsangebot seit Gründung kontinuierlich erweitert. Heute verfügt die Klinik für Kinder- und Jugendmedizin über 36 Planbetten sowie zusätzlich acht Planbetten in der Kinderintensivmedizin. Entgegen dem Trend ist hier kein Abbau von Betten und auch kein Rückgang der Beschäftigtenzahl zu verzeichnen. Zur Sicherung des Fachkräftebedarfs in der Pflege wurden im Klinikum Hochsauerland bereits verschiedene Initiativen ergriffen. „An erster Stelle ist hier der Ausbau der Aus-, Fort- und Weiterbildungskapazitäten zu nennen“, so Richard Bornkeßel, Sprecher des Klinikums. „Was die Krankenhausplanung NRW anbetrifft, so bestätigen die vorliegenden Anhörungsbescheide die bisherige strukturelle Entwicklung des Klinikums Hochsauerland praktisch in vollem Umfang und stärken die Rolle des Klinikums als breit aufgestellter und größter Gesundheitsversorger mit drei Krankenhausstandorten in der Region.“ Das Klinikum Hochsauerland hat Zuteilungen in nahezu allen beantragten Leistungsbereichen erhalten, dazu gehört der Bereich der Pädiatrie in Verbindung mit der Geburtshilfe und des perinatalen Schwerpunktes.

Heraufordernd sind nicht die Finanzen

Die Krankenhausplanung NRW bestätige somit auch das bestehende stationäre Versorgungsangebot der Kinder- und Jugendmedizin und die Erfüllung hoher Qualitätsanforderungen. Bornkeßel: „Eine wünschenswerte verbesserte Finanzierung der Kinderkliniken ist derzeit für uns aber nicht erkennbar.“ Die Herausforderung liegt für das Klinikum nicht in der Finanzierung, sindern eher im Rückgang der niedergelassenen Kinderarztpraxen. „Eine Stärkung der Versorgungssicherheit im Bereich der niedergelassenen Kinderarztpraxen, beispielsweise durch Förder- und Ausbildungsprogramme, kann daher ebenfalls helfen die Versorgung der kleinen Patientinnen und Patienten insgesamt zu verbessern.“

Lippstädter Chefärzte zur Krankenhausreform

Dr. Lior Haftel, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin in Lippstadt, bezieht mit seinem Kollegen Stellung zur Krankenhausreform und wie sie sich auf die Region auswirkt.
Dr. Lior Haftel, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin in Lippstadt, bezieht mit seinem Kollegen Stellung zur Krankenhausreform und wie sie sich auf die Region auswirkt. © WP | Evangelisches Krankenhaus Lippstadt

Dr. Lior Haftel, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, und Dr. Tilman Gresing, Chefarzt der Abteilung für Kinderchirurgie, sind im Ev. Krankenhaus in Lippstadt tätig. Die Klinik ist ebenfalls eine der drei Perinatalzentren (Level 1). In den letzten Jahren konnten dort auch dementsprechend kontinuierlich neue Mitarbeiter eingestellt werden, die Personalsituation sei derzeit gut. Haftel: „Unser Haus wird weiterhin ein Perinatalzentrum der höchsten Versorgungsstufe (Level 1) bleiben, u.a. mit der Kinderintensivstation und der Abteilung für Kinderchirurgie am Standort. Zudem erweitern wir derzeit mit Landesmitteln unsere Kinderklinik. So können wir die Versorgung von Kinder und Jugendlichen in der Region weiter stärken.“ Das Ziel der Krankenhausreform, die gezieltere Zuleitung von Patienten in eine qualitative Versorgung, ist laut den beiden Medizinern begrüßenswert. „Gleichzeitig muss besonders bei der stationären Behandlung von Kindern eine flächendeckende und wohnortnahe Versorgung sichergestellt werden. Dahingehend ist die Krankenhausreform ein komplexer Prozess, der aktuell noch nicht gänzlich beurteilt werden kann“, räumen sie ein. Gresing: „Eine qualitative Versorgung ist nur möglich mit einer ausreichenden Zahl gut ausgebildeter Fachkräfte. Besonders in der Kinderkrankenpflege muss dafür sichergestellt werden, dass kontinuierlich ausreichend qualifiziertes Pflegepersonal ausgebildet und aufgebaut wird.“

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