Brilon/Olsberg/Willingen. 16 Jahre versorgt Patrick Vercauteren, selbst ernannter belgischer Eismann, Brilon, Olsberg und Willingen mit Tiefkühlkost. Nun geht er in Rente.

„Hallo, junge Dame!“ Wer beim Öffnen der Haustür so charmant und noch dazu mit flämischem Akzent begrüßt wird, der ist definitiv schon mal in Kauflaune. Doch damit ist Schluss. Ende Juni ging Patrick Vercauteren, der „belgische Eismann“, wie er sich selbst nennt, in Rente. Insgesamt 16 Jahre lang versorgte er die Briloner, Olsberger und Willinger mit Tiefgekühltem. Immer verstand der gelernte Koch seinen Job auch als Mission für das Nahrungsmittel.

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Mit dieser Mission für Qualität soll es weitergehen, verrät Patrick Vercauteren der WP-Reporterin, die ein Stündchen mitfahren darf auf seiner Abschiedstour. Erstmal alles abwickeln, zurück in die alte Heimat Korbach ziehen und ab dem nächsten Jahr VHS-Kurse geben. So ist der Plan.

Wer steckt hinter diesem freundlichen Mann?

Wir sitzen in seinem eigenen Eismann-Wagen, den er sich vor vielen Jahren statt des Mietfahrzeuges zulegte und die Reporterin greift zum Anschnallgurt: „Brauchen Sie nicht! Bis zu 300 Meter im Ort sind für Lieferdienste gurtfrei.“ Es wird nicht das letzte Mal sein, dass die Hand zum Gurt wandert, Routine ist Routine…

Immer gut gelaunt, der belgische Eismann.
Immer gut gelaunt, der belgische Eismann. © sf | Sonja Funke

Wer steckt hinter diesem freundlichen Mann, den so viele von ihrer Haustür her kennen? „Ich habe erst die Kochfachschule in Belgien besucht und als Koch im Restaurant gearbeitet, dann bin ich in den Wehrdienst gewechselt und kam nach Arolsen bzw. Korbach. Der Liebe wegen blieb ich dort und als die Kaserne Anfang der 90er aufgelöst wurde, habe ich noch achteinhalb Jahre im Strykhaus in Willingen gearbeitet.“ Als das Angebot von der Firma Eismann kam, sich als Handelsvertreter für Tiefkühlkost selbstständig zu machen, lockten ihn vor allem auch die attraktiven Arbeitszeiten: „Ich musste natürlich erst mal gucken, was dahinter steckt und schauen, ob es finanziell hinhaut.“ Qualität der Ware und mögliches Einkommen überzeugten ihn. Und letztlich sagte er sich, ganz der belgische Eismann, wie die Kunden ihn kennen: „Geht es schief, dann machst Du eine Pommesbude auf!“

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Es ging alles gut und mehr als gut – 16 Jahre bis nun, zur Rente.

Schon sind wir bei den ersten Kunden heute in Scharfenberg. Die Reporterin ist erstaunt, um welche Ecken Patrick Vercauteren zieht, um irgendwo anzuschellen. Und darüber, wie viele Kunden kurz direkt am Küchentisch ihre Bestellungen aufgeben. „Es ist eine Kopfsache. Handelsvertreter zu sein ist ein Service-Geschäft wie in der Gastronomie. Ich bin allerdings mein eigener Arbeitgeber. Mit ,junge Dame‘ oder ,junger Herr‘ habe ich alle immer gern begrüßt und dann habe ich mir noch was zum Katalog einfallen lassen, zum Beispiel ,Junge Dame, der Frühling ist da!‘“

Belgischer Eismann freut sich schon aufs Kochen im Ruhestand

Doch die Freundlichkeit allein war es nicht. Es kam auch ein Vertrauensverhältnis auf, nicht zuletzt wegen der vielen Tipps, die der 64-Jährige seinen Kunden gab: „Diese Tipps mussten Hand und Fuß haben. Ebenso wichtig ist, dass man die angekündigten Ankunftszeiten einhält. Ich wusste ja, die Kunden verlassen sich drauf!“

Ist es diese Mischung, die seinen Erfolg ausmacht? „Ja, und es ist schön, direkt die Tiefkühlware zu bekommen und wegzupacken, ohne erst mit dem Auto unterwegs gewesen zu sein“, sagt eine Kundin.

Dem belgischen Eismann, der sich schon aufs Kochen im Ruhestand freut, wird wiederum dieser Kundenkontakt sehr fehlen. „Ich habe auch schon angeschellt und bin am Hemdsärmel zum Geburtstag reingezogen worden zu Kaffee und einem Stück Kuchen. Das versüßt den Alltag!“ An manchen Tagen kamen bis zu 300 Kilometer zwischen Packen und Ausliefern zusammen. Immer abends musste das Fahrzeug zurück an den Starkstromanschluss in Brilon. Ein energie- und zeitintensives Geschäft.

Bayerische Eisfrau folgt auf den belgischen Eismann

Und nun? Nahrungsmittel und alles drum herum sind neben dem Kochen die große Leidenschaft von Patrick Vercauteren, der er sich in seinem Rentnerleben über Seminare widmen möchte. Schon auf seiner Homepage www.mein-belgischer-eismann.de finden sich viele Tipps zum Kochen. „Ausgewählte Ware heißt auch, dass zum Beispiel Erbsen gleich groß sind und darum gleichzeitig gar. Die aussortierten Erbsen kommen selbstverständlich in anderen Gerichten unter!“ Doch geht es dem 64-Jährigen um viel mehr. Darum, dass überhaupt ein Bewusstsein für die Produkte besteht. „Das Problem in Deutschland ist meiner Meinung nach, dass wir seit 20 Jahren zu günstige Lebensmittel haben. In Belgien werden rund 20 Prozent vom Einkommen für das Lebensmittel ausgegeben, in Zukunft könnten es sogar 30 Prozent sein. Ich würde mir wünschen, dass auch hier in Deutschland ein Umdenken stattfindet hin zu der Überlegung, ob nicht auch einmal Urlaub im Jahr reicht, wenn Lebensmittel mehr bzw. endlich das kosten, was sie wert sind. Oder, wie er es auf seiner Homepage formuliert: „Wir vergessen zu leicht, dass wir alle und überall Kunde sind. Dass wir als Kunde entscheiden, was geht und eben auch nicht geht. Dass wir alle entscheiden, wie in 10, 20, 30 Jahren unsere Ortschaften und Städte aussehen werden - mit einer bunten Vielfalt an kleinen Geschäften oder ausgestorben und verödet, weil wir den Lockrufen der Großen folgen.

Eine einfache Frage lautet doch: Was verdient zum Beispiel ein Bauer an einem Kilo Fleisch und wie lange dauert es, ein Schwein großzuziehen. Wir entscheiden selbst, ob wir die Antwort mit Verstand bewerten oder nicht.“

Künftig nicht mehr im roten Auto, aber als Referent. Wir hören uns wieder! Und übrigens: Nachfolgerin des belgischen Eismanns wird mit Cornelia Wittig eine bayerische Eisfrau und sie ist gelernte Einzelhandelskauffrau für Lebensmittel.

Mehr Infos zu und von Patrick Vercauteren unter: https://mein-belgischer-eismann.de/ - eine eigene Homepage, so ist es geplant, will er im Ruhestand aktualisiert weiterführen