Nehden/Köln. Birgit Schrowange moderiert sei 20 Jahren das Magazin „Extra“ bei RTL. Das Sauerländer Mädchen vom Dorf ist nun einer der Altstars im deutschen TV.
Das Sauerland hat sie geprägt. Klare Strukturen, Werte und Regeln, behütetes Elternhaus, Großfamilie, Bodenständigkeit, viele Freunde, Spielen mit den Nachbarskindern, Dorfgemeinschaft. All das hat sie geliebt. Aber irgendwann war es ihr zu eng, hat sie erdrückt. Heute weiß sie all das wieder zu schätzen. Denn die ungezwungene und wunderbare Kindheit gibt ihr die Kraft zum Durchhalten.
Den Ehrgeiz, gesteckte Ziele zu erreichen. Auch wenn sie am Anfang ihrer Karriere mal nach eigenen Worten „die ärmste Sau der Welt“ war, in Köln auf 15 Quadratmetern lebte, Dusche und Klo im Keller hatte. Heute ist Birgit Schrowange seit über 30 Jahren d a s Fernsehgesicht. Seit 20 Jahren moderiert die gebürtige Nehdenerin bei RTL das Magazin „Extra“. In der Branche ist sie damit schon ein Dino. „Es darf gern ein bisschen mehr sein“, heißt ihr zweites Buch, mit dem sie zurzeit auf Lesereise geht und im Herbst auch nach Brilon kommt.
Die kleine Birgit weiß schon früh, was sie einmal werden will: Fernsehansagerin. „Aus Pappkarton habe ich mir wie beim Kasperletheater einen Rahmen gebastelt, den Kopf durchgesteckt und dann so getan, als sei ich Sonja Kurowsky, Elfie von Kalckreuth oder Petra Schürmann“, erinnert sie sich. Am Dienstag wird Birgit Schrowange 57 Jahre alt. Es gab ja damals keine toughen Journalistinnen, keine Frauen in gehobenen Positionen.
„Als ich vor 35 Jahren anfing, hatten überall Männer das Sagen und im Fernsehen durften nur Assistentinnen und Ansagerinnen arbeiten. Als Barbara Diekmann das erste Mal die Tagesthemen moderierte, ging ein Aufschrei um die Welt.“ Der Weg aus dem Papprahmen ins echte Fernsehen ist sehr steinig. Doch Birgit Schrowange weiß mit dicken Brocken umzugehen.
Nudeln mit Ketchup
Birgit Schrowange - Mädchen vom Land
„Aber am nächsten Morgen war Kirche angesagt. Darauf hat meine Mutter bestanden. Rückblickend betrachtet, haben mir die klaren Regeln zu Hause gut getan. Aber ich wollte raus. Ein Dorf und seine Leute können auch engstirnig und erdrückend sein. Früher war das zumindest so, da konnte doch keiner über den Tellerrand gucken. Heute ist das anders. Ich kann nur jedem jungen Menschen empfehlen, sich einmal den Wind um die Nase wehen zu lassen. Hinterher kann man ja ruhig wieder zurückgehen. Naja, letztlich bin ich ja auch nur bis Köln gekommen.“ Dort spart Birgit Schrowange jeden Groschen für Sprech- und Schauspielausbildung. Die Frau will nach oben.
"Ab 40 ist jeder für sein Gesicht selbst verantwortlich"
Von der Sekretärin und Redaktionsassistentin beim WDR arbeitet sie sich hoch bis zur Moderatorin. „Man glaubt immer, die Ansagerinnen hätten viel verdient. Ich glaube, es gab damals beim ZDF eine Tagespauschale von 150 Mark. Für Klamotten, Anreise nach Mainz und Unterkunft musste man selbst aufkommen. Eigentlich hatte ich null Geld, habe mich manchmal nur von Nudeln und Ketchup ernährt. Aber das war nicht schlimm. Denn ich hatte ein Ziel vor Augen, habe einen unheimlichen Willen und schmeiße nicht so schnell die Flinte ins Korn“, sagt sie im Telefoninterview mit der WP. Hartnäckigkeit zahlt sich aus.
Frauen sollten selbst Verantwortung für sich übernehmen
Die Frau, die neun Jahre mit dem TV-Kollegen Markus Lanz zusammen war und mit ihm den inzwischen 14-jährigen Sohn Laurin hat, schafft es ganz nach vorn, wird zur RTL-Ikone und gut gebuchten Moderatorin auf Galas und Veranstaltungen. Kein Wunder, dass daher auch ihre Lesungen fast ständig ausverkauft sind: „Ich lese und erzähle ein bisschen aus meinem Mut-Mach-Buch für Frauen. Sie sollen den Blick auf sich nicht verlieren und nicht ständig hinterherhinken“, fordert Birgit Schrowange.
Und schiebt gleich mehrere rhetorische Fragen hinterher: Wer bleibt denn heute immer noch zu Hause bei den Kindern und macht den Großteil der Hausarbeit? Wer rutscht denn am ehesten in die Altersarmut? Wer verdient weniger Geld? „Frauen nehmen sich zu viel zurück, sind immer noch zu bescheiden. Deshalb sage ich auch in meinem Buch: An alle Frauen: Augen auf, ihr müsst die Verantwortung für Euch in Eurem Leben selbst übernehmen!“
Daher möchte die 57-Jährige auch nie den Anschluss verpassen. „Ich möchte eine coole Alte werden. Nicht hipp und völlig modern.“ Aber mit der Zeit will sie gehen, sich der modernen Technik nicht verschließen und sich niemals sagen hören: Früher war alles besser. „Ich möchte mir eine gesunde Neugier bewahren und auch im Alter immer noch etwas bewegen.“ Das macht die Nehdenerin übrigens auch im sozialen Bereich, wofür sie mit der Bundesverdienstmedaille ausgezeichnet wurde: U.a. ist sie Patin beim Kinderhospiz in Olpe und engagiert sich für das Kinderhilfswerk „Arche“ und für die RTL-Kinderhäuser. „Wir leben in einer Zwei-Klassen-Gesellschaft. Es macht mich traurig zu sehen, wie manche Kinder aufwachsen müssen.“
Ein Problem mit dem Älterwerden hat Birgit Schrowange nicht: „Obwohl ich schon ein sehr eiteler Mensch bin; aber ich würde mir die Haare nicht färben, wenn es nicht von RTL so gewünscht wäre. Ich moderiere aus einer sogenannten Greenbox und da würden graue Haare komisch aussehen. Petra Schürmann, mit der ich gut befreundet war, hat mal gesagt: Ab 40 ist jeder für sein Gesicht selbst verantwortlich. Und da sieht man alles: Glück, Zufriedenheit, aber auch Neid und Missgunst.“ Jeder habe seine Zeit, es sei auch von Vorteil, wenn man älter, gefestigter und gelassener sei. „Ich habe kein Problem damit. Ich habe aber auch gute Gene mitbekommen. Auch meine Eltern sehen noch sehr gut aus.“
Das Buch von Birgit Schrowange beinhaltet übrigens auch eine CD mit drei von ihr gesungenen Liedern. Ist damit die nächste Karriere der gebürtigen Sauerländerin vorprogrammiert? „Nein, ich mache, was mir Spaß macht. Ich habe mir ein Zentimetermaß genommen. Von 57 bis 100 – das ist nicht viel. Und ich möchte die 100 erreichen. Singen macht mich glücklich, ich nehme Gesangsunterricht und trete auch hin und wieder damit auf.“
Das hat sie auch zuletzt beim Schützenfest in Nehden gemacht, wo sie regelmäßig Eltern, Bruder, Tante, Neffen und Nichte besucht. „Da habe ich dann zu vorgerückter Stunde mit der Musikkapelle etwas von Andrea Berg gesungen. Meine Mutter ist im Boden versunken, aber mir hat es Spaß gemacht. Man muss doch auch nicht jedem gefallen. Everybody’s Darling ist nichts anderes als Everbody’s Depp“.