Winterberg. Ikke Hüftgold hilft ukrainischen Geflüchteten. So schafft er es für seinen Auftritt in Winterberg trotzdem in den Schlagemodus umzuschalten.
Seiner prolligen Kunstfigur im Trainingsanzug gelang der Durchbruch in Ballermann-Bierkneipen mit Hits wie „Ich schwanke noch“. Heute gehört „Ikke Hüftgold“ zu den erfolgreichsten Partyschlagerproduzenten Deutschlands. Aktuell ist der 45-Jährige, mit bürgerlichem Namen Matthias Distel, jedoch aus einem anderen Grund viel in den Medien: Mit seiner Stiftung holt er Hunderte ukrainischen Geflüchtete von der polnischen Grenze nach Deutschland. Jetzt kommt er für einen Schlagerauftritt in die Tenne nach Winterberg. Mit Gesa Born spricht er über das Gefühl, im Kopf noch den Ukraine-Krieg zu haben – und doch auf der Bühne den Schalter in den Schlagermodus umzulegen.
Was verschlägt „Ikke Hüftgold“ in die Tenne nach Winterberg?
Ich habe die Jungs von der Tenne letztes Jahr in Osnabrück getroffen, auf einer Veranstaltung vom Discothekenverband. Da haben die gesagt: Eigentlich können wir dich gar nicht buchen, weil du zu den größeren Künstlern gehörst und die Gage dementsprechend hoch ist – die Tenne ist ja ein kleiner Laden. Und dann habe ich gesagt: Lasst uns doch irgendwie eine Möglichkeit finden.
Warum die spontane Entscheidung?
Ich mag das Sauerland, ich habe im Sauerland schon Familienurlaube verbracht und bin oft in Willingen gewesen. In Winterberg war ich aber tatsächlich noch nicht, dabei war ich ja fast schon überall. Von daher freue ich mich, dass ich Winterberg jetzt auch auf meiner Liste abhaken kann.
Dabei haben Sie gerade wahrscheinlich so einiges auf dem Zettel, oder? Mit Ihrer „Summerfield Kids Foundation“ helfen Sie ukrainischen Geflüchteten.
Wir haben turbulente Wochen hinter uns und auch noch vor uns. Wir sind jetzt nahezu bei 1000 geretteten Ukrainern – Frauen, Kindern und Großeltern – die wir aus dem Kriegsgebiet beziehungsweise aus den Lagern in Polen geholt und privat vermittelt haben. Das ist das, was wir uns auf die Fahne geschrieben haben: Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir nicht von Lager zu Lager transportieren, sondern wirklich helfen wollen Privatsphäre aufzubauen.
Woher kam der Impuls zu helfen?
Erst war der Gedanke: Flucht. Als der Krieg ausbrach war ich schon ziemlich schockiert und habe mich sehr intensiv mit dem ganzen Thema befasst. Als dann in dem ukrainischen Atomkraftwerk die Flammen hochgingen dachte ich: Jetzt schnell weg mit Freundin und Kindern und tschüss – oder alternativ: helfen. Und Hilfe ging eigentlich nur, indem man sagt: Ich setz mich ins Auto und hole ein paar Leute von der Grenze weg. Und dass es so viele Busse wurden, das haben wir dann dieser tollen Unterstützung rechts und links von allen Seiten zu verdanken.
Hat Ihre Reichweite dabei geholfen?
Ich habe Aufrufe gestartet und es waren 1200 Gastfamilien, die sich registriert haben. Also eine Wahnsinnszahl. Dementsprechend viele Ukrainer konnten wir jetzt gesund unterbringen. Und wir machen auch die Nachsorge. Das heißt es gibt eine ganze Bataillon an Helfern die mitfahren, die sich kümmern, Behördengänge erledigen, Unterstützung bieten. Wir kaufen dann auch die nötigsten Sachen ein. Wir haben durch die Öffentlichkeitsarbeit die wir parallel gemacht haben ganz viel Zuspruch bekommen, ganz viele Geldspenden und können jetzt auch in der Nachsorge viel Positives bewirken.
Was ist das für ein Gefühl?
Das hat unser ganzes Team auf eine gewisse Art und Weise sehr glücklich gemacht. Weil wir glaube ich auch den richtigen Weg gewählt haben, wenn man sieht, wie es in großen Lagern in Berlin oder in Polen aussieht. Das ist schon unmenschlich teilweise, wenn hunderte Leute sich wenige Toiletten teilen müssen und auf engstem Raum schlafen, wohnen, leben müssen. Von daher ich bin da sehr zufrieden mit dem Projekt. Wir werden das so lange machen, wie es benötigt ist, in der Hoffnung dass der Ukraine-Krieg irgendwann aufhört. Aber aktuell keimt da wenig Hoffnung.
Ist es da nicht schwer, den Schalter wieder auf Schlagerpartys umzulegen?
Für mich ist es eine Gratwanderung im Kopf. Auch eine Katastrophe, moralisch gesehen. Ich habe in den ersten Tagen und Wochen alles abgesagt und konnte da nicht auf die Bühne. Aber auf der anderen Seite hilft es nichts. Wir können uns nicht komplett dem Thema Krieg widmen. Es muss auch irgendwie noch eine gewisse Fröhlichkeit da sein. Die Leute die auf so eine Schlagerparty gehen, die schalten dann auch mal drei bis vier Stunden ab, was wichtig ist. Die haben sich ja auch wahrscheinlich tagsüber alle mehr oder weniger mit dem Krieg befasst. Und der Kopf und der Geist eines jeden muss ja trotzdem halbwegs funktionieren und gesund bleiben. Deshalb denke ich, dass es schwierig aber vernünftig ist, dass man seinen eigenen Alltag dann auch irgendwie lebt. Sowohl beruflich als auch privat und nicht nur Trübsal bläst.
Hilft dabei die Kunstfigur?
Natürlich hilft die dabei, dass ich da eine ganz gute Trennung vollziehen kann und jeder, der sich mit mir auch so ein bisschen befasst hat als Matthias Distel, der weiß ja, dass ich das auch irgendwie kann: Klamauk aber auch ernsthaft sein. Von daher ist es vielleicht leichter, als wenn ich Jürgen Drews heiße und nur ein Gesicht habe – als Privatperson und als Künstler.