Winterberg. Der Körper von der Winterbergerin Mara Reitspieß wird auf Instagram kommentiert – und kritisiert. Was sie dem Druck im Internet entgegensetzt.
12.600 Follower bei Instagram machen Mara Reitspieß nicht zur Influencerin. Nicht zu einer Influencerin, die finanziell davon leben kann, ihr Privatleben auf der Sozialen Plattform auszubreiten. 12.600 Follower zeigen aber, dass Mara Reitspieß aus Winterberg – @marartsp – mit ihrer Ehrlichkeit und ihrer Verletzlichkeit via Instagram viele Menschen erreicht und berührt. Denn sie postet nicht nur Bilder im perfekten Sonnenlicht oder Motivationssprüche, sie spricht auch offen über dunkle Zeiten in ihrem Leben, den Druck der Schönheitsideale und wie sie sich davon losgesagt hat.
Mara Reitspieß kämpft wegen ihrer Größe gegen Rückenschmerzen
Mara Reitspieß ist groß. 1,84 Meter. Schon im Teenager-Alter kämpft sie deswegen mit Rückenproblemen. „Mein Rücken kam meinem Wachstum nicht hinterher. Wirbel haben sich verschoben, mir wurde gesagt, dass ich eine leichte Skoliose habe.“ Eine Verkrümmung der Wirbelsäule. Manchmal leidet Mara Reitspieß nach fünf oder sechs Stunden Stehen unter Schmerzen im unteren Rücken. Sie beginnt, Sport zu machen. Das Fitness Studio zu besuchen. Es ist der Beginn eines Kampfes gegen ihren Körper.
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Erst ist der Sport nur Ausgleich. Gegen den Stress in der Schule, die Schmerzen. Beim Sport kann sie den Kopf ausschalten. Sie beginnt abzunehmen. Eigentlich hat Mara Reitspieß einen, wie sie sagt, normalen Körper. „Ich war nicht dick, nicht dünn. Einfach normal.“ Dann rutscht sie in ein Extrem. 15 Kilo verliert sie. „Ich habe nichts gegessen, habe meinen Körper damit einen wahnsinnigen Stress ausgesetzt. Ich wollte richtig dünn sein.“ An manchen Tagen isst sie nur einen Apfel.
Sie wiegt 60 Kilo, Körpergröße 1,84 Meter. „Ich sah ungesund aus.“
Sie beginnt zu verstehen, dass ihre Selbstwahrnehmung nicht gesund ist
Irgendwann sieht sie Fotos, vergleicht sich mit früher. „Ich habe gemerkt, dass meine Selbstwahrnehmung schlecht ist. Ich habe viel zu lange gegen meinen Körper gearbeitet.“ Sie beginnt, ihre Ernährung umzustellen. Diäten streicht sie, versucht, gesund zu essen. Manchmal ist auch eine Pizza drin. Sechs Mal die Woche macht sie nun Kraftsport, einmal die Woche Kardiotraining. „Ich gehe auch viel mit meinem Hund spazieren, im Sauerland kann man schön laufen“, sagt sie. 2021 postet sie ein Bild von sich selbst via Instagram, stellt ein Foto von 2018 dazu – zum Vergleich. Sie schreibt: „Keine Ahnung, was mit mir los war, dass ich das schön fand und immer noch mehr abnehmen wollte.“
Via Instagram lässt sie ihre Follower an ihrem Prozess teilhaben
Instagram. Dort hält sie die Veränderungen fest. Zeigt sich im Fitnessstudio, postet Bilder von ihrem nun muskulösen Rücken, den trainierten Oberschenkeln. Immer mehr Menschen folgen ihr, senden Likes, die Währung auf Social Media. Mara Reitspieß schreibt Sport-Marken an und bietet Kooperationen. Tatsächlich beginnen einige Marken, ihr Sportbekleidung zu schicken. Sie verlost sie via Instagram, mehr Follower kommen auf ihr Profil, mehr Likes – und Kritik. Sie schreibt im April 2022 ehrlich darüber. „Natürlich muss sich jeder bewusst sein, dass mehr Reichweite auch deutlich mehr Kritik bedeutet. Dennoch stelle ich mir die Frage, wieso heutzutage niemand mehr dem anderen etwas gönnt.“ Nimmt sie ab, sagen die Leute sie sehe ungesund aus. Trainiert sie, sagen die Leute sie sehe zu männlich aus. Nimmt sie zu, sagen die Leute, sie habe vorher weiblicher ausgesehen. „Sollte es nicht eigentlich darum gehen, dass man sich selber wohl fühlt?“, fragt sie. „Du siehst männlich aus“, heißt es in den Kommentaren. „Deine ganzen Fitnessbilder gefallen mir nicht.“ Mara Reitspieß kontert in ihrem Beitrag auf Sätze dieser Art: „Und? Wenn’s mir gefällt. Ich arbeite jeden Tag hart um mein Ziel zu erreichen, wenn es dir nicht gefällt, bitte – dann schau es dir nicht an.“
Toxische Schönheitsideale setzen sie unter Druck
Schönheitsideale sind widersprüchlich und individuell – und doch setzen sie Frauen wie Mara Reitspieß unter Druck. Unmöglich, es allen recht zu machen. Und der Ton in den Sozialen Netzwerken, die Anonymität in der Kommentarspalte, machen es noch schwerer. „Ich habe vor kurzem abgenommen, weil ich über den Winter etwas zugenommen hatte. Viele haben mir gesagt, dass ich nun schöner aussehe als vorher. Das macht mir Angst, wieder dicker zu werden“, sagt Mara Reitspieß ehrlich über den Druck von außen. „Jetzt siehst du schöner aus.“ Es sind diese Sätze, die auf Instagram herumgereicht werden. Die Körper und Menschen dahinter beurteilen. Sätze, die im Kopf bleiben, wie Mara Reitspieß sagt. Hinzu kommt der Algorithmus, der einem immer wieder das zeigt, was man begehrt. „Ich wollte lange ein Sixpack und habe mir natürlich auch entsprechende Seiten angeschaut. Aber egal, was ich gemacht habe, ich konnte mir kein Sixpack antrainieren. Dennoch habe ich ständig Bilder davon gesehen.“ Von Influencern, bei denen alles so leicht aussieht, wie sie denkt. Der Druck ist enorm. „Dabei weiß man nicht, wie die Lichtverhältnisse beim Entstehen dieses Bildes waren, ob Filter drauf liegen oder wie schwer die Influencerin es hatte, sich das Sixpack anzutrainieren.“
Mehr Ehrlichkeit auf Instagram sei wichtig – und gewünscht
Mittlerweile reflektiert Mara Reitspieß diese Bilder. Akzeptiert, dass sie kein Sixpack hat. Nimmt ihren Körper an – blendet Kritik aus. „Seinen Körper hat man ein Leben lang, man muss ihn lieben lernen.“ Mittlerweile bekommt sie viele positive Nachrichten. Sie sei Motivation – auch, weil sie die schwierigen Phasen nicht auslasse. Diejenigen, bei denen kein Fortschritt erkennbar ist. „Die großen Influencer verschweigen das, aber ich habe den Eindruck, dass immer mehr Menschen sich Ehrlichkeit auf Instagram wünschen.“