Brilon/Medebach. Corona-Impfung beim Hausarzt? Dr. Kretzschmar aus Brilon und Tim-Henning Förster von der Sauerlandpraxis sprechen über Bürokratie und Kritik.
Es soll der Treiber im Kampf gegen die Pandemie sein: Das Impfen in den Praxen der niedergelassenen Ärzte. Die Hausärzte in Nordrhein-Westfalen sollen ab Ende März vom Land mit Corona-Impfstoffen beliefert werden, um schnell in die Impfung chronisch Kranker einsteigen zu können. Das kündigte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) am Donnerstag in Düsseldorf an. Zwei Hausärzte aus dem HSK nach diesen Nachrichten Klartext: Tim-Henning Förster von der Sauerlandpraxis in Medebach und Doktor Thomas Kretzschmar aus Brilon über schwierige Bürokratie und das Warten auf den Impfstoff.
Der Unterschied zwischen Glaube und Hoffnung
Wann glauben Sie, wird der Impfstoff bei Ihnen in der Praxis zur Verfügung stehen? Werden dahingehend schon Angaben gemacht? Wie werden Sie darüber informiert?
Tim-Henning Förster von der Sauerlandpraxis: „Der große Unterschied zwischen Glaube und Hoffnung: ich hoffe, dass es sehr bald genügend Impfstoff gibt, um neben den Impfzentren auch in den Praxen zu impfen. Ich glaube allerdings, dass es sich noch bis mindestens Ende April verzögern wird, die aus der Politik kommenden Signale lassen keinen Grund zu, an eine schnellere Umsetzung zu glauben.
Doktor Thomas Kretzschmar: Ich habe mir längst abgewöhnt, bei politischen Entscheidungen an etwas zu glauben. Üblicherweise sind die niedergelassen Ärzte die letzten, die etwas erfahren. Sie sind eigentlich bei allen Entscheidungen nie gefragt worden.
Welche bürokratischen und auch infrastrukturellen Voraussetzungen müssen Sie erfüllen, um den Impfstoff verimpfen zu dürfen?
Tim-Henning Förster: Die Coronaimpfungen sind mit sehr viel Impfbürokratie verbunden, in den Impfzentren sieht man die Impflinge mit einem „Aktenordner“ durch die Impfstraßen laufen, in dem Punkt für Punkt abgearbeitet werden muss. Von Anamnese über Aufklärung bis zur Einwilligung gibt es viele Formulare. Bei den eigenen Patienten in der Praxis sollte dieser Vorgang deutlich kürzer ausfallen, die Anamnese der meisten Patienten ist bekannt, Aufklärung und Einwilligung müssen natürlich sein. Von Seiten der Infrastruktur sehe ich eigentlich keine unlösbaren Probleme, es sind genug Räume vorhanden, sowohl zum impfen, als auch, um Patienten nach einer Impfung noch einen Moment beobachten zu können. Da wir ohnehin täglich mit den Standardimpfungen hantieren und auch häufig Reiseimpfungen injizieren, zu denen unter anderem auch die Gelbfieberimpfung zählt, sehen wir keine unlösbaren Probleme.
Thomas Kretzschmar: In meiner Praxis wird seit 105 Jahren geimpft. Eine weitergehende Voraussetzung sehe ich nicht, da der Impfstoff keine unüblichen Bedingungen erfüllt. Ich bin mir aber sicher, dass die Bürokraten genug Phantasie entwickeln werden, um es kompliziert und schwerer für uns Ärzte zu gestalten.
Was würde es bedeuten, wenn die Impfungen in den Praxen stattfinden könnten? Was erwarten Sie sich von diesem Schritt?
Tim-Henning Förster: Die niedergelassenen Ärzte können und werden der Wendepunkt in der Pandemiebekämpfung sein. Wir haben den Zugang zu den meisten Patienten, viele Patienten äußern bereits seit Wochen den Wunsch, warten zu wollen, bis die Impfung endlich in der Praxis durchgeführt werden kann. Ein Großteil der älteren Patienten kann und will den Weg in die Impfzentren nicht auf sich nehmen, es herrschen Bedenken vor der ungewohnten Situation. Den Hausarzt kennen sie, hier ist Vertrauen die Basis, wenn wir ihnen die Impfung geben, dann sind sie sich sicher, dass es der richtige Weg ist.
Thomas Kretzschmar: Alle Ärzte und auch alle Experten bei Lanz und Co. haben seit Beginn der Pandemie gesagt, dass es ohne breit angelegte und unbürokratische Impfung nicht geht und dass natürlich die niedergelassen Ärzte das im Wesentlichen schultern müssen. Das ist unser Job und da sind wir bereit zu.
Hätten Sie sich ein anderes Impfkonzept gewünscht beziehungsweise eine frühere Einbindung der Allgemeinmediziner vor Ort?
Tim-Henning Förster: Eine frühere Einbindung der Hausärzte wäre sicher schwer gewesen, ich bin beeindruckt was geleistet wurde, wie schnell die Impfzentren aufgebaut wurden, die grandiose Entwicklung von bereits vier zugelassenen Impfstoffen. Meckern ist immer leicht und hinterher weiß man vieles besser, sicher ist nicht alles rund gelaufen, weder die europäische zentrale Bestellung noch die Kommunikation des Bundesgesundheitsministers geben großen Grund zur Freude, aber hätte man alles besser gemacht, wenn man selber in der Position des Entscheiders gewesen wäre? Ich glaube nicht. Nun ist aber hoffentlich bald die Zeit gekommen, in der ausreichend Impfungen in den Lagern liegen und dort dürfen sie nicht lange liegen bleiben, jede Dosis muss so schnell wie möglich verimpft werden, das wird nicht ohne das dichte Netz der niedergelassenen Ärzte funktionieren.
Thomas Kretzschmar: Wir warten seit Monaten auf den Startschuss. Nur unbürokratisch sollte es schon sein. Die Bürokraten arbeiten intensiv daran, wie man die Bürokratie maximieren kann. Es sollen tausende Zettel und tägliche Informationen von allen Ärzten erbracht werden. Einfach geht in Deutschland eben nicht.
Wie bereiten Sie sich in der Praxis auf das Impfen vor? Muss viel in Planung aber auch in der örtlichen Infrastruktur in der Praxis verändert beziehungsweise angepasst werden, wenn es mit dem Impfen losgeht?
Tim-Henning Förster: Wir sind vorbereitet, wir impfen jeden Tag. Wir waren mit einigen Kollegen bei den ersten Impfungen in den Altenheimen am Start, dort haben wir gezeigt, dass wir mit Biontech/Pfizer umgehen können, wir haben bereits ambulante Pflegedienste in deren Einrichtungen mit Astra geimpft und dort gezeigt, dass wir auch die Impfbürokratie beherrschen, in den nächsten Tagen werden wir noch in Einrichtungen für Menschen mit Besonderheiten impfen, in einem Kurhaus für pflegende Angehörige, nur in der eigenen Praxis noch nicht. Sicher werden wir einige Abläufe in der Praxis für die Impfungen umstellen, es wird darauf spezialisiertes Personal geben. Wir sammeln bereits die Kontaktdaten der priorisierten Impflinge, die nicht die Möglichkeit hatten in ein Impfzentrum zu fahren oder noch keinen Termin bekommen haben. Wir sind bereit, was uns fehlt sind die Impfungen, es ist uns auch egal von welchem Hersteller, wir können alle Impfungen an das ersehnte Ziel bringen.
Thomas Kretzschmar: Wir sind alle bereit zum Impfen. Werden durch behördliche Auflagen aber sicher massiv ausgebremst.