Brilon. Alexandra Linnemann aus Brilon modelt für Labels wie Happy Size, Takko und Orion - und setzt sich für Body Positivity ein. Das sind ihre Bilder.
Die Brilonerin Alexandra Linnemann (30) ist Plus Size-Model und arbeitet für Labels wie Happy Size, Takko,Vollkommen Braut, oder Orion. Im Interview spricht sie darüber, wie sie selbst gelernt hat ihren Körper zu akzeptieren, wie die Arbeit als Curvy Model aussieht und warum Body Positivity so wichtig für sie ist.
Du bist Curvy Model.
Alexandra Linnemann: Ja, wobei Curvy ja eher eine Körperform beschreibt. Eben kurvig. Kim Kardashian ist auch ein Curvy Model, trägt aber Kleidungsgröße 36. Man sagt eher Plus Size-Model.
Wie wird man dazu?
Das ist eine wirklich lange Geschichte...
Leg los.
Ich habe früher gemodelt, als ich noch jünger war. Damals, mit ungefähr 14 Jahren, hatte ich allerdings noch Kleidergröße 34/36. Das Modeln damals hatte eine ganz andere Struktur. Ich habe schnell gemerkt, dass die Branche oberflächlich ist, dass man schnell in eine Schublade gesteckt wird. Ich wurde sehr kontrolliert. Ich sollte darauf achten, was ich esse, wie ich mich bewege. Das gefiel mir nicht und ich habe beschlossen, mit dem Modeln aufzuhören. Vor circa einem Jahr habe ich bei Instagram reingeschaut. Ich war zwar schon vorher bei Instagram, aber ich habe zu diesem Zeitpunkt angefangen, mir andere Seiten anzuschauen. Modelseiten. Und ich habe in Erinnerungen geschwelgt. Ich war sehr unsicher, ob ich mich wohl genug fühle um mit dem Modeln wieder zu beginnen, weil ich in der Zwischenzeit krankheitsbedingt zugenommen habe. Ich habe mich gefragt, ob ich mich zeigen kann, ohne negative Kommentare zu erhalten.
Was hat den Ausschlag gegeben, es zu versuchen?
Familie und Freunde haben den Ausschlag gegeben. Sie haben mir zugeredet und irgendwann habe ich gedacht: komm, leg los. Ich habe mir einen Fotografen gesucht um ein Portfolio zu erstellen. Dawaren auch diverse Fotografen aus der Umgebung dabei. Ich konnte mir so ein Portfolio aufbauen, mit dem ich mich sehr wohl fühle. Insgesamt hat das auch meinen Blick auf mich selbst verändert. Nachdem ich zugenommen habe, musste ich auch erst einmal selbst damit klarkommen. Die Fotografie hat mir sehr dabei geholfen. Ich nenne das immer selbsttherapeuthische Fotografie. Und natürlich hat mir auch Silvana Denker sehr dabei geholfen.
Wer ist Silvana Denker?
Eine tolle Frau, vielleicht eine der bekanntesten in der Body Positivity-Bewegung in Deutschland. Sie war Coach bei SAT1 für die Sendung „No Body Is Perfect“. Sie hat mich zu tollen Shootings mitgenommen, hat mich dort integriert und mir geholfen, Fuß zu fassen und mit fantastischen Labels arbeiten zu dürfen.
Also bist du als Plus Size-Model schon richtig durchgestartet?
Ich habe recht viele Jobs bei verschiedenen Labels. Ich habe mehrfach für Happy Size gearbeitet. Auch für Takko. für Vollkommen Braut, Lohrengel, Playful Promises und anderen Labels. Ich durfte schon unter dem Eiffelturm und in Marokko shooten. Diesen Monat sollte ich eigentlich nachKroatien aber dieses Shooting wurde verlegt. Daher geht es im September für mich nach Dänemark. Es sind große und kleine Labels, mit denen ich zusammenarbeite. Erst letztens habe ich für Orion geshootet.
Orion ist ein Erotiklabel. War es schwierig für dich, dich in Unterwäsche zu zeigen?
Nein – ich habe mich vollkommen akzeptiert. Ich denke, wer sich liebt wie man eben ist, kann sich ganz frei zeigen ohne ein Problem damit zu haben. Mein Körper gehört zu mir, mein Gewicht auch. Draußen auf der Straße sieht mich ja auch jeder so wie ich bin. Ich möchte mit meiner Arbeit, gerade auch mit Arbeiten wie die für Orion, Menschen Mut zusprechen. Niemand muss sich verstecken, jeder ist schön und es muss nicht immer 90/60/90 sein. Egal ob Mann, Frau, divers.
Ist es schwierig, in einer „Kleinstadt“ wie Brilon als Curvy Model durchzustarten?
Mit dem richtigen Medium erreicht man so viele Menschen – auch das kleine Mädchen in irgendeinem Dorf, dass schon immer Model werden wollte. Wenn man eine positive Einstellung und Ausstrahlung hat, kann man schon sehr viel erreichen. Spaß bei der Sache haben ist sehr wichtig. Dann ist es auch machbar, aus Brilon ein Statement zu setzen.
Wie wichtig ist dabei Instagram?
Unter anderem sehr wichtig. Viele junge Menschen nutzen Instagram und lassen sich inspirieren. Und wie erreicht man sonst mehr Menschen? Mit dem Fernsehen? Und wie schnell kommt man schon ins Fernsehen. Daher muss man die Mittel und Wege nutzen, die man hat.
Apropos Instagram, die Schönheitsideale die dort propagiert werden drehen sich oft um schlanke Models und eben 90/60/90. Hältst du das für gefährlich?
Gefährlich wird es, wenn es als die Idealvorstellung – DAS Idealbild vermarktet wird. Viele Menschen streben nach diesem Aussehen – aber das ist unrealistisch. Natürlich gibt es solche Körper, aber eben in der Modelwelt. Es gibt so viel mehr Vielfalt, mehr Ideale. Das Schönheitsbild definiert sich auch durch den Charakter. Ich sage immer: 20 Prozent Äußeres, 80 Prozent Charakter. Man sollte darauf achten, dass besonders junge Mädchen und Jungen sich diese Instagramwelt nicht als Vorbild nehmen. Da sind Eltern gefragt, die ihren Kindern in der Erziehung beibringen sollten, sich dieses perfekte Bild nicht einzuprägen. Es gibt auch Menschen außerhalb der Magazine.
Würdest du dir auch in den Magazinen mehr Echtheit wünschen?
Ja, absolut. Ich bemerke einen sehr sehr großen Umschwung zur Zeit. Das Unterwäsche-Label Hunkemöller macht zum Beispiel aktuell Werbung mit Plus Size-Models. Auch in anderen Werbungen sind nicht nur perfekte Körper zu sehen. Davon darf es gerne noch viel mehr geben!
Wurdest du jemals für dein Gewicht kritisiert oder diskriminiert?
Ich wurde nicht direkt angesprochen, aber diverse Fotografen wollen wahrscheinlich wegen meines Körpers nicht mit mir zusammenarbeiten. Ich gehe aber extra und mit voller Absicht auf gerade die Fotografen zu, die nur schlanke Menschen abbilden und frage nach einer Zusammenarbeit. Ich will sie umstimmen und zeigen, dass wir es auch drauf haben. Zumal Ecken und Kanten doch auch im Portfolio eines Fotografen eher auffallen.
Hast du denn schon Fotografen umstimmen können?
Ja, bei einigen habe ich das schon geschafft. Ich bin sehr hartnäckig. Dabei kommt es mir darauf an,dass nicht nur Porträts geschossen werden, sondern der ganze Körper zu sehen ist.
Wie wichtig ist die Body Positivity-Bewegung für dich?
Ich bekomme so viele private Nachrichten von jungen Mädchen, aber auch von Männern, die sich bei mir für meine Bilder bedanken. Die sagen, dass sie wegen mir anfangen umzudenken. Ein Mädchen hat mir beispielsweise geschrieben, dass sie sich dank mir zum ersten Mal ein Top mit Spaghetti-Trägern gekauft hat. Dass sie sich nicht einengen lassen will und den Sommer genießen will – ohne ihre Arme unter einem T-Shirt zu verstecken und sich zu schämen. Das hat mich sehr berührt, genau diese Menschen möchte ich erreichen. Menschen mit einem verzerrten Selbstbild. Ich würde ihnen gerne sagen, dass sie wunderbar sind und dass sie sich Menschen suchen sollen, die sie bestärken.
Hast du denn einen Tipp, wie ich meinen Körper akzeptieren lerne?
Auf sich achten. Die positiven Dinge sehen. Sich vor den Spiegel setzen und lange hineinschauen, um das positive zu sehen. Sich einen Brief schreiben. Negative Gedanken wegschieben. Das ist ein Prozess, das geht nur Stück für Stück.