Danny Whitty lebt mit Autismus und Apraxie. Er konnte lange nicht kommunizieren, was ihm seine Mitmenschen bedeuten – bis er begann zu kochen.
Er träumte Jahrzehnte lang davon, für seine Mitmenschen zu kochen. Auf diese Weise wollte er ihnen zeigen, wie viel sie ihm bedeuten.
Dies ist seine Geschichte:
»Meine Fähigkeit zu sprechen verschwand kurz nachdem ich sie erlangt hatte. Im Alter von drei Jahren wurde bei mir Autismus diagnostiziert. Jahre später erhielt meine Familie eine spezifischere Diagnose für meinen Zustand – Autismus mit Apraxie und minimalem Sprechvermögen. Apraxie bedeutet, dass meine neuronalen und motorischen Systeme nicht gut aufeinander abgestimmt sind. Das führt dazu, dass ich Probleme mit feinmotorischen Bewegungen und deren Initiierung habe. Für mich heißt das: Ich habe einen brillanten, hoffnungsvollen Geist in einem Körper, der ihm nicht zuhört.
Viele selbstständige Tätigkeiten sind eine Herausforderung. Sprechen ist besonders schwierig, weil es komplexe, koordinierte Bewegungen des Mundes und der Stimmbänder erfordert. Drei Jahrzehnte lang war ich nicht in der Lage, Gedanken und Gefühle physisch auszudrücken. Eine Handvoll auswendig gelernter Sätze plus hemmungslose Zusammen- und Freudenausbrüche, daraus bestand mein »Vokabular«. Ich hatte ein ganzes Universum in mir, aber keine Möglichkeit, es mit anderen zu teilen.
Die meiste Zeit meines Lebens ahnte niemand von den beachtlichen Dimensionen meines Geistes. Dennoch umgab mich meine Familie mit Wärme und Liebe. Es waren nur wir fünf: meine Eltern, meine Schwestern Tara und Eira und ich. Wir zogen 1989 von Yokohama, Japan, nach San Diego in den USA, auf der Suche nach Behandlungsmöglichkeiten für meinen Autismus. Es war nicht einfach, missverstanden aufzuwachsen. Doch meine Kindheitserinnerungen sind nicht düster, besonders die Zeiten, in denen ich meiner Mutter in der Küche Gesellschaft leistete, habe ich in schöner Erinnerung. Ich folgte ihr, um frische Kräuter und andere Gaben der Natur aus dem Garten zu holen. Sie brachte mir bei, zu rühren, einzuschenken und Scheiben zu schneiden. Obwohl es körperliche Grenzen für das gab, was ich allein tun konnte, meisterte ich im Laufe der Jahre einige grundlegende Dinge, wie zum Beispiel einen einfachen Salat zuzubereiten. Still und limitiert, saugte ich jedes Detail auf – ein Kaleidoskop an Zutaten und Techniken, die meine kulinarische Welt bedeuteten.
In meinen Teenagerjahren entdeckte ich, dass ich dieses Feld mithilfe von Foodmagazinen weiter erkunden konnte. Ich fühlte mich von den üppigen und verführerischen Bildern von »Bon Appétit« und »Food & Wine« angezogen wie andere Jungen von Gaming- oder Sport- (oder flotteren) Zeitschriften. Meine Familie nahm an, ich würde nur meine Augen an den vielfältigen visuellen Eindrücken ergötzen. Sie realisierten nicht, dass ich diese Titel aus echtem kulinarischen Interesse studierte.
Diese Magazine boten mir eine Zuflucht vor der Realität meiner tagtäglichen Kämpfe. In der »realen« Welt wurde ich ignoriert, gehänselt oder von Tätigkeiten und Erlebnissen ausgeschlossen, nach denen ich mich so dringlich sehnte: einer sinnvollen Ausbildung, Freundschaften außerhalb meiner eigenen Familie, der Chance, einen Unterschied zu machen in der Welt. Jedoch gab es für mich keinen Weg, diese Wünsche mitzuteilen, noch weniger war ich in der Lage, sie umzusetzen. Die tiefe Traurigkeit darüber konnte ich vorübergehend vergessen, wenn ich in die Seiten von Foodmagazinen eintauchte bestückt mit Fotos von goldbraun glasierten Brathähnchen, perfekt gegrilltem Gemüse oder üppig geschlagener Buttercreme, die auf verführerischen Kuchen thronte. Diese Zeitschriften weckten in mir mehr als die Idee eines Geschmackserlebnisses. Sie repräsentierten Chancen auf Gemeinschaft und Freude und auf Teilhabe daran. Ich träumte davon, meine eigene Community aufzubauen, und davon, wie wir meine Kreationen gemeinsam genießen würden. Ich stellte mir vor, wie wir zusammenkommen würden und die anderen imstande wären, durch meine Kochkunst zu erkennen, wie viel sie mir bedeuteten.
Ich fühle Liebe so intensiv, und es schmerzte mich unendlich, dass ich mich nicht so frei ausdrücken konnte wie andere. Als ich 20 wurde, fand ich mich mit der harten Realität ab: Mein Wunsch, solche Festmähler zu kochen, musste in mir gefangen bleiben, zusammen mit meinen Worten und anderen unerreichbaren Träumen.
Dann, im Jahr 2015, fing ich an, »Spelling to Communicate« (S2C) zu trainieren – eine Methode alternativer Kommunikation. Indem ich auf Buchstaben und Interpunktionen auf einer Tafel deute, kann ich die feinmotorischen Anforderungen des Sprechens umgehen. Dazu braucht es aber einen Kommunikationspartner, der meine Worte mitschreibt und mich fokussiert hält. Diese Technik war eine Offenbarung; meine Familie konnte endlich erkennen, dass ich intelligent bin und vor Ideen nur so strotze. Bis 2020 hatte ich allerdings keinen Vollzeit-Kommunikationspartner, dann zog meine Schwester Tara zu mir, um diese Rolle zu übernehmen. Wir haben während des Pandemielockdowns ausgiebig geübt, und schnell entstand ein immer flüssigerer Austausch. Irgendwann konnte ich zum ersten Mal meine täglichen Bedürfnisse, meine Witze und Grübeleien, meine Gefühle und Träume mitteilen. Ich fühlte, wie alles, was lange in mir geschlummert hatte, erwachte, als würde sich ein karges und trostloses Ödland in einen üppigen, lebendigen Garten verwandeln. Ein paar Monate nach diesem Durchbruch plante ich etwas Mutiges: ein Festmahl anlässlich des Geburtstags meiner Mutter, mit hausgemachten Fettuccine in einer üppigen Trüffelsoße – inspiriert von Miyoko Schinners »The Homemade Vegan Pantry« – und dem Gartensalat unserer Familie. Ich war so begeistert von meiner Idee und so beflügelt von meiner neuen Fähigkeit zu kommunizieren; es kam mir gar nicht in den Sinn, dass die Zubereitung einer aufwendigen Mahlzeit immer noch eine enorme Herausforderung für meine Motorik darstellte. Eine Welle neuer Möglichkeiten riss mich einfach mit sich. Ich war bereit, jedes Hindernis zu überwinden, um meiner Familie und mir selbst zu zeigen, dass ich tatsächlich all das schaffen konnte, was mir so lange verwehrt war.
An diesem Abend versammelte ich meine Schwestern als Souschefs um mich, instruierte sie, meinen Anweisungen zu folgen, und zog eine Schürze an. Und dann ... steckte ich fest. Wo anfangen? Ich konnte die Ideen und Impulse, die in meinem Kopf wirbelten, nicht ordnen. Meine Finger verkrampften sich. Mein Herz pochte. Meine Behinderung wurde mir wieder schmerzlich bewusst. Wie töricht ich gewesen war, zu denken, dass die Möglichkeit, mich auszudrücken, meine Apraxie irgendwie verschwinden lassen könnte. Tara bemerkte meine Not, übernahm sachte das Kommando und rettete das Mahl. Ich versuchte, das Essen zu genießen, aber ich war am Boden zerstört. Wochenlang gab ich mich dieser Enttäuschung hin, der Aussicht auf ein Leben voller Enttäuschungen. Das war mittlerweile eine vertraute Angewohnheit.
Ein Menü eigenständig zuzubereiten, so schien es, läge außerhalb meiner Reichweite. Aber die Buchstabiertafel (S2C) erweiterte meine Welt stetig. Unter Taras geduldiger Anleitung eroberten sich mein reger Geist und mein Körper Tätigkeiten, an die ich mich noch nie zuvor gewagt hatte: Gedichte und Essays schreiben oder schnorcheln und Stand-up-paddeln. Als meine Fähigkeiten und mein Selbstvertrauen mehr wurden und sich unsere Zusammenarbeit immer natürlicher anfühlte, bekamen meine Hoffnungen, ein Koch zu werden, neue Nahrung. Was wäre, wenn Tara die Bewegungen für mich ausführte? Sie könnte meine Ideen in Essen verwandeln!
Wir begannen mit dem, was ich »Gartensuppe« nenne. Ich stellte mir vor, die üppige Ernte an selbst gezogenem Rucola mit einer frischen Brühe zu zelebrieren, voll des pfeffrigen Raukegeschmacks und reichlich bestückt mit Sommergemüse. Als ich eines Abends dieses Gericht zum Abendessen vorschlug, fragte Tara mich, wo sie das Rezept finden könne. Überschwänglich antwortete ich: »In meinem Kopf!« Dort entstehen meine Rezepte mithilfe einer Art geistigen Katalogs von Lebensmitteln, die ich probiert habe. Diese Zutaten kann ich immer wieder anders kombinieren und anrichten. Ich buchstabierte ihr die Anweisungen: so viel Zwiebel, nur sanft gebräunt; etwas Knoblauch, etwas Nährhefe, etwas Mais und Paprika hinzufügen; den Rucola später dazugeben, um seinen knackigen Biss zu erhalten.
Als wir auf diese Weise gemeinsam kochten und probierten, fragte Tara mich: mehr Knoblauch? Mehr Tiefe? Ist das so, wie du es haben willst? Und sie klatschte mit mir ab, wenn ich in küchenchefiger Manier stolz meine Antworten ausbuchstabierte. Als die Dämmerung schließlich mit der Nacht verschmolz, versammelte sich meine Familie aufgeregt zum Abendessen. Ich brachte unseren schweren gelben Topf an den Tisch und teilte die Suppe an alle aus. Wir hoben unsere Schüsseln für einen Toast und dann beobachtete ich, wie meine Familie jeden einzelnen Löffel genoss, wie sie lächelten und wie ihre Augen glänzten, als wir den Suppentopf leerten.
Wir alle teilen das Bedürfnis nach Essen, Liebe und nach Selbstausdruck. Kochen erfüllt mir alle drei. Meine Sinne sind geschärft – zugleich Fluch und Segen meines Autismus. Das jahrelange Studium von Foodzeitschriften erlaubt es mir, Speisen, die ich zu mir nehme, differenziert zu bewerten. Und mein Gaumen kann viele Feinheiten wie Tiefe und Textur aufnehmen – eine Symphonie von Geschmäckern, die meinen Geist vor Staunen vibrieren lässt. Es wird immer schwierig für mich sein, das zu tun, was ich möchte. Aber nach mehr als 30 Jahren, in denen ich in Stille gelebt habe, bin ich voller Ehrfurcht vor dem, was möglich ist und sein wird.
Ich erweitere mein Repertoire an Kreationen, um sie dann mit meinen Mitmenschen zu teilen. Auf der Speisekarte von Tara und mir: ein Orangen-Brandy-Kuchen mit Olivenöl und Nelken, serviert mit einem Klecks Crème fraîche. Die Zitrusfrucht darf hier glänzen, eingebettet in erdige Noten – das entlockte meiner Familie beim Probieren anerkennendes Augenbrauenheben. Und auch ihre Freunde verschlangen ihre Stücke und forderten umgehend das Rezept. Als Tara und ich die Zubereitungsschritte aufschrieben, konnte ich spüren, wie sich vor meinem inneren Auge ein ganzes Universum auftat, voller Hoffnung und Wunder; wie meine eigene Stimme und meine Worte endlich über meinen Körper, mein Herz und mein Buchstabenbrett hinaushallten.«
Neugierig geworden? Hier geht es zum Rezept für Danny Whittys Gartensuppe: