Berlin. Ein Vulkan auf Island spuckt wieder Lava, Tausende mussten ihre Häuser verlassen. Ein Experte erklärt, wie gefährlich der Ausbruch ist.
Es kam, wie es die Experten vorausgesagt hatten: Am Montagabend ist südwestlich von Islands Hauptstadt Reykjavik ein Vulkan ausgebrochen. Schon Wochen zuvor hatten die Behörden eine Evakuierung der Bewohner des nahe gelegenen Fischerstädchens Grindavík angeordnet. Wann ein solcher Ausbruch endet, ob er sich immer so gut vorhersagen lässt und wie es um den Vulkanismus in Deutschland steht, erklärt Professor Matthias Hort, Direktor des Instituts für Geophysik an der Universität Hamburg.
Herr Hort, was passiert da gerade auf Island?
Matthias Hort: Die Erde ist ein dynamisches System, das heißt, die Platten auf der Erde bewegen sich. Island sitzt auf dem mittelatlantischen Rücken, welcher die nordamerikanische von der europäischen Platte trennt. An dieser unterhalb des Meeresspiegels liegenden Gebirgskette entstehen nahezu kontinuierlich sogenannte magmatische Schmelzen, die dazu führen, dass dort neue ozeanische Kruste entsteht.
Diese Kruste sorgt wiederum dafür, dass ein Spalt entsteht, durch den Europa nach Osten und Nordamerika nach Westen „gedrückt“ wird. Der mittelozeanische Rücken landet in Island an, und die Spalte setzt sich dann durch Island fort. Entstehen dort Risse, kann Magma austreten. Dieser Ausbruch ist also geologisch gesehen völlig normal.
Es heißt, dieser Ausbruch könnte Wochen oder sogar Monate so weitergehen. Was muss passieren, damit ein Ausbruch endet? Kann ich mir das vorstellen wie eine Wunde, auf der sich Schorf bildet?
Hort: Der Vergleich mit einer Wunde ist nicht ganz schlecht. Was man seit Anfang November beobachtet hat, ist ein Anstieg der Erdbebentätigkeit. Die Erdbebentätigkeit hat ganz klar gezeigt, dass dort Magma in eine Spalte reingedrückt wird.
Wie hat sich das gezeigt?
Hort: Teile des Landes in der Region sind bis zu 35 Zentimeter angehoben worden. Wenn unten Magma reintransportiert wird, muss ja die Oberfläche nach außen ausweichen. Und seit der Eruption ist an einigen Stellen eine Absenkung von ungefähr sieben Zentimetern gemessen worden. Das heißt also, ein Teil des Magmas ist aus dem System rausgekommen. Zur Zeit scheint der Magmafluss abzunehmen. Es ist aber nach wie vor extrem schwierig vorherzusagen, wie lange solche Eruptionen dauern, weil man nicht genau weiß, wie die Magmazufuhr in größeren Tiefen stattfindet. Was auch nicht klar ist: Wie viel Magma davon dann rauskommt und wie viel einfach drinbleibt.
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Vulkanausbruch auf Island: Manche lassen sich nicht vorhersagen
Viele Menschen erinnern sich an den Ausbruch des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull im Jahr 2010 mit ziemlich großen Auswirkungen zum Beispiel auf den Luftverkehr. Das ist beim aktuellen Ausbruch anders. Was macht einen Ausbruch gefährlich oder weniger gefährlich?
Hort: Der Eyjafjallajökull ist ein Gletscher, unter dem ein Vulkan liegt. Bei diesem Ausbruch hat also eine Interaktion zwischen Wasser und Magma stattgefunden, die letztendlich dazu geführt hat, dass riesige Mengen Wasserdampf erzeugt wurden. Das wiederum hat zu dem hohen Transport von Asche in die Atmosphäre geführt.
Im aktuellen Fall ist kein Wasser oder Eis involviert. Es wird also wahrscheinlich bei diesen Feuerfontänen bleiben, die extrem spektakulär aussehen, aber letztendlich keine Gefährdung durch Asche erzeugen. Es besteht nur eine geringe Gefahr durch vulkanische Gase, und da hängt es von der Windrichtung ab. Aber das ist zum Beispiel für die Luftfahrt völlig unerheblich.
Der Ort Grindavík wurde schon vor Wochen evakuiert. Lässt sich ein Ausbruch wie dieser eigentlich immer vorhersagen oder gibt es auch sowas wie überraschende Vulkanausbrüche?
Hort: Sowohl als auch. Es gibt vulkanische Systeme, die relativ gut zu beobachten sind. Das ist zum Beispiel aktuell auf Island so. Typisch für diese Eruption ist, dass sie mit einem Eindringen von Magma in eine Gesteinsspalte verknüpft ist. Man kann bei dieser Art von Vulkanismus sehr gut nachverfolgen, in welche Richtung das Magma eigentlich fließt und abschätzen, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein Ausbruch stattfindet.
Das ist deutlich einfacher als bei Vulkanen wie zum Beispiel dem Marapi auf der Insel Sumatra, der vor Kurzem ausgebrochen ist und Menschen gestorben sind. Da gab es keine Anzeichen, gar nichts. Das liegt zum einen daran, dass Indonesien nicht die Möglichkeiten hat, alle Vulkane genau zu überwachen. Aber es gibt Eruptionen, die man tatsächlich nicht vorhersehen kann. Selbst in einem Land wie Japan, das seine Vulkane sehr gut überwacht, ist das vor einigen Jahren passiert.
Gefahr durch Ausbruch in Deutschland? Die Eifel gilt als aktives Vulkangebiet
Ist ein Ausbruch wie der auf Island aktuell auch in Deutschland möglich?
Hort: Nein, prinzipiell ist so ein Ausbruch wie auf Island in Deutschland nicht möglich, weil Deutschland nicht an einem mittelozeanischen Rückensystem hängt. Deutschland liegt auf einer kontinentalen Platte. Ob irgendwann in Jahrmillionen mal wieder ein ozeanischer Rücken durch Deutschland gehen wird, müssen wir an dieser Stelle jetzt erst mal nicht diskutieren.
Aber gibt es vulkanische Aktivität in Deutschland?
Hort: Es hat natürlich vulkanische Aktivität in Deutschland gegeben, an verschiedenen Stellen. Der letzte Vulkan, der in Deutschland aktiv war, war der Laacher-See-Vulkan in der Eifel. Der letzte Ausbruch fand vor zirka 10.000 Jahren statt. Deswegen gilt die Eifel auch noch als aktives Vulkangebiet.
10.000 Jahre sind eine sehr lange Zeit.
Hort: 10.000 Jahre sind geologisch gesehen eine Sekunde, weil die Erde 4,5 Milliarden Jahre alt ist. Tektonisch besonders aktive Gebiete wie der Oberrheingraben, die Eifel und der Aachener Raum werden kontinuierlich mit Seismometern überwacht um entsprechende Gefahren frühzeitig zu erkennen. Und noch etwas wäre mir wichtig zu sagen.
Bitte.
Hort: Ich selbst finde Vulkane faszinierend. An oder auf einem Vulkan zu stehen und einen Ausbruch mitzuerleben, ist zutiefst beeindruckend und es macht einen demütig. Es zeigt einem, wie klein man eigentlich ist gegen die Kräfte in der Natur.
Aber ein Vulkanausbruch bedeutet nicht gleich ein Weltuntergangsszenario. Dieser Ausbruch auf Island ist sicher lokal und regional für die Menschen dort eine Katastrophe, da er ihre Lebensgrundlage zerstört und auch viel Infrastruktur verloren geht. Aber nicht für die Erde. Vulkanausbrüche gibt es, seit die Erde tektonisch aktiv ist. Das hat die Erde bis jetzt überlebt, und sie wird es auch weiter überleben.