Berlin. Feinstaub könnte einen weitaus größeren Einfluss auf die Gesundheit haben, als bislang bekannt – und das Risiko nimmt offenbar zu.
Luftverschmutzung durch Feinstaub und zunehmende Antibiotika-Resistenzen könnten miteinander zusammenhängen. Das ist das Ergebnis einer Studie, die im Fachjournal "The Lancet Planetary Health" veröffentlicht wurde. Die Untersuchung umfasst Daten aus 116 Ländern aus den Jahren 2000 bis 2018.
Bereits bekannt ist, dass antibiotikaresistente Bakterien über die Nahrung und Wasser oder den direkten Kontakt mit infizierten Tieren in den menschlichen Körper gelangen können. Über die Luft werden sie etwa durch Aerosole oder Feinstaubpartikel übertragen. Die britisch-chinesische Studie zeigt nun, dass Feinstaub in einigen Regionen ein treibender Faktor für Antiobiotika-Resistenzen sein kann. Warum beides zusammenhängen könnte, hat die Studie nicht wissenschaftlich untersucht.
Die Autoren gehen dennoch davon aus, dass eine Verringerung von Luftverschmutzungen wie Feinstaubbelastung einen zweifachen Effekt haben könnte. Die Luft würde einerseits gesünder, andererseits bekämpfe man so die Verbreitung von antibiotika-resistenten Bakterien.
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Feinstaub-Belastung: Antibiotika-Resistenzen könnten noch zunehmen
Modelle hätten ergeben, dass die Resistenzen bis zum Jahr 2050 weltweit um 17 Prozent zunehmen könnten, wenn keine Maßnahmen zur Bekämpfung der Luftverschmutzung ergriffen würden. Sollte sich die Luftqualität hingegen verbessern, könnten die Antibiotika-Resistenzen bis 2050 im Vergleich um etwa 17 Prozent reduziert werden.
Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO sterben jedes Jahr 1,3 Millionen Menschen, weil Antibiotika bei Infektionen nicht wirken. Die gesundheitlichen Folgen der Resistenzen seien vergleichbar mit denen von Grippe, Tuberkulose und HIV zusammen. Nach Einschätzung der Europäischen Union sind Resistenzen eine der größten Gefahren für die menschliche Gesundheit.
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Studie zu Antibiotika-Resistenzen: "Globale Dimension dieses Zusammenhangs"
Das Zusammenwirken von Luftverschmutzung und Resistenzen war bislang nur in Laborunterschungen festgestellt worden. "Diese umfangreiche Arbeit hat nun die globale Dimension dieses Zusammenhangs aufgezeigt", kommentiert Professor Hans-Peter Hutter von der Medizinischen Universität in Wien die Studie – und erklärt den Mechanismus.
So würden Staubteilchen Bakterien und Fragmente von bakterieller DNA inklusive Antibiotikaresistenz-Gene enthalten. Diese würden etwa aus der Massentierhaltung stammen, an Feinpartikel absorbiert werden und sich mit dem Wind verbreiten.
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Professor Harald Seifert von der Uni Köln schränkt ein: "Der Zusammenhang zwischen Feinstaubbelastung und der Zunahme von Antibiotikaresistenzen ist lediglich eine statistische Korrelation, ob hier auch tatsächlich ein ursächlicher Zusammenhang besteht, ist bisher unklar."
Kritik kommt auch von Professor Martin Göttlicher vom Helmholtz Zentrum München. Plakativ könnte man die Studie so missverstehen, dass Dieselfahrverbote gegen schwere Infektionskrankheiten helfen könnten. "Und das wäre grober Unfug“, so Göttlicher.
Gleichwohl zeige die Studie, dass eine erhebliche Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen in der ganzen Biosphäre stattfinden kann, wenn man sich etwa in Landwirtschaft oder Trink- und Abwassermanagement nicht sorgfältig um die Begrenzung des Eintrags von Mikrobiota kümmert. (bee)
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