Berlin. Biologen ist es offenbar erstmals gelungen, menschliche Embryonen künstlich zu erzeugen. Der Durchbruch wirft ethische Fragen auf.
Ohne Einsatz von Eizellen oder Spermien: Wissenschaftler in Großbritannien haben nach eigenen Aussagen zum ersten Mal menschliche Embryonen komplett auf künstlichem Wege im Labor erschaffen. Anders als bei einer künstlichen Befruchtung sind die Embryonen nicht durch die Verschmelzung einer natürlichen Eizelle mit einer natürlichen Samenzelle entstanden, sondern stattdessen durch die Herstellung aus embryonalen Stammzellen. Bisher war es Forschern nicht gelungen, menschliche Embryonen ohne Keimzellen zu erzeugen. Als erstes hatte der britische „Guardian“ über den Durchbruch berichtet.
Menschliche Embryonen künstlich im Labor erzeugt
Die nun im Labor erzeugten menschlichen Modell-Embryonen sollen laut den Wissenschaftlern natürlichen Embryonen in den frühesten Stadien der menschlichen Entwicklung ähneln. Die Gebilde besitzen den Angaben zufolge weder ein schlagendes Herz noch die Anfänge eines Gehirns oder Gliedmaßen. Sie enthalten aber Zellen, aus denen sich normalerweise die Plazenta (Mutterkuchen), der Dottersack und der Embryo selbst bilden würden.
Die kürzlich erzeugten Modell-Embryonen könnten nach Ansicht der Forscher wichtige Einblicke darin geben, wie sich genetische Störungen in der Entwicklung des Embryos auswirken und welche biologischen Ursachen es für wiederkehrende Fehlgeburten geben könnte.
Die vollständigen Einzelheiten der Arbeit, die am Cambridge-Caltech-Labor entstanden ist, müssen noch in einer Fachzeitschrift veröffentlicht werden. Prof. Magdalena Żernicka-Goetz von der Universität Cambridge und dem California Institute of Technology hatte die Ergebnisse in einem Vortrag am Mittwoch auf der Jahrestagung der Internationalen Gesellschaft für Stammzellforschung (ISSCR) in Boston vorgestellt.
Künstliche Embryonen knapp über 14 Tage alt
„Wir können durch die Reprogrammierung von (embryonalen Stamm-)Zellen menschliche embryoähnliche Modelle schaffen“, sagte sie laut „Guardian“ auf der Tagung. Sie beschrieb auf der Konferenz, wie sie die Embryonen bis zu einem Stadium kultiviert hat, das knapp über das 14-tägige Entwicklungsstadium eines natürlichen Embryos hinausgeht. Die britisch-polnische Entwicklungsbiologin gilt als führend auf dem Gebiet der synthetischen Biologie.„Soweit ich weiß, ist dies das erste Mal, dass jemand menschliche Embryonen mit diesem Ansatz erzeugt. Daher halte ich es für einen Durchbruch oder zumindest sehr neu“, kommentierte Prof. Malte Spielmann, Direktor des Instituts für Humangenetik am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, die Arbeit.
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Zwar soll in naher Zukunft laut der Forscher keine darauf Aussicht bestehen, die künstlich erzeugten Embryonen für klinische Zwecke einzusetzen. Dennoch wirft der Durchbruch der Biologen viele ethische Fragen auf. Derzeit ist es laut den aktuellen Richtlinien der ISSCR nicht nur in Großbritannien oder Deutschland, sondern weltweit untersagt, so erzeugte Embryonen in die Gebärmutter einer Patientin einzupflanzen. Zudem sei derzeit noch unklar, ob die Gebilde aus dem Labor überhaupt das Potenzial besitzen, über die frühesten Entwicklungsstadien hinaus weiter zu reifen.
Embryonen ohne Eizellen und Spermien: Forscher wollen neue Einblicke
In erste Linie geht es den Wissenschaftlern darum, die sogenannte „Black Box“-Phase der Entwicklung besser zu verstehen. Der Name kommt daher, weil Forscher Embryonen im Labor in Großbritannien und vielen weiteren Ländern nur bis zu einer gesetzlich festgelegten Grenze von 14 Tagen kultivieren dürfen. Danach müssen diese vernichtet werden. Die Richtlinien orientieren sich maßgeblich an einer Leitlinie der ISSCR aus dem Jahr 2016. Erst viel später können sie den Entwicklungsverlauf anhand von Ultraschalluntersuchungen bei Schwangeren und für die Forschung gespendeten Embryonen nachvollziehen.
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„Die Idee ist, dass man, wenn man die normale menschliche Embryonalentwicklung mit Hilfe von Stammzellen modelliert, sehr viele Informationen darüber gewinnen kann, wie die Entwicklung beginnt und was schief gehen kann, ohne dass man frühe Embryonen für die Forschung verwenden muss“, erklärte Robin Lovell-Badge, Leiter der Abteilung für Stammzellbiologie und Entwicklungsgenetik am Francis Crick Institute in London.
Gesetzgebung hinkt hinterher
In den vergangenen Jahren war die keimfreie Erzeugung von Stammzellen dem Team aus Wissenschaftlern bereits bei Mäusen geglückt, zuvor hatten auch Forscher aus Israel von künstlichen Mausembryonen berichtet. Seitdem ist ein Wettrennen um die Übertragung dieser Arbeit auf menschliche Modelle im Gange.
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Die schnelle wissenschaftliche Entwicklung in diesem Bereich wird von einigen mit Sorge beobachtet, denn die Gesetzgebung hinkt teilweise noch hinterher. Wissenschaftler im Vereinigten Königreich und anderswo seien laut dem „Guardian“-Bericht bereits dabei, freiwillige Leitlinien für die Arbeit an künstlichen Embryonen zu erstellen. „Wenn man davon ausgeht, dass diese Modelle normalen Embryonen sehr ähnlich sind, dann sollten sie in gewisser Weise auch so behandelt werden“, sagte Lovell-Badge. „In der Gesetzgebung sind sie das derzeit nicht. Die Menschen sind darüber besorgt.“ (mahe)