Essen. Angelo Kelly befindet sich auf „Mixtape“-Tour mit seinen Lieblingssongs. Warum „An Angel“ kein Teil des Programms ist, verrät er uns im Interview

Angelo Kelly hat Spaß an Coverversionen. Am vergangenen Freitag erschien seine dritte „Mixtape“-Live-Platte, auf der der 41-Jährige mit seinem langjährigen Kollegen Matthias Krauss wieder berühmte Charthits wie Geheimtipps aus fünf Jahrzehnten neu interpretiert. Passend dazu ist das Ex-Kelly-Family-Mitglied aktuell auf Tour. Wie er die Songs für die Konzerte auswählt und warum sein eigener Nummer-eins-Hit „An Angel“ kein Teil der Shows ist, verrät Kelly im Interview mit Patrick Friedland.

Wie muss ich mir ein Konzert bei der „Mixtape“-Tour vorstellen?

Angelo Kelly: Die erste „Mixtape“-Tour gab es 2014, damals schon mit Matthias Krauss, den ich seit 30 Jahren kenne und der Multiinstrumentalist ist. Während des Konzerts spielen wir verschiedenste Instrumente und fast nur Songs anderer Künstler. Wer wissen will, wie das klingt, findet mit ein, zwei Klicks einige Songs auf YouTube. Es wird zudem nicht die gleiche Show wie im April, als wir das nun erscheinende Live-Album aufgenommen haben.

Worin liegt für Sie die größte Herausforderung bei Covern?

Ich will einen Song so spielen, wie ich ihn gerne hören möchte. Ich habe nie versucht, einen Song nachzusingen, wie man ihn kennt. Das können Coverbands gern machen und hat vielleicht auch eine Berechtigung, ist für mich aber nicht reizvoll. Nehmen wir mal „Don’t Look Back In Anger“ von Oasis. Das Original lädt zum Mitgrölen ein, hat Fußballstadion-Potenzial. Ich hörte in dem Lied aber immer auch etwas anderes, deswegen ist es bei mir eine ganz zarte Ballade. Die Auswahl ist schwierig: Ich habe Hunderte Lieder, die ich liebe, aber da fällt mir keine eigene Version zu ein.

In der Titelliste von „Mixtape Vol.3“ steht mit „Gangsta’s Paradise“ von Coolio auch ein Rap-Stück. Das erwarten eher wenige von Ihnen ...

Ich bin eben ein Kind der 90er und bin mit Oldschool-Rap wie 2Pac, The Roots, Jazzmatazz oder auch Absolute Beginner, etwas später dann Eminem aufgewachsen. Bei neueren Sachen wie Cloud-Rap blicke ich nicht mehr so durch, aber in meiner Plattensammlung ist auch Platz für HipHop.

Sie erzählen auf der Bühne Geschichten zu den Songs.

Ja, bei „Gangstas’s Paradise“ geht es zum Beispiel um „The Masked Singer“, wo ich das vor drei Jahren als Kakerlake performt habe. Wie es da hinter den Kulissen abgeht und wie streng geheim alles ist, was für witzige Sachen dort passieren und was man durchmachen musste.

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Gibt es weitere spannende Erinnerungen, die Sie mit einzelnen Stücken verbinden?

Auf jeden Fall „Johnny B“. Der Songwriter hatte uns in den 80er-Jahren in den USA als Straßenmusiker gesehen und fühlte sich von uns so inspiriert, dass er abends diesen Song schrieb. In den 90ern haben wir die Hooters dann auf einem Festival persönlich getroffen. Sie dankten uns und wir fragten nur „Wofür?“. Und sie sagten nur „Für die Inspiration damals zu einem unserer größten Hits“. Manchmal ist die Welt echt witzig …

„Satanistische Sachen gehen mir zu weit“

Haben Sie irgendwelche Geschmacksgrenzen?

Ein paar Sachen. Ich bin immer offen zu lernen und habe Angst davor, mir irgendwelche Türen abzuschließen. Aber satanistische Sachen gehen mir zum Beispiel zu weit. Das geht nicht gegen Metal generell, System of a Down zum Beispiel finde ich großartig. Es kommt mir eher auf die Intention hinter der Musik an. Ist diese böse, habe ich auf die Musik nicht wirklich Bock.

Gab es schon Rückmeldungen der Künstler, die Sie covern?

Dass die direkt auf meine Versionen reagiert haben, wüsste ich jetzt gerade nicht. Ist ja auch nicht so einfach, manche von denen sind nicht mehr am Leben. Einen Prince will ich in Ehren halten, wenn ich „Purple Rain“ singe. Man hat zu vielen auch nicht ständigen Kontakt, sondern ist sich nur einmal irgendwo begegnet. Das war dann ein großes Glück.

„Ich bin mit gregorianischen Chorälen, aber auch Bruce Springsteen aufgewachsen“

Liefen die gecoverten Songs aus den 80ern und 90ern eigentlich schon früher im legendären Kelly-Bus?

Nein. Mit der „Mixtape“-Reihe will ich eher das, was ich als Teenager angefangen habe, fortführen. Mit 14, mit meinem ersten verdienten Geld, habe ich mir ein HiFi-Gerät gekauft, mit allem drin. CDs, Zweier-Kassettendeck und Schallplattenspieler, Boxen. Kein Hi-End-Kram, aber gut. Die Anlage war für mich das Größte, und ich habe aus den verschiedenen Tonträgern für Freunde verschiedene Mixtapes zusammengeschnitten. Manchmal Grunge-lastig, manchmal mit ganz verschiedenen Sachen, auch mit Songs zum Entdecken, die man jemandem vorschlagen will. So will ich das jetzt auch für die Fans. Die große Zeitspanne reflektiert meinen Musikgeschmack, wie er immer schon war. Ich bin mit gregorianischen Chorälen aufgewachsen, aber auch mit Bruce Springsteen oder Francis Cabrel, Gospel, Flamenco und später amerikanischem Rock’n‘Roll.

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Im Februar veröffentlichten Sie das Album „Grace“. Es sind aber dazu keine Shows geplant, wie es scheint.

Da brachte Corona viel durcheinander. Die „Mixtape“-Konzerte im Frühjahr mussten wir zweimal verschieben und haben noch die Open-Airs drangehängt. „Grace“ war ein ganz anderes Projekt, an dem ich vor den verschobenen Terminen arbeitete. Was die Live-Konzerte angeht, will ich eben nicht auf mehreren Hochzeiten gleichzeitig tanzen. Nächstes Jahr gibt es wieder neue Musik von mir, die wird einen stärkeren irischen Touch mit Rock-Elementen haben und dazu eine Tour. „Grace“ hat den Leuten Spaß gemacht, ging gut in die Charts, hat sich gut verkauft, aber ich hatte keine Zeit, dazu eine Tour zu machen.

Gibt es einzelne „Grace“-Songs auf der „Mixtape“-Tour?

Nein, ich bin da knallhart und trenne das. Genauso wie ich fast nie alte Kelly-Songs aus den 90ern spiele. Ich habe mich sehr früh von solchen Sachen befreit. Das Publikum gibt mir ein Grundvertrauen und sagt „Ok, Angelo wird uns schon etwas Tolles bieten“. Das ist natürlich wunderbar.

„Ich empfinde keinen Hass für ,An Angel’, aber ...“

Wie reagieren Sie, wenn sich viele „An Angel“ wünschen?

Ich sag mal so: Über viele Jahre bin ich regelmäßig zu Bruce Springsteen gegangen. Und er hat eine Zeit lang „Born In The USA“ nicht gespielt. Ich gehöre zu der Art von Personen, die einfach nur ein gutes Konzert sehen will und dann glücklich nach Hause fährt. Es gab aber auch Leute, die dann unzufrieden waren, weil der eine Hit, diese drei, vier Minuten nicht kamen, obwohl die Show drei Stunden ging und sie hatten eigentlich total viel Spaß hatten. Verstehe ich nicht. Ich finde es wichtig, dass ein Musiker im Moment da ist und nicht wie ein Zombie irgendwelche Lieder runterspielt, alles automatisch auf der Bühne abspult, während er mit dem Kopf eher schon bei der nächsten Einkaufsliste ist. Ich empfinde keinen Hass für „An Angel“, aber ich habe mir immer erlaubt, nicht davon oder von irgendetwas Anderem gefangen zu sein.

Gibt es weitere Beispiele?

„I Can’t Help Myself“. Das war ja auch in zehn Ländern Nummer eins. Spiele ich sehr selten, aber auch aus einem anderen Grund. Als Teenie habe ich das für meine Frau geschrieben, als sie noch nicht meine Frau war. Ich wollte den nie zu oft spielen, weil ich nie das Gefühl haben wollte, dass es sich abnutzt. Alle drei, vier Jahre packe ich es mal ins Programm, wenn ich das Gefühl habe, dass ich voll mit dem Herzen drin bin. Aber dann nehme ich es wieder raus, bevor ich zu sehr abstumpfe. 99 Prozent des Publikums, das seit Jahren zu mir kommt, weiß das aber und schätzt das auch.

Ist ja auch kein Einzelfall in der Branche.

Eben. Nehmen wir mal Helge Schneider. Die Leute, die da nur an „Katzeklo“ denken, haben eigentlich keine Ahnung, was er macht. Ich gehe, so oft ich kann, zu seinen Konzerten und wenn „Katzeklo“ passiert, ist das eher der Moment, wo ich kurz aufs Klo gehe (lacht). Er macht es manchmal so, dass er es nur anspielt und das Publikum singen lässt. Wer da im Publikum sitzt und sich über dieses Lied am meisten freut, hat nicht verstanden, wer da vor ihm auf der Bühne steht. Wir Menschen haben manchmal zu spezifische Erwartungen. Ich bin auch so einer, der vor einem Kinobesuch keinen Trailer sehen will, es muss überraschend sein.

Was anderes: Auch die Musik-Karriere Ihres Sohnes Gabriel nimmt immer mehr Fahrt auf. Inwiefern helfen sie ihm?

Er macht alles sehr eigenständig, ich versuche, mich ständig auf dem Laufenden zu halten. Manchmal kommt er aber in Situationen, die neu für ihn sind und fragt mich. Am Anfang, so vor drei, vier Jahren, gab ich ihm möglichst viele Ratschläge. Zum Beispiel wenn es um die Rechte an seinen Songs geht, um Plattenfirmen und Manager. Als Vater ist es meine Aufgabe, ihn da zu warnen. Es gibt gute Leute im Geschäft, die Bescheid wissen und sehr teuer sein können und es gibt gute Leute, die Bescheid wissen und falsche Intentionen haben. Aber er hat mit mir und uns als Familie natürlich auch viel gelernt in den vergangenen Jahren.

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Wie oft sehen Sie eigentlich noch ihre Geschwister?

Dass sich die ganze Familie trifft, ist selten. Dafür leben wir in zu vielen verschiedenen Ländern und haben zu volle Terminkalender. Manchmal klappt es, letztens zum Beispiel bei Joeys 50. Geburtstag, sonst oft zu Hochzeiten oder Beerdigungen. Aber es gibt keine festen Rituale, wann wir uns sehen. Es hängt vieles von der Beziehung zu den einzelnen Geschwistern ab, zu manchen habe ich täglich oder wöchentlich Kontakt, bei anderen ist es weniger, das ist ja ganz normal in Familien. Jedenfalls sehen wir uns nicht nur bei gemeinsamen Auftritten, das wäre ja auch traurig.

>>> INFO: Angelo Kelly live

Angelo Kelly live auf „Mixtape“-Tour: 3.8. Dinslaken (20 Uhr, Burgtheater), 13.8. Unna (17 Uhr, Platz der Kulturen). Karten ab ca. 40 €.