Essen. In seinem siebten Fall bekommt es „Das Quartett“ im ZDF-Samstagskrimi mit einer zunächst sprachlosen Frau und einer Sekte zu tun.
Eine junge Frau sitzt völlig verstört im Tunnel eines Leipziger Vorstadtbahnhofs. In ihren Schoß hat sie eine Tote gebettet, die ihr wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Es ist ihre Zwillingsschwester, und das bedeutet konkret: Es handelt sich um die gleiche Schauspielerin, um Emma Floßmann. Für einen kurzen Moment sieht man bestätigt, was man bereits weiß: Dass digitaltechnisch alles möglich ist. Doch darum geht es in dem siebten Fall für „Das Quartett“ nicht. Im Mittelpunkt steht „Das Schweigen“ (am Samstag, 25. Mai um 20.15 Uhr im ZDF sowie in der Mediathek).
Maike Riem (Anja Kling), Pia Walther (Annika Blendl), Christoph Hofherr (Shenja Lacher) und Linus Roth (Anton Spieker) stehen diesmal vor einer besonderen Herausforderung. Julia Kuschke könnte vermutlich den entscheidenden Hinweis auf den Mord an ihrer Schwester Anna geben, könnte jedenfalls berichten, was im Bahnhof passiert ist. Doch Julia ist tief traumatisiert und sagt kein Wort, kapselt sich ab.
„Das Quartett – Das Schweigen“: Subtil und überzeugend gespielt
Im Episodentitel ist schon angedeutet, dass Julia, also Emma Floßmann, kaum den größten Dialoganteil haben wird. Doch dieses Schweigen hält über eine Stunde an, und wie die junge Nachwuchsdarstellerin diese Zeit füllt, wie sie – von Regisseur Elmar Fischer klug geleitet – gar nicht erst versucht, den Mangel an Text durch überzogenes Spiel zu kompensieren, wie allein ihr weltentrückter Blick und kleinste Mikro-Expressionen den Zuschauer unwiderstehlich anziehen wie ein Schwarzes Loch, das allein macht diese Geschichte so außergewöhnlich.
Die etwas verquere Story (Buch: Judith Angerbauer) selbst ist nur mäßig spannend. Linus, als leicht autistischer Technik-Nerd besonders empfindsam, versucht, Julias Vertrauen zu gewinnen. Befragungen der Junkie-Eltern – die, wie einige andere Randfiguren, schrecklich plakativ gezeichnet und zudem nicht immer glücklich besetzt sind – bringen nichts. Die Schwestern haben mit den Eltern gebrochen, Anna hat eine Zeit lang als Prostituierte gearbeitet. Dann stellt sich heraus, dass beide Schwestern bis vor kurzem einer sektenartigen Gemeinschaft um den so charismatischen wie manipulativen Guru Raphael Wegner (Torben Liebrecht) angehörten. Bei dieser überwiegend aus Frauen bestehenden Gruppe, die fernab der Gesellschaft im Polenzer Wald lebt, stoßen Maike und das Team aber nur auf eine Mauer aus Angst und Misstrauen.
Nur eine interessante Nebenfigur
Mit den Zwillingsschwestern und der Gemeinschaft verbunden ist auch Jago Gross, ein ehemaliger Kollege von Chris Hofherr aus gemeinsamen Zeiten bei der Sitte. Dieser Gross ist, auch dank Mathis Reinhardts differenziertem Spiel, die einzig interessante Nebenfigur, und man fragt sich lange, ob hier nicht tatsächlich die alte Redensart „Nomen est omen“ greift („Jago“, der Fiesling aus Shakespeares „Othello“). Schließlich schleust sich Pia Walther, die immer noch ein wenig mit dem Team-Geist fremdelt, gegen den Rat von Maike Riem in Wegners Gemeinschaft ein, Linus Roth durchbricht Julias Sprach-Sperre, und dann geht alles ganz schnell und in eine völlig andere Richtung.
Drei von fünf Sternen.