Berlin. Einen Golden Globe hat er schon bekommen, nun wurde er dafür auch Oscar-nominiert: Adrien Brody über den Ausnahmefilm „Der Brutalist“.

Einen Golden Globe hat Adrien Brody dafür schon gewonnen, seit Donnerstag ist er nun auch oscar-nominiert für „Der Brutalist“: ein Mammut-Werk, ein Epos, ein absolutes Wagnis. Ein dreieinhalbstündiger Film über die Biographie eines fiktiven ungarisch-jüdischen Star-Architekten, der Buchenwald überlebt hat und nach dem Krieg in die Vereinigten Staaten flieht. Für Adrien Brody ist es die Rolle seines Lebens – 22 Jahre nach seinem Oscarerfolg für „Der Pianist“ und nach vielen mittelmäßigen Filmen in Hollywood eine Art zweiter Frühling. Beim Gespräch via Zoom erstarrt er mehrmals vor Ehrfurcht vor seiner eigenen Leistung, ist bescheiden und reflektiert, zu Tränen gerührt ob seiner eigenen Gedanken.

Mr Brody, „Der Brutalist“ muss schon auf dem Papier, im Drehbuch monumental gewirkt haben. Ein tiefgründiges und sehr intimes Epos. War Ihnen da schon klar, was Ihnen der Film schauspielerisch abverlangen wird?

Adrien Brody: Oh ja, das habe ich in jeder einzelnen Seite, in jedem einzelnen Dialog und zwischen den Zeilen gelesen. Allein wie nuanciert Brady Corbet das alles verfasst hat. Nuanciert und eloquent. Überlegen Sie mal, der Film hat eine eingebaute Pause, eine Ouvertüre. Das muss man sich erstmal trauen.

Und ihre Figur des Laszlo Toth?

Absolut komplex. So etwas gibt es nicht oft, das ist eine Rolle, für die jeder Schauspieler sterben würde. Es hat mich auf so vielen Ebenen angesprochen. Ich habe den Ehrgeiz im Film gesehen, ebenso wie die Herausforderung für mich. Ein Film, so groß, dass die eigene Leistung daneben ganz klein wird.

Lesen Sie auch: Cameron Diaz und Jamie Foxx im Interview: „Ein Comeback für uns beide“

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von Youtube, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Im letzten Jahr hat Christoper Nolan mit Oppenheimer von einem Weltenzerstörer erzählt, ihre Figur ist gewissermaßen ein Weltenerschaffer. Beide kommen aus derselben Epoche. Warum greifen wir immer wieder auf diese großen Persönlichkeiten aus der Vergangenheit – auch wenn sie fiktiv sind – zurück, um über die Gegenwart zu erzählen?

Wie viel Zeit haben wir? (lacht) Historisch gesehen ist es offensichtlich eine Zeit, die unsere Welt geprägt und umgestaltet hat. Beide Figuren, real und fiktiv, erzählen von der Sehnsucht nach Akzeptanz und kreativer Erfüllung. Natürlich sehnen sich die meisten Menschen danach, etwas aufzubauen, nicht zu zerstören, etwas zu erschaffen, das von Dauer ist. Insbesondere als Künstler. Das gilt für Architekten genauso wie für mich als Schauspieler.

Gibt es weitere Parallelen zu Ihnen selbst?

Ich kann die Erfahrungen von Einwanderern nachvollziehen, die Entbehrungen, die Opfer und die Widerstandsfähigkeit der vielen Menschen, die gezwungen waren und werden aus schrecklichen Verhältnissen zu fliehen. In der Hoffnung, ein neues Land zu finden, in dem sie willkommen sind und ein Gefühl von Heimat finden.

Oscar-Nominierungen 2025 -
Brody (l.) mit Guy Pearce als Gegenspieler in „Der Brutalist“. © DPA Images | Lol Crawley

Sie meinen die Erfahrungen ihrer eigenen Familie?

Ja, das ist kein Geheimnis, ich spreche oft und gerne darüber. Über die persönlichen Schwierigkeiten meiner Mutter und meiner Großeltern, die in den 50er-Jahren aus dem vom Krieg zerrütteten Europa fliehen mussten, als Flüchtlinge nach Amerika kamen und dort ein neues Leben begannen. Ich hoffe, dass wir durch die Reflexion der Schrecken der Vergangenheit eine neue, klarere Perspektive für die Gegenwart bekommen. Ein Verständnis dafür, wie wir das Hier und Jetzt verbessern können. Wenn ich als Schauspieler mit einem Film wie „Der Brutalist“ dazu beitragen kann, dann habe ich viel erreicht. Vielleicht sollte ich an dieser Stelle auch noch erwähnen, dass ich das viele Fluchen im Film eins zu eins von meinem Großvater übernommen habe. Er war in vielerlei Hinsicht mein Vorbild.

Wann und wie haben Sie gemerkt, dass der Film nicht nur für Sie, sondern auch für das Publikum etwas Besonderes ist?

Tatsächlich erst bei der Weltpremiere in Venedig. Wissen Sie, ich würde mich eher vorsichtig als Pessimist bezeichnen, nicht unbedingt als Optimist. Mein Glas ist immer eher halbleer als halbvoll. Das ist ein Abwehrmechanismus, den ich mir über die Jahre meiner Karriere antrainiert habe. Ich wusste um das große Potential des Films, um das große Potential meines Regisseurs Brady Corbet. Aber was er da erschaffen hat, hat all meine Erwartungen übertroffen.

Lesen Sie auch: Bestseller-Autor Sebastian Fitzek: „Ich kann nachts gut schlafen“

Brady Corbet und Adrien Brody
Zwei glückliche Gewinner: Bei den Golden Globes wurde Brady Corbet als bester Regisseur und Adrien Brody als bester Drama-Schauspieler ausgezeichnet. © DPA Images | Chris Pizzello

Wie haben Sie die Uraufführung des Films auf dem Festival von Venedig erlebt?

Allein den Film das erste Mal mit einem Publikum zu teilen, ist schon viel. Lachen Sie bitte nicht, aber man hat es schon im Saal gespürt, da lag so ein Knistern in der Luft. Das war einzigartig. Es ist immer ein unvergesslicher Moment, wenn all die harte Arbeit Früchte trägt. Aber um ehrlich zu sein, ist es über 20 Jahre her, dass ich das letzte Mal Zeuge davon werden durfte, dass ein Film, in dem ich die Hauptrolle spielen durfte und der eine unglaubliche Komplexität hatte, das Publikum um mich herum so berührt hat, dass alle weinten. „Der Pianist“ ist tatsächlich 22 Jahre her. Hier schließt sich jetzt ein Kreis. Ein Kreis, vor dem ich große Ehrfurcht habe. (Adrien Brody wischt sich vor Rührung selbst eine Träne aus dem Augenwinkel.)

Was war für Sie die größte Herausforderung?

Die Zeit und das Geld. Das Drehbuch habe ich schon vor über fünf Jahren gelesen. So lange hat es gedauert, bis der Film überhaupt realisiert werden konnte. Es ist nicht einfacher geworden, unabhängige Filme zu machen. Filme mit einer Vision, mit einer komplexen Geschichte sind fast ein Ding der Unmöglichkeit. Als Schauspieler ist das nochmal ein anderer Druck. Ich weiß, dass mein Name für Brady Corbet einige Türen geöffnet hat. Aber versetzen Sie sich mal in seine Lage. Der Mann hat eine filmische Vision, will sich auf die Kunst konzentrieren und ist dann nur damit beschäftigt, um Geld zu betteln. Das schafft auch für uns schauspielende Zunft eine neue Form des Drucks.

Auch interessant

Inwiefern unterscheidet sich Brady Corbet von anderen Regisseuren, mit denen Sie zusammengearbeitet haben?

Was ich definitiv mitgenommen habe: es gibt Dinge, für die es sich zu kämpfen lohnt. Die Schönheit und Bürde des Filmemachens zugleich ist, dass man das Ruder in der Hand hat. In der Hand haben sollte. Es gibt andere Faktoren, Einflüsse von Außen, die die Arbeit beeinflussen. Die finanziellen Mittel eben. Aber der Schlüssel liegt für mich in der Kommunikation und im Respekt. Wenn das beides nicht gegeben ist, dann kommt es schnell zu Differenzen und Bitterkeit. Film ist immer vor allem auch eine emotionale Arbeit. Wer das nicht versteht und der Leidenschaft keinen Raum lässt, der scheitert. Corbet und ich sprechen da zum Glück die gleiche Sprache.