Essen. Der Autor gewann mit seinem Verlagsdebüt den Deutschen Krimipreis in der Sparte „National“. Der Roman spielt in der Donauflut 2024.

Weit verbreitet sind in der europäischen Literatur Romane, die die Geschichte eines Hauses erzählen – oder besser: der Familien, die es bewohnen, oft genug bis zu deren meist beklagenswertem Ende. Die „Buddenbrooks“ von Thomas Mann sind hierzulande immer noch der bekannteste Fall. Dagegen ist der schmale Roman „Das Haus in dem Gudelia stirbt“ von Thomas Knüwer, mit dem wir aus gegebenem Anlass ins neue Jahr starten, eindeutig eine Schwundform dieser Gattung – aber nicht ohne morbiden Reiz.

Gudelia ist eine ältere Dame vom Jahrgang 1943, also 81 Jahre alt, als Anfang Juni 2024 die „Jahrhundertflut“ die Donauregion verwüstet (wie man nachschlagen kann), auch das fiktive Dorf Unterlingen mit seinen kaum 500 Einwohnern, und nicht zuletzt das anderthalbstöckige Haus, das Gudelia gehört und nun einsturzgefährdet ist, auch wenn sie ihm ein STATIK-OK aufgepinselt hat. Sie haust mit dem ihr zugeschwommenen Ferkel namens Stephanus (nach einem frühchristlichen Märtyrer!) ohne Strom im Obergeschoss, während das Parterre von der Stinkeflut nebst Kadavern aus der örtlichen Schweinezucht durchgespült wird; nicht zu vergessen die zwei mit Kabelbindern gefesselten Menschenleichen. . .

Thomas Knüwer gewann mit „Das Haus in dem Gudelia stirbt“ den Deutschen Krimipreis 2024

Das alles könnte man zur Not als realistische Groteske durchgehen lassen, würden sich nicht Schritt für Schritt weitere und tiefere Abgründe auftun. Das geschieht aber interessanter Weise dadurch, dass der Autor durchweg Gudelia selbst erzählen lässt, in einem endlosen Rede- und Gedankenstrom, den er jedoch durch mehrfache Umstellungen und Rückblicke in die Jahre 1984 und 1992 strukturiert.

Dabei ist es vor allem der schmerzhafte, niemals verarbeitete Verlust von Gudelias Sohn Nico, der in einer Sommernacht 1984 das Landjugendfest nicht mehr überlebt und die Mutter in eine Trauer zwingt, dessen Unbedingtheit und Maßlosigkeit an die antike Sagenwelt erinnert.

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Der Autor Thomas Knüwer, der keineswegs aus Niederbayern stammt, aber immerhin aus dem Münsterland, ist ein Neuling in der Krimiszene. Die hat er besonders durch seine originelle Erzählweise offenbar so sehr verblüfft, dass ihm die Jury des Deutschen Krimipreises noch im Dezember 2024 ihren 1. Preis in den Kategorie „National“ zugesprochen hat. Nun dürfen wir gespannt sein, ob und wie es weitergeht.

Thomas Knüwer: Das Haus in dem Gudelia stirbt. Pendragon Verlag, 297 S., 20 €.