Köln. Greg Gonzalez haucht seine versauten Texte ins Mikro und die Lanxess-Arena schmilzt: Warum man sich Cigarettes After Sex kaum entziehen kann.

In Pressetexten stehen zuweilen seltsame Dinge. So kann man über Cigarettes After Sex lesen, das sei eine Band, „die so langsam und leise spielt, dass man sich fragt, ob sie überhaupt da ist“. Mit einem Sänger, dessen Stimme „so sanft ist, dass man fast vergisst, dass er überhaupt singt.“ Sonntag in der Kölner Arena besteht kein Zweifel daran, dass Drummer Jacob Tomsky, Bassist Randy Miller und Sänger und Gitarrist Greg Gonzalez real existieren. Allein schon deshalb, weil jede Bewegung des bärtigen Frontmanns mit ohrenbetäubendem Kreischen quittiert wird. Die Arena ist voll bis unters Dach.

Die Musik des Trios aus El Paso, Texas, klingt entrückt, elegisch, pointillistisch zart dahingetupft. Hätte man Böses in Sinn, könnte man auch sagen, ziemlich depri. Wären da nicht die Texte, in denen viel gekokst, getrunken und gevögelt wird. Der intellektuelle Über- und Unterbau aber macht es möglich, ein Opernhaus im tiefsten Dschungel zu bauen und ein Konzert mit Filmmusik aus Jean-Luc Godards „Die Verachtung“ von 1963 zu eröffnen.

Über allem liegt der Raureif des Retrospektivischen

Bei Cigarettes After Sex reimt sich Lips, Lippen, auf Apocalypse, Apokalypse, und wenn die quadratischen schwarzen Bühnenplattformen auf den silbernen Stelen vom Nebel geflutet werden, dann wirkt das so, als könne Gonzalez übers Wasser gehen. Genezareth lässt grüßen.

Wie auch auf den Covern ihrer drei (2017, 2019 und 2024 erschienenen) Alben, EPs nicht mitgerechnet, ist die Konzert-Optik auf Schwarzweiß reduziert: ein weißer Vollmond vor der Nachtschwärze des Himmel, Schneeflocken, die ins Dunkel herab rieseln, dazu die schwarzen Plattformen und der weiße Nebel, auch die Spots sind immer weiß. Nur wenn sie, wie Suchscheinwerfer kreisend, Teile des Publikums im Innenraum sichtbar machen, kommt ein bisschen Farbe ins hochartifizielle Spiel. Und ein bisschen Alltäglichkeit.  

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Über all dem liegt der Raureif des Retrospektivischen, in dessen Zentrum der neue, moderne Messias der Melancholie steht. Dessen hauchend belegte Stimme ihresgleichen sucht. Weil man, bei geschlossenen Augen oft nicht sagen kann, ob hier ein Mann singt oder eine Frau. Oder jemand, der beides zugleich ist. Selbst eine wie Taylor Swift kann sich diesem Zauber nicht entziehen. Und reiht sich, ebenso wie David Lynch, Lana del Ray und zahlreiche andere Promis ein in den Kreis derer, die sich zu den Fans des 42-jährigen zählen.

Bis Ende März spielen Cigarettes after Sex mehr als 60 Konzerte weltweit

Seit Ende August 2024 ist die Band, deren Namen auf eine Frau zurückgeht, die den bis dato nichtrauchenden Sänger auf den Geschmack postkoitalen Nikotins brachte, unterwegs auf Welttournee. Bis Ende März 2025 stehen mehr als 60 Konzerte auf fünf Kontinenten an. Zwölf davon in Europa, nur zwei in Deutschland. Nach Berlin war Köln die zweite Station der US-Amerikaner, die inzwischen ein üppiges Zahlenwerk vorweisen können: mehr als 2,5 Millionen verkaufte Tonträger, 3 Milliarden Spotify-Streams, über 17 Millionen Hörer pro Monat, bei YouTube haben sie die 800 Millionen-Marke geknackt.

Dass es in Köln nur für 81 Minuten Spielzeit reicht, inklusive einer Zugabe, nimmt sich hingegen bescheiden aus.