Dortmund. In der Dortmunder Westfalenhalle sind die ersten Ränge schon leer, als Sum 41 eine fünfte Zugabe spielen: mit einer ganz besonderen Gitarre.

Keine glücklichen Songs mehr, jetzt sei die Zeit, um wütend zu werden, ruft Sum41-Frontmann Deryck Whibley seinen Fans in Dortmund bei einem ihrer letzten Deutschlandkonzerte zu. Während an diesem denkwürdigen 6. November politisch so vieles auseinandergebrochen ist, in den USA und in Deutschland, finden tausende Fans drei Stunden lang Zerstreuung im Punk.

Über Politik verlieren die Kanadier an diesem Abend in der nicht ganz ausverkauften Westfalenhalle kein Wort. Sie lassen lieber die Musik sprechen. 22 Jahre ist es her, dass Sum 41 unter dem Eindruck von 9/11 den Song „Still waiting“ veröffentlichten. Leider warten sie auch kurz vor dem für Anfang 2025 angekündigten Band-Ende noch immer darauf, „to this world to stop hating“, dass der Hass auf dieser Welt aufhört.

Reise durch 30-jährige Bandgeschichte

Wie schon beim Ruhrpott-Rodeo gönnen Sum 41 ihren Fans kaum Atempausen: Whibley animiert bei nahezu jedem Song zum Springen, Schreien, Ausrasten; dirigiert ein Meer aus wogenden Armen und stimmt „Heeeeey!“- und „Hooooo!“-Chöre an. Schon beim zweiten Stück, dem „Hell Song“, bilden sich die ersten Circle-Pits, hüpfende Kreise voll schwitzend-grölender Glückseligkeit. Im Minutentakt fangen Ordner Fans im Graben auf, die beim Stagediving ein Bad in der Masse nehmen. Whibley spornt dazu an, mahnt nur, „aufeinander zu achten, das ist die einzige Regel heute Abend!“

Konzert der Punkrock Band Sum 41 am 06.11.2024 in der Westfalenhalle in Dortmund
Viele Fans feierten ein letztes Mal die Punkband Sum 41, die Ende Januar im heimischen Kanada ihr letztes Konzert gibt. © FUNKE Foto Services | Andreas Buck

Die Punkband unternimmt mit ihren Fans eine Reise durch ihre 30-jährige Bandgeschichte: Angefangen vom Debütalbum „Half Hour of Power“ bis hin zum von Fans weniger geliebten „Heaven x Hell“ aus diesem Jahr, gibt es „alte, sehr alte und natürlich auch neue Songs.“ Für das rund 75 Euro teure Ticket bekommen die Fans alles geboten, was es für ein gutes Rock-Konzert braucht: Feuerwerk, Konfetti, ein Stinkefinger zeigendes Skelett als Special-Effect und vor allem aber zwei volle Stunden Livemusik mit nimmermüden Musikern – allen voran der drahtige Whibley springt, singt und hüpft über die Bühne, als hinge sein Leben davon ab. Dabei beweist er immer wieder, dass er auch die leisen Töne beherrscht: Bei „Pieces“ sitzt er selbst am Piano und ersetzt den Schweiß der Fans kurz durch eine Gänsehaut.

Gitarre kehrte nach 21 Jahren zu Deryk Whibley zurück

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Bemerkenswert häufig wechselt Whibley seine Gitarren aus, die Sum 41-Roadies rennen fast so viel wie Whibley selbst. Auch ein ganz besonderes Exemplar präsentiert der Frontmann seinen Fans: „Ich habe diese Gitarre seit meinem 17. Lebensjahr – dann wurde sie 2003 aus meinem Haus gestohlen. Und wisst ihr was: Vor sechs Wochen habe ich sie zurückbekommen“, erzählt Whibley und strahlt dabei wie ein Kind unterm Weihnachtsbaum.

Gleichwohl kein Grund, die Saiten zu schonen: Gegen Ende des Konzerts, mit großen Hits wie „Into Deep“, holen die Musiker nochmal alles raus, aus sich und ihren Instrumenten. Auch Schlagzeuger Frank Zummo überzeugt mit einem Drum-Solo. Nach drei Songs in der ersten Zugabe leeren sich die oberen Ränge bereits, als Whibley für zwei allerletzte Stücke die Bühne betritt, darunter passenderweise „So Long Goodbye“. Einige Minuten lang stehen die fünf Musiker danach noch vor ihren dauerapplaudierenden Fans, bedanken sich etliche Male für die vergangenen 30 Jahre. Und man hat den Eindruck, dass sie das Scheinwerferlicht am liebsten nicht verlassen würden, so sehr kosten Sum 41 ihre letzte Tour aus. Am 30. Januar spielen sie ein letztes Mal live im heimischen Toronto, danach soll Schluss sein. Wie ernst es ihnen damit ist, wird sich noch zeigen.