Köln. „Im Original stellenweise arg weichgespült, beliebig und wenig profiliert“, live hingegen „so erfreulich anders“: die Konzertkritik zu Wanda.
Es beginnt mit einer (verfrühten) Reverenz ans regionale Brauchtum und endet mit einer (missglückten) Coverversion von Annett Louisan. Dazwischen ist Dienstag im Palladium für Wanda und knapp 4000 Fans die Welt in Ordnung. In fast zwei Stunden geht es darum, was ist, „wannst bsoffn bist“, um die Leichtigkeit von „amore“ und die Schwere des Auseinandergehens, ums Gut-Tun des Wehtuns oder einen Inspector im zerknautschten Trench. Party pur mit den Wiener Rockern, die immer noch zu den besten Live-Acts zählen, die man hierzulande erleben kann.
Völlig heil ist diese Welt aber nicht. Seit dem Debütalbum „Amore“ sind zehn Jahre vergangen. Zeit, die keiner komplett unbeschadet übersteht. Auch dann nicht, wenn er soviel Erfolg hat, wie Wanda. Aber vielleicht wird es dadurch noch schwerer? „Man fängt an und träumt und dann wird’s wahr“, sagt Sänger Michael Marco Fitzthum alias Marco Michael Wanda nach „Wir sind verloren“, „und dann verliert man jemand und jemand verlässt dich und dann ist alles anders.“
Schwere Schicksalsschläge für Wanda haben die letzten Jahre geprägt
Echte, wahre Wandaisten wissen, wovon der 37-Jährige spricht. 2022 starb Christian Hummer, Keyboarder und Gründungsmitglied der Band, im Jahr darauf Fitzthums Vater. Und auch „die hässliche Trennung“, von der er in „F*** Youtube“ auf dem aktuellen, sechsten Album „Ende nie“ singt, fiel in diese Zeit. Live kommen die neuen Stücke, von denen lediglich vier auf der Setliste stehen, viel besser rüber, als in der Studioversion.
Was daran liegt, dass die Power, die Fitzthum (mit Gitarre), Gitarrist Manuel „Manu“ Christoph Poppe, Bassist Reinhold „Ray“ Weber und ihre Tourmusiker auf der Bühne entwickeln, das wettmachen, was im Original stellenweise arg weichgespült, beliebig und wenig profiliert klingt. Und weil das im Palladium so erfreulich anders klingt, gibt es auch für die neuen Sachen mächtig Applaus. Besonders mächtig, wenn „Bei niemand anders“ als erste Zugabe gespielt wird. Der Song, der Christian Hummer und dem Vater gewidmet ist, und in dem es heißt: „Bei niemand anders werd’ ich sein, wenn das alles zugrunde geht, bei niemand anders werd’ ich sein, wenn die Welt untergeht.“
Der Titel des Albums „Ende nie“ ist Programm: Liebe ist stärker als der Tod. Mit dem sich die Wandas auch schon früher beschäftigt haben, aber lustiger. Wenn’s um die Post ging, die man einem Sterbenskranken besser gleich ins Spital schickt oder das Grab, das sich eine im Jurassic Park schaufelt, weil sie den falschen Weg in die falsche Stadt nimmt und die falschen Drogen in der falschen Nacht.
Wanda im Palladium: Singen, tanzen, trinken, knutschen
Auch diese Stücke gibt’s an diesem Abend, ebenso wie viele andere Hits. Bei „Bologna“ macht die Tante Ceccarelli gleich zweimal Amore, als Auftakt und als Reprise am Schluss, beide Male begleitet vom seligen Chor des Publikums. Besoffener sein als bei „Ich will Schnaps“ geht kaum, es sei denn man erlebt gerade „Auseinandergehen ist schwer“ und steigt vor lauter Liebeskummer in die Flasche.
Und kaum etwas fühlt sich besser an, als die Aufforderung „Luzia (tu mir weh)“, während „Columbo“, dem doch sonst immer am Ende noch was einfällt, auch diesmal keine schöne Lösung für das Liebespaar parat hat, das gemeinsam in die Glotze schaut, dafür aber kolossalen Kollektiv-Genuss für die verzückte Menge. Glücksgefühle auch bei „Lascia mi fare“, „Meine beiden Schwestern“, „Bussi Baby“ oder „1,,2, 3, 4“. Singen, tanzen, trinken, knutschen.
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Anders als beim Wanda-Konzert letztes Jahr im Palladium gibt es am Sound nichts zu bemäkeln, man versteht auch als Nicht-Fan die Texte. Wort für Wort. Könnte alles so schön sein. Und war’s ja auch. Bis aufs Karnevalslied „Denn wenn et Trömmelche jeht“ mitsamt „Kölle Alaaf“ vom Band am Anfang und, als dritte „Bologna“-Version, die von Annett Louisan gecoverte (auch vom Band) am Schluss. Ja, liebe Wiener, die Session im Rheinland beginnt im November. Aber erst am 11.11. Und gegen Fizthums von vielen „Tschicks“ (Zigaretten) und ehedem getrunkenen Schnäpsen gestählte Stimme hört sich Louisan an wie ein Perserkätzchen, das gerade Sahne geschlabbert hat.