Köln. Auch fast 50 Jahre nach Gründung begeistert der „Nutty Sound“ von Madness. Im ausverkauften Kölner Palladium überrascht der Publikumsmix.

Um 22.28 Uhr legt das Nachtboot nach Kairo ab. Mit sonorem Dampfertuten, schaukelndem Rhythmus und vorangetrieben von mächtigen Saxofonklängen bahnt es sich den Weg in die Ohren von 3000 seligen Menschen. Von denen ein Teil zu diesem Zeitpunkt auch ein Stück weit traurig ist. Nicht etwa, weil ein Boot im Ohr – ein Bild, das zugegebenermaßen ziemlich daneben ist – die Gehörgänge zu sprengen droht, sondern, weil sie wissen, dass Madness ihre Konzerte gern mit „Night Boat to Cairo“ beenden. Und genauso kommt es dann leider, Freitagabend im Palladium.

Auch fast 50 Jahre nach Gründung begeistert der mitreißende „Nutty Sound“ der Briten, die sich 1978 ein Stück des jamaikanischen Ska-Heroen Price Buster als Taufnamen erkoren. Es ist eine ungemein agile, schnelle Musik, mit dominanten Bläsern, die nicht nur die karibischen Offbeats prägten, sondern auch der Punk, der sich Mitte der 1970er anschickte, das Reich von Elisabeth II. zu erobern. Und die sofort in die Beine geht. Für knapp 90 Minuten wird das Palladium zu einer gigantischen Hüpfburg.

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Ganz viele, ganz junge Leute feiern Madness

Das Faszinierende daran: der „rock-steady beat“ von Madness packt nicht nur die, die noch einmal ihre schwarzen Hüte mit den schwarzweißen Schachbrett-Schweißbändern, ihre weißen Hemden, die schmalen schwarzen Hosenträger oder die schmalen, schwarzen Schlipse, die schwarzen Hosen und die coolen Schachbrettmuster-Sonnenbrillen ausgepackt haben. Sondern auch ganz viele, ganz junge Leute, geschätzt kurz nach dem Abi oder dem Ende der Lehrzeit. Ein Mädchen von vielleicht zehn, elf Jahren, das hingerissen „Baggy Trousers“ mitsingt. Und die hinter der Theke, die dazu rhythmisch ihre Putzlappen durch die Luft wirbeln, so, als wären das Poms und sie Cheerleader. Ist das jetzt Kult? Oder Retro? Oder beides? Egal. Es ist großartig!

Britischen Ska-Band Madness gastiert auf ihrer Theatre of the Absurd Presents
Bei ihrer „C’est la Vie“-Tour“ präsentierten Madness neue Songs und Klassiker wie „Our House“ und „It Must Be Love” mit tollem Tenorsax-Solo. © Thomas Brill | Thomas Brill

Frontmann und Zeremonienmeister Graham „Suggs“ McPherson führt souverän, blendend gelaunt und stimmgewaltig durch den Abend. Der hat außer „Night Boat to Cairo“ noch mehr Klassiker vom Debütalbum „One Step Beyond…“ (1979) zu bieten: das Titelstück mit dem legendären Intro, die Verneigung vor „The Prince“, die Verarbeitung der konfliktreichen Beziehung zu „My Girl“, die Erinnerung an den verschwundenen „Bed and Breakfast Man“ und, last but not least, das Prince Buster-Stück, mit dem alles begann: „Madness“.

22 Stücke und viele grandiose Momente

Vier Bläser und sechs (der ursprünglich sieben) Bandmitglieder sorgen dafür, dass sie allesamt so frisch klingen, als seien sie gerade erst erschaffen worden. Aber auch ein neues Stück wie „C’est la vie“ vom 12. Album „Theatre of the Absurd Presents C’est la Vie“, (2023) hat den Nerv und den Flow, der Madness so elektrisierend und unverwechselbar macht.

Für 22 Stücke (mit zwei Zugaben), reicht es an diesem Abend. „NW5“, „The Sun and the Rain“ und „Lovestruck“, „Mr. Apples“, „Our House“ oder „It Must Be Love” mit tollem Tenorsax-Solo schenken viele grandiose Momente, die viel, viel zu schnell vorbei sind. Bis dann um 22.28 Uhr das Nachtboot nach Kairo ablegt. Bei der nächsten Fahrt sind wir wieder an Bord.