Oberhausen. Die Metal-Band thematisiert auf ihrer neuen LP den Fall Peter Stump. Im Oktober kommt das Quintett für ein Konzert in die Arena.
Nun steht es fest: Zum vierten Mal in Folge gelingt Powerwolf mit der neuen Platte „Wake Up The Wicked“ der Sprung auf Platz eins der deutschen Albumcharts. Die Band aus dem Saarland hat weiterhin weltweit Erfolg, Powerwolf haben sich mittlerweile in der internationalen Beletage des Metal festgesetzt. Ende August geht das Quintett zum zweiten Mal auf USA-Tour. Somit werden die Fans in den Staaten die ersten sein, die live in den Genuss der neuen Songs kommen. Erste Shows mit Kapazitäten im mittleren vierstelligen Bereich sind bereits ausverkauft – und auch für die Show in Oberhausen Mitte Oktober sind nur noch einige Tickets im Oberrang sowie hochpreisige Karten in den Suiten verfügbar. Patrick Friedland sprach mit Keyboarder und Organist Falk Maria Schlegel über die neue Platte, Werwolf-Legenden sowie Videodrehs und entlockte dem 48-Jährigen eine Lobeshymne aufs Ruhrgebiet.
„Wake Up The Wicked“ ist mit unter 40 Minuten für Heavy- und Power-Metal-Verhältnisse ein recht kurzes Album. Ist das beim Songwriting für Sie ein Thema?
Falk Maria Schlegel: Gar nicht. Wir haben noch nie darauf geachtet. Wir schreiben die Platte, nehmen auf und beim Mastering fällt uns dann erstmals auf, wie lang oder kurz ein Album ist. Ich finde es interessant, dass so viele Journalisten uns darauf ansprechen. Aber ich denke einfach: Das Album ist, so wie es arrangiert und produziert ist, auf den Punkt gebracht. Klar, du kannst einen Song auch in die Länge strecken, aber der wird dadurch nicht besser.
Der längste mit etwas mehr als vier Minuten ist die erste Single „1589“. Er thematisiert den „Werwolfprozess“ um den Bedburger Peter Stump, der im namensgebenden Jahr hingerichtet wurde, weil er als Werwolf mindestens 16 Morde verübt haben soll. Wie gelangen Sie zu solchen Geschichten – ist es eigene Recherche, purer Zufall oder kommen Fan-Tipps?
Ein bisschen von allem. Meist werden Geschichten Powerwolf-Themen, wenn es eine Mixtur aus Mythologie, Folklore und wahren Begebenheiten gibt. Wenn dann noch ein religiöser Faktor dazukommt, ist es ein gefundenes Fressen für uns. Bei dem Fall gingen Flugblätter bis nach Dänemark und England, auf denen von dem „grausamsten und größten Werwolfprozess Deutschlands“ erzählt wurde, auf einer doch sehr schwammigen Beweislage. Wir wissen bis heute nicht, ob er wirklich ein Werwolf war, ob er ein Mörder war oder ob einfach nur ein Außenseiter, der als Sündenbock an den Pranger gestellt wurde. So nach dem Motto „Wenn Ihr nicht spurt, seid Ihr die nächsten“. Der Fall hat viele Komponenten, die wir sehr spannend finden. Wir wollen eigentlich auch gar nicht wissen, ob die Geschichte wirklich wahr ist. Uns macht es Spaß, an solche Mythologien zu glauben.
Für das Musikvideo sind Sie nach Südengland gereist, die Drehorte sehen durchaus authentisch nach dem 16. Jahrhundert aus – wie war’s?
Sehr aufwendig gedreht, es hat sehr viel Spaß gemacht und war eine krasse Erfahrung, aber auch taff. Wir waren zum einen in Chichester, etwas südlich von Southampton, in einem Freilichtmuseum. Weitere Szenen wurden in unmittelbarer Umgebung eines mächtigen Herrschaftsgebäudes gedreht, an dessen Stirnseite sich ein mystischer Wald anschloss, der mit seinem beeindruckenden oberirdischen Wurzelwerk an die Filmszenen von „Sleepy Hollow“ erinnert. England hat für solche Aufnahmen wirklich tolle Landschaften. Dann hatten wir eine große Cast, ein richtiges Drehbuch, weil wir die Geschichte möglichst real erzählen und das Leid von Peter Stump in den Fokus rücken wollten. Zudem wollten wir einen Kontrapunkt zu den ganzen KI-Videos der heutigen Zeit setzen. Du agierst einfach besser mit realen Menschen und Settings, als wenn du vor einer grünen Wand stehst.
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Wie sieht es in diesen Zeiten mit dem Budget für solche Clips aus? Deichkind erzählten mir mal, dass sie privates Geld in ihre Videos stecken, einfach, „damit es geil wird.“ Wie ist das bei Powerwolf?
Es gibt Budgets, aber du kommst schnell an die Grenzen. Alleine die Logistik und das Mieten der Location … es ist die Krux: Du produzierst ein Video, weil du es machen möchtest, eine Geschichte erzählen und dich von der Masse abheben willst. Performance-Videos sind heutzutage inflationär und damit irgendwann auch langweilig geworden. Bei dem Zitat von Deichkind würde ich mitgehen. Irgendwann sagst du dann als Musiker: Es muss geil werden – koste es, was es wolle.
Im Song „We Don’t Wanna Be No Saints” haben Sie erstmals in der Bandgeschichte einen Kinderchor. Wie kam das zustande?
Den Titel finde ich schon super, weil er eben ausdrückt, dass wir nicht immer nur nach der Norm leben wollen. Mit dem Kinderchor hast du einerseits den Inbegriff von Unschuld und gleichzeitig ein Stilmittel, das gern in Horrorfilmen verwendet wird. Die Idee hatten wir schon länger, aber es hatte sich bislang noch nicht ergeben. Du weißt auch vorher nie, wie es klingt, das muss von der Intonation passen. Unser Produzent hatte dann einen Kinderchor am Start, wir waren mit im Studio und dachten sofort „They nailed it!“, das ist geil, das machen wir“. Zu dem Song kommt jetzt noch ein Video, dass an einem Original-Schauplatz von „Der Name der Rose“ gedreht wurde.
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Auch die Live-Produktionen bei Powerwolf wachsen in Sachen Opulenz parallel zu der Größe der Arenen, die Sie spielen. Wie schwer ist es, da immer noch mal einen drauf zu setzen?
Es ist ein wenig bei den Musikvideos. Wir haben den Anspruch, immer neue Ideen zu entwickeln, haben hohe Ansprüche an uns selbst. Dass immer mehr eigene kreative Ideen umsetzbar sind wegen der steigenden Größe der Hallen, ist natürlich toll. Ich bin selbst ein großer Freund von Show-Elementen. Aber: Ich glaube, dass unsere Konzerte auch dann funktionieren würden, wenn man uns die Show-Elemente wegnimmt. Weil wir auch immer recht wahnsinnig auf der Bühne unterwegs sind, uns nicht nur an unseren Instrumenten festhalten und richtig Spaß haben. Ich denke, dass die Fans das schätzen. Und: Mir sagte noch letztens beim Rock Harz Festival einer der Veranstalter, dass ich vor 20 Jahren live schon so genauso agiert habe, nicht erst, als die Band erfolgreich wurde. Das habe ich als großes Lob aufgefasst.
Apropos Rock Harz: Da haben Sie Fans in einem provisorischen Beichtstuhl deren „Sünden“ abgenommen. Was hatte es damit auf sich?
Die Aktion ging über 3,5 Stunden. Wir hatten den Veranstaltern von vornherein gesagt, dass es kein Zeitlimit geben soll. Aber die Schlange hörte einfach nicht auf. Einige beichteten die wildesten Sünden, andere kamen nur, um mir zu sagen, dass sie gerne einfach nur ein wenig Zeit mit mir verbringen wollten, weil sie die Band so lieben. Das ging mir sehr ans Herz, die haben dann auch ihren Ablassbrief bekommen.
Welche Sünden waren dabei?
Ich habe natürlich das Beichtgeheimnis, aber eine kann ich erzählen: „Ich habe zu viel Popmusik gehört und konnte sogar mitsingen.“ Dann fragte ich, ob die Person denn weiterhin auf Metal-Festivals und zu Powerwolf-Shows gehen wird und sie sagte „Ja“. Natürlich war ihr dann verziehen. Es war eine Aktion, die man humorvoll sehen muss und viel Spaß gemacht hat.
Welche Sünden begehen Sie denn?
Oh Gott …da kann man mich richtig mit in die Pfanne hauen. Aber gut: Ich gucke gerne Trash-TV. Kein Dschungelcamp, aber so Sachen wie die Sendungen mit Frauke Ludowig. Das pfeife ich mir gerne kopfschüttelnd rein. Die Faszination für mich liegt darin, zu sehen, wie man zum Star werden kann, mit Dingen, die gar nicht so viel wert sind. Ich frage mich oft: Was ist eigentlich deine Kunst, was ist es, was du tust? Das ist abschreckend und faszinierend zugleich.
Die ersten Shows zum neuen Album finden in den USA statt. Sie waren 2023 erstmals da – wie war es?
Ich denke gerne daran zurück, dieses Land übt eine gewisse Faszination auf mich aus. Größter Unterschied zu den Konzerten hier ist, dass man sich um Vieles selbst kümmern muss. Die ganze Crew, Ton, Licht – das musst du alles selbst buchen. Das ist der typische US-Ansatz, jeder ist seines Glückes Schmied. Aber es lief super, wir wussten schon nach der ersten Show in New York, dass wir wiederkommen wollen. Die Reaktionen waren irre. Bei mehreren Shows haben die Fans am Ende „U-S-A, U-S-A“ gerufen. Für uns als Deutsche etwas befremdlich, wenn Ländernamen gerufen werden. Mir wurde aber vom lokalen Promoter gesagt, dass das mit das größte Lob ist, dass du als ausländische Band kriegen kannst. Ich werde mich aber weiter politisch zurückhalten und jetzt nicht bei der nächsten Tour eine amerikanische Flagge über die Schultern ziehen.
Wir sprachen schon einmal vor drei Jahren, wo Sie sagten, dass Sie es „lieben, im Ruhrpott zu spielen und durch Läden zu gehen, die noch nach dem Bier vom Vorabend riechen.“ Ist das noch aktuell?
Ja. Gerade Oberhausen ist das beste Beispiel. Beim letzten Mal habe ich in der Arena genau das gemacht. Man sieht einfach diese Bierflecken auf dem Beton (lacht) … Manchmal werde ich als Saarbrücker gefragt, wo ich denn gerne leben würde, wenn ich die Wahl hätte. Ich glaube, ich würde gern im Pott leben. Ich bin fasziniert von diesem Rohen, Ehrlichen. Bochum fand ich auch ganz toll. Im Stadion beim VfL sein, Fiege trinken und im Bermudadreieck rumzulaufen …In anderen Städten habe ich manchmal das Gefühl, etwas Anderes sein zu müssen, als ich bin. In „hippe Communitys“ passe ich aber nicht rein. Im Ruhrgebiet ist das nicht so. Da fühle ich mich wohl.
Powerwolf live: 18.10. Oberhausen (18.30 Uhr, Rudolf Weber-Arena). Mit dabei sind die Vorgruppen Hammerfall und Wind Rose. Karten ca. 70 €.