Essen. Schöne Bilder, hehre Botschaften: „Führer und Verführer“, „To The Moon“, „Ein Stück vom Kuchen“ und „Madame Sidonie in Japan“ laufen an.

„Führer und Verführer“

Das Leben und Wirken des NS-Propagandaministers Joseph Goebbels in den Jahren 1938 bis zu seinem Tod am 1. Mai 1945, aufgezäumt als dokumentarisch-dramatische Filmproduktion. Das von Heinrich Breloer popularisierte Konzept einer Synthese aus Spielszenen, Zeitzeugenaussagen und zeitgenössischem Bildton-Archivmaterial stellt sich hier in den Dienst einer aufklärerischen Zielsetzung, die zwar zuvorderst den Blick zurück in die Geschichte wirft, daraus aber eine Analogie erwirken will, um Hetzer in unserer Zeit zu entwaffnen.

Der anerkannte Brecht-Kenner („Mäckie Messer“) und hoch bewertete Fernsehmacher („Tigerentenclub“) Dr. Joachim Lang erweist sich einmal mehr als Filmerzähler mit Oberlehrerattitüde. Jede Szene, jeder Dialogsatz ist plakativ in den Dienst der hehren Aussage gestellt. Robert Stadlober verkörpert Goebbels am Rande der Karikatur, Fritz Karl ist ein ernst zu nehmender Adolf Hitler, Franziska Weisz eine immerhin facettenreiche Magda Goebbels.

Ob der Film seine aufklärerische Mission bei einem jungen Publikum erfüllen wird, ist eher fraglich. Zu altbacken, zu intellektuell verbrämt, zu selbstbeglückwünschend ist der Gesamteindruck. Dies ist in erster Linie ein Film für Lehrer. (ues)

„To The Moon“

Ein typischer Unterhaltungsfilm moderner Hollywood-Prägung: Szene aus „To the moon“.
Ein typischer Unterhaltungsfilm moderner Hollywood-Prägung: Szene aus „To the moon“. © Sony Pictures | Dan McFadden

Silvester 1968: im NASA-Team auf Cape Canaveral ist die Stimmung aufgekratzt, denn für John F. Kennedys Zielvorgabe vom ersten Mann auf dem Mond werden Zeit und Geld immer knapper. Deshalb bekommt Startdirektor Davis (Channing Tatum) die gerissene Werbefachfrau Kelly Jones (Scarlett Johansson) zur Seite gestellt. Die soll Investoren und Politiker für die kostspielige Mondlandung geneigt halten. Außerdem betreut sie ein streng geheimes Filmprojekt, mit dem das Pentagon einen perfiden Plan verfolgt.

Ein typischer Unterhaltungsfilm moderner Hollywood-Prägung: Attraktiv in Look und Besetzung, hoffnungslos überladen im Inhalt und chaotisch in der Wahl der Stilmittel. Er will Komödie sein mit Hauptaugenmerk auf Geschlechterkampf, geriert sich dabei – unausgegoren – als Farce, bringt aber auch Elemente des Thrillers und der Satire ins Spiel.

Der bislang kaum in Erscheinung getretene Regisseur Greg Berlanti bekommt zwar schöne Bilder hin, aber wenig sonst. Die Chemie zwischen den Stars und die Tatsache, dass Scarlett Johansson in Sixties-Frisuren und Garderoben sehr schick aussieht, retten den Film über die Runden. Aber hier wäre deutlich mehr möglich gewesen. (ues)

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„Ein kleines Stück vom Kuchen“

Wegen des Films „Ein kleines Stück vom Kuchen“ wurden dem Regieteam Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha im Iran die Pässe abgenommen.
Wegen des Films „Ein kleines Stück vom Kuchen“ wurden dem Regieteam Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha im Iran die Pässe abgenommen. © Alamode | Hamid Janipour

Dies ist eine Liebesgeschichte, aber sie erzählt auch von Mut und Widerstand: Als das Regie-Team Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha („Ballade von der weißen Kuh“) seinen Film bei der Berlinale vorstellen wollte, wurden ihnen vom iranischen Regime die Pässe abgenommen. Es läuft ein Verfahren. Kritische Filmkultur hat es schwer in einem Land, in dem sich trotz der Frauenproteste und des aktuellen Wahlausgangs vermutlich in absehbarer Zeit nicht viel ändern wird.

Es geht um die 70-jährige Witwe Mahin (Lily Farhadpour). Ihre Tochter hat den Iran verlassen – jetzt lebt sie allein in Teheran. Ermutigt von ihren Freundinnen lernt sie eines Abends in einem Lokal den gleichaltrigen Taxifahrer Faramarz (Esmail Mehrabi) kennen und nimmt ihn mit zu sich nach Hause. Der Beginn einer unvergesslichen Nacht.

Das klingt nicht spektakulär, wird aber mit derart viel Wucht und Zärtlichkeit erzählt, dass es einem den Atem nimmt, dramatische Wendungen inklusive. Dabei schwingt die Kritik am Regime immer mit, wenn es um den Alltag der Frauen geht, die dem Patriarchat mutig die Krallen zeigen: Mahin trotzt auf offener Straße der Sittenpolizei. Und sie schert sich nicht um Regeln und Konventionen. Und so kommt es, dass aus einer kleinen Geschichte Großes erwächst: eine Ode an die Freiheit und das Leben. Hoffentlich wird sie von vielen gehört. (kui)

„Madame Sidonie in Japan“

Mit anrührenden und entwaffnend komischen Situationen: Die West-Fernost-Romanze „Madame Sidonie in Japan“.
Mit anrührenden und entwaffnend komischen Situationen: Die West-Fernost-Romanze „Madame Sidonie in Japan“. © Majestic | Celine Bozon

Sidonie Pescoval war eine viel beachtete Schriftstellerin, aber seit ihr Mann Antoine in einem Unfall stirbt, den sie selbst unverletzt überlebt, hat sie nichts mehr veröffentlicht. Als nun ein früher Bucherfolg in Japan neu aufgelegt wird, folgt sie der Einladung zu einer Pressetour. In Kyoto lernt sie ihren dortigen Verleger kennen, der ihr für die Zeit des Aufenthalts nicht mehr von der Seite weicht. Langsam kommen die Beiden sich näher, da tritt Antoines Geist (August Diehl mit gewohnt sardonischem Grinsen) in Sidonies Leben.

Was die ohnehin schon überraschende Zahl der clownesken Erholungsmomente im ansonsten eher poetisch melancholisch angelegten Spiel von der Selbstfindung in fremdem Land noch einmal beträchtlich anhebt. Und so gibt es immer wieder charmante, anrührende und entwaffnend komische Situationen in dieser West-Fernost-Romanze, zwischen dem diskreten Tsuyoshi Ihara und Isabelle Huppert, die auch mit 70 mühelos eine Figur ausgestaltet, für die sie eigentlich zehn Jahre zu alt sein müsste. Aber wer wollte sich darüber beschweren in einem Film, in dem auch sonst nichts unmöglich ist. (ues)