Essen. Die Essenerin gehörte lange der Punk- und Hardcore-Szene an. Was sie daran störte und warum sie jetzt zum Taylor-Swift-Konzert geht.
Chiaras Wohnung gleicht einem Museum: Die Wände sind tapeziert mit Fotos, auf den Regalen stehen bunte Plastikfigürchen und Fanartikel – von Harry Potter über Harry Styles bis Star Wars – vom Kleiderschrank grinst eine Armee von Barbies in pinken Plastikverpackungen auf das Bett herab. „Ich habe viele Leidenschaften“, sagt Chiara lächelnd. Die wohl größte aktuell: die US-Sängerin Taylor Swift.
Taylor-Swift-Fan Chiara (27) war lange in der Punk-Szene unterwegs
Chiara bezeichnet sich selbst als „Swiftie“ – seit ungefähr drei Jahren hört sie fast täglich Lieder von Taylor Swift – auf dem Weg zur Arbeit, einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung, in der Straßenbahn, zu Hause oder mit Freunden.
„Die Swiftie-Community ist für mich ein sicherer Ort“, sagt die 27-Jährige. Damit meint sie die anderen Fans, die die Sängerin feiern: Größtenteils offene und freundliche Menschen, vor allem Frauen, findet sie. Chiara, die eigentlich aus einer ganz anderen Szene kommt, war begeistert von der Warmherzigkeit der Fans der Popsängerin.
Bis vor drei Jahren war sie nämlich in der Hardcore- und Punk-Szene unterwegs. Dort machte sie unschöne Erfahrungen: Übergriffigkeiten auf Konzerten, Aggressivität, größtenteils Männer um sie herum. Es störte sie, dass Pop-Musik wie die von Taylor Swift in diesem Milieu belächelt wurde. „Oft wurde das heruntergemacht, wenn ich mal gesagt habe: Ich habe heute mal Taylor Swift gehört“, sagt sie. „Aber nur weil etwas Mainstream ist, heißt das ja nicht, dass die Sache schlecht sein muss.“
Ihre Zweifel an ihrer Community machten sie offener für die Musik der US-Sängerin. „Ich habe gemerkt: Eigentlich ist die ziemlich cool und vertritt viele Werte, die ich unterstütze“, sagt sie. Taylor Swift sei eine starke Frau, die sich vieles erkämpfen musste.
Oft habe sie sich gegen starke Männer durchsetzen müssen: Zum Beispiel, als der weltberühmte Rapper Kanye West bei der Verleihung der MTV Video Music Awards auf die Bühne stürmte und behauptete, dass Taylor Swift den Preis nicht verdient habe und er stattdessen an Beyoncé gehen solle. Oder als der Produzent Scooter Braun die Rechte an ihren Songs kaufte, sodass Swift nicht mehr selbst über ihre Musik bestimmen konnte. Inzwischen hat sie fast alle ihrer Alben mit dem Zusatz „Taylor’s Version“ neu veröffentlicht.
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Warum sich Taylor-Swift-Fan Chiara von anderen „Swifties“ distanziert
Taylor Swift sei ein Vorbild für sie, sagt Chiara. Trotzdem gehen ihr manch andere Fans zu weit: „Manche sehen das ja sogar quasi als Religion an und beten Taylor Swift an“, sagt sie. „Das würde ich nie machen, weil sie ja immer noch ein Mensch ist wie jeder andere.“
Trotzdem war die Freude groß, als die sie nach langem Zittern dann doch noch ein Ticket für eines der Konzerte in Gelsenkirchen ergattern konnte. Beim Vorverkauf ging sie leer aus, der Ansturm auf die Tickets brach alle Rekorde. Monatelang durchsuchte sie die Webportale nach Tickets, die weiterverkauft werden. „Die Preise da sind aber unmenschlich.“
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Sie konnte sich die Konzertkarten nicht leisten. Vor zweieinhalb Monaten ging ihr Traum doch noch in Erfüllung: Eine Bekannte von ihr, die Karten für vier Shows bekommen hatte, gab zwei Tickets an sie ab. „Diesen Moment, als ich das erfahren habe, kann ich gar nicht beschreiben“, sagt Chiara – so überwältigt war sie.
Sofort begann sie, ihr Outfit zu planen. Es ist ein Trend unter Fans, auf Taylor-Swift-Konzerten ein buntes Glitzeroutfit zu tragen. Genau wie Swift, die auf der Bühne meist in Glitzer-Kostümen anzutreffen ist. Auf sozialen Netzwerken wie TikTok und Instagram gibt es unzählige Fan-Accounts, die ihre Outfits für die fast vierstündige „Eras Tour“-Show vorstellen.
Taylor-Swift-Fan Chiara arbeitet seit fast drei Monaten an ihrem Outfit
Chiara wollte ein besonderes Outfit kreieren: Sie kaufte ein weißes Kleid, Pailletten und Glitzersteine und begann, jede Paillette einzeln auf das Kleid zu nähen. Auf den unteren Teil des Kleides zeichnete sie die Titel aller elf Taylor-Swift-Alben, die bislang erschienen sind, und verzierte diese mit Glitzersteinchen. „Ich habe schon über zehn Stunden an dem Kleid gearbeitet“, sagt sie. Noch ist es nicht fertig – fünf Alben-Titel müssen noch verziert werden – „aber ich habe ja noch Zeit“, sagt sie lächelnd.
Um ihre Fortschritte an ihrem Taylor-Swift-Outfit zu dokumentieren, kreierte Chiara sogar einen eigenen TikTok-Account. Am Abend des Konzertes möchte sie ihren Followern dort das fertige Outfit präsentieren: Das selbstgebastelte Kleid kombiniert sie dann mit rosafarbenen Cowboy-Stiefeln und dutzenden Freundschaftsarmbändern, die sie in den letzten Wochen gebastelt hat. Denn: Eine weitere Gewohnheit unter Taylor-Swift-Fans ist es, zum Konzert selbstgebastelte Freundschaftsarmbänder mitzubringen und diese mit anderen Fans zu tauschen.
Nach dem Konzert hat sie erst mal keine weitere Verwendung für ihr aufwendiges Outfit. Dann möchte sie ein anderes Projekt umsetzen: Ihr erstes Taylor-Swift-Tattoo. Die 27-Jährige ist am ganzen Körper tätowiert, aber ein Hinweis auf die US-Sängerin fehlt noch, findet sie. Was das Motiv angeht, ist sie aber noch hin- und hergerissen: „Vielleicht eine Zeile aus einem ihrer Songs oder die Silhouette von dem Glitzer-Body, den sie auf ihren Konzerten trägt.“