Essen. Die Ehemaligen von der „Hamburger Schule“ kommen für Festivals in die Region. Und Sänger Sven von Lowtzow ist einen Monat später alleine da.
„Ich bin neu in der Hamburger Schule und ich kenne mich noch nicht so gut aus“, nölte Tocotronic-Sänger Dirk von Lowtzow im Jahr 1995 mit naiv-cleverem Slacker-Charme auf dem zweiten Album seiner Band. Die nachgeschobene Befürchtung, „… vielleicht komm’ ich hier nie wieder raus“, war unbegründet – gegen ein Erstarren im jugendlichen Schrammel-Pop-Punk von Songklassikern wie „Digital ist besser“ oder „Ich werde mich nie verändern“ hatte das (damalige) Trio schon recht bald effektiv angearbeitet.
Tocotronic mit „Nie wieder Krieg“ auf Platz zwei in den Albumcharts
Die „Hamburger Schule“ haben Tocotronic ebenso hinter sich gelassen wie die Hansestadt selbst – man residiert inzwischen in Berlin. Heute sind von Lowtzow & Co. eine Institution in der deutschen Musikszene, eine der bedeutendsten wie klügsten Alternative-Bands deutscher Zunge. Das belegen sogar die Album-Charts, die Tocotronic bereits zwei Mal anführten. Dass sie sich mit ihrem aktuellen Werk „Nie wieder Krieg“ ausgerechnet hinter dem schlichten Folk-Schlagerrock von „Versengold“ auf Platz zwei einreihen mussten … Schwamm drüber! Hätte bei einem gleichzeitigen Amigos-Release schließlich noch schlimmer kommen können ...
Erstmals mit Gastsängerin
Der schönste Song auf dem Album, dessen Titel bei der Veröffentlichung leider ungeplant zum Geschehen in Osteuropa passte, ist wohl „Ich tauche auf“. Eine echte Premiere, denn zum ersten Mal überhaupt kollaborierten Tocotronic im Studio mit einem musikalischen Gast. Anja Plaschg aus der Steiermark, die unter dem Namen Soap&Skin in Österreich u.a. bereits ein Nummer-eins-Album veröffentlicht hat, übernimmt einen Gesangspart in dem ruhigen Stück voll typisch tocotronischer Melancholie. „Wir sind als Band sehr autonom, so eine Zelle“, erklärte Dirk von Lowtzow die Neuerung im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur. „Wir haben auch viel darüber gesprochen, wie man diesen Nukleus öffnen kann. Wenn man es dann zulässt und sich öffnet für Leute, kriegt das noch mal eine andere Färbung.“
Gänsehaut-Performance bei „Inas Nacht“
Wie gut der Song aber auch ohne Gast am Mikro klingt, bewiesen Tocotronic schon vor Veröffentlichung des Albums. Ihre im Herbst 2021 in Ina Müllers Kneipentalkshow „Inas Nacht“ präsentierte Version von „Ich tauche auf“ ging unter die Haut.
Open-Air-Auftritt im Burgtheater Dinslaken
Kaum weniger packend dürfte die Performance von Tocotronic am 6. August in Dinslaken sein. Dann spielen die in Ehren ergrauten Ehemaligen von der Hamburger Schule „open air“ im Burgtheater – und dessen Lage unter den Kronen alter Bäume garantiert bei entsprechender Witterung eine einzigartige Atmosphäre. Später im Monat kann man die Band dann noch unter der Plane des Zeltfestivals Ruhr erleben.
Sven Lowtzow kommt auf Lesetour nach Bochum
Vier Wochen nach dem Auftritt am Kemnader See kehrt Dirk von Lowtzow ohne seine Bandkollegen zurück nach Bochum. Im Gepäck hat er eine Akustikgitarre und sein neuestes Buch, aus dem er vorliest. Der Tagebuchroman aus pandemischen Zeiten trägt ebenfalls den Titel „Ich tauche auf“. Darin erzählt der Sänger und Songwriter von Zweifeln, Ängsten und Hoffnung während des Lockdowns – und nicht zuletzt auch, wie das Album „Nie wieder Krieg“ entstand. Musik gibt’s ebenfalls, daher die Akustikgitarre. Auf ihr spielt von Lowtzow Songs aus 30 Jahren Bandgeschichte – von den „Schultagen“ der 90er bis heute.
Wo und wann spielen Tocotronic in der Region? Alle Infos:
Tocotronic live: 6.8. Dinslaken (Burgtheater), 29.8. Bochum (Zeltfestival Ruhr). Karten ab ca. 42 €.Dirk von Lowtzow auf Lesetour: 25.9. Bochum (Kammerspiele), 26.9. Münster (Atlantic Hotel). Karten ab ca. 26 €.