Essen. Srebrenica, Bengasi, Aleppo, Tutsi-Massaker: „Kulissen der Macht“ ist eine Kino-Doku von Dror Moreh zum Kampf gegen den Völkermord
Lässt sich aus Geschichte lernen? Was ist, wenn aktuelle Rahmenbedingungen eine auf Vernunft und Erkenntnis fußende Politik blockieren? Und was ist das, Vernunft?
Diesen Fragen widmet sich der israelische Dokumentarfilmer Dror Moreh, 2013 Oscar-nominiert für seine Arbeit „The Gatekeepers“, in seinem neuen Film „Kulissen der Macht“. Dabei steht die Rolle der USA und bedingt die ihrer europäischen Partner sowie die der Vereinten Nationen im Zentrum,angesichts des immer wiederkehrenden Schreckens Völkermord.
Moreh eröffnet mit dem historischen Rückgriff auf den Holocaust, als Amerikaner und Alliierte ab 1944 zwar deutsche Städte und Industrie bombardierten, nicht aber die Bahnlinien zu den Vernichtungslagern. Dieses Versagen sowie den Aufruf zum „Nie wieder!“ nimmt Moreh zum Anlass einer tieferen Untersuchung US-amerikanischer Außen- und Militärpolitik.
Muammar al-Gaddafis Feldzug gegen Aufständische, Baschar al-Assads chemische Kampfstoffe
Anlässe gibt es genug: das Giftgas gegen Kurden 1988 im Irak, der serbische Angriff auf Sarajewo 1992, das Massaker gegen Tutsi in Ruanda, Massenhinrichtungen in Srebrenica, Angriffe auf Albaner im Kosovo, Muammar al-Gaddafis Feldzug gegen Aufständische in Bengasi, Baschar al-Assad, der chemischen Kampfstoff auf die eigene Bevölkerung feuerte, und Russlands Bombenangriffe auf Kliniken in Aleppo.
Das ist eine Menge Stoff bei 135 Minuten Spielzeit. Moreh bekommt die Sache trotz der Fülle gut in den Griff, weil er profunde Gesprächspartner fand, die als Außenminister oder Sicherheitsberater seit der Clinton-Administration im Machtzentrum der US-Politik unterwegs waren. So entwickelt sich in acht Kapiteln ein differenziertes Bild vom Faktor Mensch und dessen Unzulänglichkeiten. Offenbar wird das Dilemma von Entscheidungsfindung im Angesicht offenen Unrechts und unfassbarer Gräuel.
Nicht immer bleibt Moreh in den Gesprächen sachlich distanziert. Er mischt sich ein, hakt nach, unterstreicht sein Anliegen mit schockierenden Dokumentarbildern. Das reale Sterben zu sehen ist verstörend. Aber was kann es an Völkermord schon zu beschönigen geben?