In der Region. Ein neues Live-Format: Was der Star-Anwalt und der „Tagesschau“-Sprecher auf der Bühne präsentieren, erklären sie uns im Interview.
Das Genre True Crime, das „wahre Verbrechen“, fasziniert die Massen. Egal ob im Fernsehshow-Format wie bei „Aktenzeichen XY ...ungelöst“, in den Mediatheken der Sender wie bei der „ARD Crime Time“ oder als Podcast wie bei „Mord auf Ex“ oder „Mordlust“: Das Genre erfreut sich ungebrochener, eher gar wachsender Beliebtheit. Was es so bislang aber selten bis gar nicht gab: Ein Bühnenformat, bei dem ein bekannter Rechtsanwalt und ein nicht minder bekannter Nachrichtensprecher mit abgeschlossenem Jurastudium Kriminalfälle ausdiskutieren.
Dr. Alexander Stevens präsentiert in verschiedenen TV-Sendungen und Podcasts seit 2011 echte und fiktive Fälle, in der Realität verteidigte der 42-jährige Münchner schon Prominente wie Rapperin Schwesta Ewa, Sänger Gil Ofarim und Schauspielerin Jany Tempel (im Prozess rund um sexuelle Übergriffe gegen Filmproduzent Dieter Wedel). Constantin Schreiber spricht seit Januar 2021 die ARD-„Tagesthemen“ und hat sich zudem als Sachbuchautor und Schriftsteller einen Namen gemacht. Die Tour läuft gut, so gibt es nun zahlreiche Zusatztermine bis in den Herbst 2025 hinein (siehe Textende). Im Interview erklärt das Duo, was es mit dem True-Crime-Liveprogramm „Angeklagt, schuldig oder nicht?“ auf sich hat.
Wie fanden Sie beide überhaupt zusammen?
Constantin Schreiber (CS): Alexander Stevens hat mich angeschrieben, er habe eine Idee für ein gemeinsames Projekt. Näheres hatte er mir zuerst nicht verraten. Aber weil ich als Journalist grundsätzlich neugierig bin, dachte ich nach einer kurzen Recherche zu seiner Arbeit: Mal anhören, was ihm so vorschwebt.
Wie entstand die Idee, das Projekt auf die Bühne zu bringen?
CS: Das war Alexanders Idee – und das möglicherweise auch noch als Podcast auszubauen. Ich finde es spannend, wie viele Menschen sich mit echten Kriminalfällen auseinandersetzen, versuchen, Puzzleteile zusammenzusetzen, Indizien zu decodieren und herauszufinden, was wirklich passiert ist. Und natürlich ist da auch die Faszination des Bösen, die viele in ihren Bann schlägt. Auf der Bühne wirkt das natürlich noch einmal viel intensiver als im TV oder als Podcast.
Was unterscheidet Ihren Live-Vortrag von den vielen anderen, zum Teil ja auch sehr erfolgreich tourenden True-Crime-Bühnenformaten? Mit „Mord auf Ex“ oder „Mordlust“ seien hier nur zwei Beispiele genannt, die bereits Arenen füllen.
Dr. Alexander Stevens (AS): Mit Constantin und mir stehen, anders als bei den Kollegen, ein Jurist und ein Strafverteidiger auf der Bühne, der den präsentierten Fall selbst begleitet hat. So können wir die Zuschauer auch hinter die Kulissen führen und Fragen beantworten, die kein anderer beantworten kann, angefangen mit den beiden meistgestellten Fragen: Wie war es, dem mutmaßlichen Mörder das erste Mal live gegenüberzustehen? Und hat er Ihnen erzählt, wie es wirklich war?
Darauf aufbauend: Herr Stevens tourt ja auch noch mit Jacqueline Belle („True Crime – tödliche Liebe“) – wo liegen da die Unterschiede zum Programm mit Herrn Schreiber?
AS: Der wesentliche Unterschied liegt im Konzept: Constantin Schreiber tritt nicht als Moderator, sondern als Jurist auf und nimmt dabei die Gegenseite in dem von uns präsentierten Fall ein, sprich die Rolle des Staatsanwalts. Denn am Ende wird das Publikum – wie beim amerikanischen Jury Prozess – abstimmen, wer sie mehr überzeugt hat: „Staatsanwalt“ Schreiber oder der Strafverteidiger Stevens.
Wie werden Ihre Liveshows strukturiert? Gibt es Bild- oder Videobeiträge? Wie viele Fälle kommen zur Sprache? Und haben Zuschauer die Gelegenheit, Fragen zu stellen?
Beide: Wir werden einen Fall präsentieren, der als sogenannter Dreifachmord von Starnberg nicht nur große Medienöffentlichkeit erfahren hat, sondern bei dem es eine schier unfassbare Menge an Videomaterial gibt, das im Internet, aber auch in diversen TV-Dokus veröffentlicht wurde. Sagen wir so: Das Material wird uns für die Show sicher nicht ausgehen. Und Fragen sind in der Show ausdrücklich erwünscht.
Sie absolvierten bereits einen Preview-Auftritt in Hamburg – wie war es? Und was gibt es noch zu verbessern?
AS: Ich war vor allem erstaunt, wie aufmerksam das Publikum dabei war und sich auch kleinste Details gemerkt hat. Das wurde deutlich, als wir mit den Zuschauern ins Gespräch kamen und die sehr genau nachgefragt haben. Ansonsten waren die Rückmeldungen durchweg positiv – sich auf einen Fall zu konzentrieren, der so viele Wendungen hat wie der Dreifachmord von Starnberg, hat den meisten gut gefallen. Auch die Einspieler und Dokumente, die wir vorbereitet haben. Das Einzige, was mir aufgefallen ist: Die Nachfragen der Gäste waren so detailliert, dass ich nochmal alle 20.000 Seiten Unterlagen durchackern muss, um wirklich alle Infos parat zu haben.
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Wie hart und explizit wird es? Ist die Liveshow beispielsweise für Minderjährige geeignet?
Beide: Wenn man sich an der FSK-Einstufung orientiert: FSK 16. Da liegt die Grenze ja bei Filmen, die Gewalt tendenziell verherrlichen. Das tun wir nicht. Im Gegenteil, es ist uns wichtig, immer wieder darauf hinzuweisen, welch menschliche Tragödie sich dort abgespielt hat und wir behandeln ja gerade den Strafcharakter der Taten, zeigen also, dass das gegen Recht und Gesetz verstößt. Aber ja, richtig ist auch, dass es Bilder und Themenkomplexe gibt, die nichts für schwache Nerven sind.
Herr Schreiber, was viele vielleicht nicht wissen: Sie haben ein Jurastudium abgeschlossen. Inwiefern hilft Ihnen das bei Ihrer Zusammenarbeit mit Herrn Stevens respektive bei der Bearbeitung der Taten, die Sie auf der Bühne besprechen?
CS: Mein Staatsexamen liegt mittlerweile 22 Jahre zurück, insofern ist es für mich auch eine Reise in die Vergangenheit. Auch wenn ich mich in der Zwischenzeit wenig mit juristischen Themen beschäftigt habe, so ist doch für mich interessant, wieviel hängengeblieben ist. Ich hatte während des Studiums ein großes Faible für Strafrecht, und daher sind mir einige Begriffe, Fälle und die Struktur einer strafrechtlichen Prüfung durchaus noch geläufig.
Wo Sie beide seit vielen Jahren immer wieder auf engste Art und Weise mit Kapitalverbrechen respektive thematisch einschlägigen Nachrichten zu tun haben: Wie belastend sind diese Fälle eigentlich für ihr Privatleben? Nehmen Sie „was mit nach Hause“?
AS: Ich habe, um mir seinerzeit das Studium zu finanzieren, als Rettungssanitäter gearbeitet und dort so viele schlimme Schicksale und menschliche Abgründe erlebt, dass das für meinen Beruf als Strafverteidiger gut abgehärtet hat. Ich hab also schon früh gelernt, solche Eindrücke nicht mit nach Hause zu nehmen.
CS: Als Journalist ist man es auch gewohnt, mit schwierigen, gewaltbehafteten Themen und Bildern umzugehen. Das, was wir an Bildern in den Agenturen sehen, ist ja häufig viel drastischer, als das, was wir überhaupt zeigen können. Daher gehört es auch zum Job eines Journalisten, zu lernen, damit umzugehen.
Herr Stevens, Sie waren im TV unter anderem schon bei „Richter Alexander Hold“ und „Im Namen der Gerechtigkeit“ zu sehen. In den vergangenen Jahren beschäftigen Sie sich zumeist mit Podcasts – ist eine dauerhafte Rückkehr ins Fernsehen für Sie denkbar? Wenn ja, auf welches Format hätten Sie Lust?
AS: Die Zeit des Fernsehens ist wohl leider vorbei. Gleichwohl es ein Format gab, das leider aufgrund der Corona-Pandemie seinerzeit kaum Aufmerksamkeit erfuhr: „Im Namen des Volkes“, das auch als Vorlage für unser jetziges Showkonzept gilt: Dort wurden einer siebenköpfigen Jury aus dem Querschnitt der Bevölkerung wahre Kriminalfälle von mir präsentiert, die dann im Fernsehen über Schuld und Strafmaß abstimmen mussten. Ich sage mal so: Der Ausgang im Vergleich zu den echten Gerichtsurteilen war äußerst interessant.
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Womit verbringen Sie beide eigentlich Ihre Freizeit, wenn Sie sich nicht um Verbrechen respektive Politik und Nachrichten kümmern? Es muss doch einen Ausgleich für die regelmäßige und dauerhafte Beschäftigung mit „harten“ Themen geben …
CS: Ich habe für meinen Geschmack manchmal etwas zu wenig Freizeit. Dabei verbringe ich gerne viel Zeit mit meiner Familie auf Reisen oder einfach in der Natur. Mit gutem Essen, Sport und gerne mit einem guten Buch – ich glaube, da unterscheide ich mich ein wenig von Alexander Stevens ...
AS: Allerdings, denn seit ich 16 bin schaue ich mir zum Einschlafen True Crime Dokus an, bis heute übrigens ...
„Angeklagt, schuldig oder nicht?“: Die Termine
17.10. Bochum (RuhrCongress), 18.10. Münster (Congress-Saal Halle Münsterland), 12.5.25 Hagen (Stadthalle), 13.5.25 Duisburg (Theater am Marientor), 21.9.25 Mönchengladbach (Redbox), 22.9.25 Köln (Stadthalle), 23.9.25 Wuppertal (Hist. Stadthalle), 25.11.25 Oberhausen (Luise-Albertz-Halle), 26.11. Siegen (Siegerlandhalle), Karten ab ca. 41 €.