Essen. George Miller beschwört nochmal die letzten Tage der Zivilisation. Diesmal mit Anya Taylor-Joy als Amazone. Warum das gut gelungen ist.
Es war einmal. So fangen Märchen an, die alten und schönen aus längst vergangenen Zeiten ebenso wie solche, die in Zeiten angesiedelt sind, die noch kommen werden. Die zweite Kategorie ist es, die es dem Australier George Miller angetan hat. Er erzählt von jenen Tagen, in denen es die Welt, wie wir sie noch kennen, nicht mehr gibt.
Grund des Untergangs war, dass die Vorräte zu Ende gingen: die Nahrungsmittel, das Wasser, die Energie. In den Großstädten brach Panik aus. Die Politiker unterdessen redeten und redeten. Dann begannen die Kriege. Die Bomben fielen, die alles vernichten konnten. Danach war viel Platz auf der Erde.
„Fuiosa. A Mad Max Saga“ erzählt vom Mädchen Furiosa
Im Ödland, das fast nur noch aus Wüste bestand, lebten dennoch Menschen. Sie hatten sich in Festungen verschanzt, wo sie wertvolle Metalle dem Boden entrissen, das schwarze Gold schürften oder wo sie die Metalle veredelten und Maschinen daraus bauten. Irgendwo zwischen all dem lauerten motorisierte Banden, die es vor allem auf jenen Ort abgesehen hatten, wo es frisches Wasser gab, Früchte und Gemüse.
Von hier stammte das Mädchen Furiosa, das von der Bande des Dr. Dementus geraubt wurde. Aber Furiosa blieb stumm und wartete auf den Tag der Rache, der irgendwann kommen würde. Sie ließ sich von Immortan Joe adoptieren, einem ruchlosen Tyrannen, der in einer Felsenfestung hoch über der Wüste lebte. Hier erlernte sie die Kunst der Mechanik und das Wesen der Motoren. Schließlich fuhr sie hinaus, zuerst noch als Söldner, dann als Rächerin.
Verfeindete Herrscher, unterdrückte Völker und zwischen allen die Pragmatiker, die das Überleben gelernt haben und darüber fast ihre Gefühle vergaßen. Es sind jene archaischen Strukturen, die seit George Millers zweitem „Mad Max“-Spektakel 1981 den Standard im Kino der Endzeit setzen. Es ist die konsequent ausgemalte Vision des No-Future-Slogans aus der Punk-Bewegung der 70er-Jahre, die in Mad Max einen nihilistischen Helden gebar: Er wurde sich selbst zum Nächsten, weil man ihm alle genommen hatte, die um ihn herum waren.
Der rabiate B-Picture-Charme der drei alten Filme wurde 2015 in „Mad Max: Fury Road“ abgelöst von einem von einer superben Mischung aus physischer Aktion und Digitaltrickkunst, die den visuellen Rahmen bildet. Was sich nun fortsetzt im neuen Film, der sich der Vorgeschichte von „Fury Road“ widmet.
„Furiosa: A Mad Max Saga“: George Miller erweist sich als Spielkind
George Miller erweist sich auch mit Ende 70 immer noch als enthusiastisches Spielkind mit schier unerschöpflicher Begeisterung für abstruse Metallgebilde auf vier Rädern und eine von H. R. Giger inspirierte Melange aus Mensch und Metall, eingekleidet in Vivienne Westwoods Müll-Look, bepinselt mit christlicher Symbolik und den erotomanen Gewaltgelüsten des Surreal-Eklektizisten Alejandro Jodorowsky.
Die Figuren tragen Namen wie Dr. Dementus, People Eater, Scrotus und Rectus und alle Akteure agieren wie bei einem Casting für Passionsspiele und Pogo-Kirmes. Chris Hemsworth gibt den verführerischen Gewalt-Messias, Tom Burke einen faszinierend coolen LKW-Desperado und zwischen ihnen befeuert Anya Taylor-Joy als junge Version von Charlize Therons Endzeit-Amazone den Film mit racheglühenden Augen.
„Furiosa: A Mad Max Saga“ ist ein großes Fest für die Augen
Ein einziges großes Fest für die Augen ist dieser Film, der dennoch zu keinem Zeitpunkt aus dem Schatten seines großen Vorgängers heraus kommt. Der wesentliche Grund dafür ist die Spielzeit von zweieinhalb Stunden. Man schaut und staunt, aber am Ende fragt man sich verwundert, worum genau es eigentlich die ganze Zeit ging. Kein Wunder bei einem Film, der seinem Publikum ausnahmslos Sand in die Augen streute. Das allerdings immens bunt, originell und titelgemäß – furios.