Mülheim. Die 10,5-Millionen-Euro-Sanierung bleibt unsichtbar. Dafür gibt es „Brücke, Bauhaus, Blauer Reiter“ und das „wilde Herz“ der Sammlung.
10,5 Millionen Euro! Und dann sieht man davon – nichts! Nun gut, man wird, in einer Woche, großartige Kunst sehen können, die vor einem Jahrhundert, als sie entstand, noch Stürme der Entrüstung auslöste. Die heute aber als „Klassische Moderne“ den Segen der Kunstgeschichte und des Marktes hat. Das Mülheimer Kunstmuseum (das den Beinamen „Alte Post“, in der es ja untergebracht ist, ablegen möchte zugunsten der Kunst) zeigt also am Samstag nächster Woche wieder etliche der magischen, angenehm selbstgenügsamen Tiere von Franz Marc, zeigt zarte bis kräftige Aquarelltupfen von Emil Nolde in Blumenform und auch Mackes berückend lichte Straßenszenen aus Bonn sowie Tunis.
Was wir aber nicht zu sehen bekommen: Wo in den vergangenen sechs Jahren Bauzeit die besagten 10,5 Millionen hingegangen sind. Dazu müsste man in den Keller, müsste die Wände aufreißen und durch Decken gucken können. Das Haus hat eine kunstgerechte Klimaanlage bekommen, einen zeitgemäßen Brandschutz, eine Videoüberwachung und eine Einbruchmelde-Anlage.
Das klingt vielleicht banal und eher bautechnisch, hat aber gewaltige Folgen auch für das, was man im Museum zu sehen bekommt. Denn an Bauruinen auf dem Stand von vorgestern werden keine Highlights der Kunstgeschichte verliehen – und Versicherungen selbst für die eigenen Schätze des Hauses werden horrende teuer. So war die Modernisierung des 1886 fertiggestellten Kaiserlichen Hauptpostamtes auch eine Investition in zukünftige Ausstellungen des Kunstmuseums. Wohl nicht nur für Kulturdezernentin Daniela Grobe „ein Bekenntnis der Stadt zum Museum, zur Kunst“.
„Brücke, Bauhaus, Blauer Reiter“ – mit diesem Blick auf die eigene Sammlung lässt das Museum seine Kunst-Muskeln spielen, von insgesamt 13.000 Werken sind nun gut 300 zu sehen. Die wertvolle Sammlung Ziegler des gleichnamigen Mülheimer Chemie-Nobelpreisträgers war während der Sanierung auf Reisen, im Museum Moritzburg in Halle und in der Kunsthalle Emden (wo sie von insgesamt 70.000 Menschen gesehen wurde). Nun ist diese hochkarätige Sammlung erstmals mit der städtischen vereint zu sehen, also etwa mit der weltbekannten „Geistigen Emigration“ des Mülheimer Expressionisten Arthur Kaufmann. Da trifft Paul Klee auf Kandinsky und der frühe wie späte Lynonel Feininger auf Alexej von Jawlensky, und alles ist stimmig gegliedert in Motivreihen („Kinder“, „Landschaft“).
Eine echte Entdeckung ist im grafischen Kabinett des Hauses zu machen: Hier trifft Heinrich Zille (der Mediziner Karl Gotthelf Themel vermachte Mülheim die größte Zille-Sammlung jenseits von Berlin) auf den Franzosen Théophile-Alexandre Steinlen, den man eigentlich eher als Gebrauchsgrafiker der grandiosen „Chat Noir“-Plakate kennt. In Mülheim wird Steinlen zum kritischen und politischen Zeichner, der seinem Zeitgenossen Zille in nichts nachstand, was den genauen Blick und das klare Wort anging. Zille war der bessere Fotograf, Steinlen mit der Zeichenfeder subtiler, präziser.
Kunstmuseum Mülheim zeigt Andy Warhol, Joseph Beuys und Ilse Otten
Nachkriegs- und Gegenwartskunst sind nun in den Obergeschossen des Museums mit Sinn für stimmige, zuweilen auch überraschende Beziehungen kombiniert. Warhols Kennedy-Serie trifft auf einen feministischen Teppich von Shannon Bool, hier gibt es fliegende Kartoffeln an Fallschirmen zu sehen, dort den „Baal-Priester“ von Ursula, etliche Beuys-Plakate oder auch Plastiken von Ilse Otten. Die 1929 in Mülheim geborene Bildhauerin ist nach Ansicht der Mülheimer Museums-Chefin Stefanie Kreuzer noch „total unterschätzt“ und „eine Entdeckung“.