Essen. Colt Seavers ist die neue Rolle des Hollywood-Stars. Warum sein Film mit der Kult-Serie wenig zu tun hat. Unsere aktuelle Kino-Kritik

Tom Ryder ist der größte Actionstar Hollywoods, aber die gefährlichen Szenen überlässt er seinem langjährigen Stuntdouble Colt Seavers (gewohnt cool und mit heavy Bizeps: Ryan Gosling). Der bleibt auch in größtem Risiko lässig, weil er so die Aufnahmeleiterin Jody Moreno (konstant glücklose Rollenwahl: Emily Blunt) beeindrucken will. Als ein Stunt furchtbar schiefgeht und Seavers mit gebrochenem Rückgrat im Krankenhaus landet, erklärt er seine Stuntkarriere für beendet. Dann meldet sich Erfolgsproduzentin Gail (furchteinflößend: Hannah Waddingham). Tom Ryder (Aaron Taylor-Johnson) ist in Sydney mitten im Dreh seines neuen Films spurlos verschwunden.Colt soll die Actionszenen retten. Nebenbei lautet der Name der Regie - Jody Moreno. Colt sagt zu. In Australien zeigt sich, wie umfangreich der Aufgabenkatalog für Colt Seavers tatsächlich ist.

Serie „Ein Colt für alle Fälle“ hat mit „The Fall Guy“ nicht viel gemein

Freunde der Serie „Ein Colt für alle Fälle“ (1983-87 im ZDF) werden nicht mehr viel Ähnlichkeit finden zum neuen Kinospektakel. Im Vorbild ging es um ein dreiköpfiges Stuntteam, das sich vor, nach und während Dreharbeiten als Kopfgeldjäger in Kriminalfälle stürzte. 2024 wird zwar auch viel gerannt, schnell gefahren und verletzungsfrei geprügelt, aber statt rustikaler Krimispannung stehen hier Zirkussensationen und eine auf komisch getrimmte Lovestory zwischen Colt und Jody im Mittelpunkt.

Gut ist das alles nicht, denn der ehemalige Stuntakteur David Leitch (er drehte zuvor Action-Unsinn wie „Atomic Blonde“, „Deadpool 2“ und „Bullet Train“) braucht Drehbücher, die eine klare Linie zwischen Dialogklamauk, Brutalhärten und Stuntkirmes finden. In „The Fall Guy“ (dt. Prügelknabe) ist das nicht der Fall.

Nicht gerade ein Kino der Zwischentöne: Ryan Gosling als Colt Seavers in einer Szene des Films „The Fall Guy“ (
Nicht gerade ein Kino der Zwischentöne: Ryan Gosling als Colt Seavers in einer Szene des Films „The Fall Guy“ ( © DPA Images | -

David Leitch ist kein Mann für Zwischentöne, das Autorenteam schon gar nicht, also gibt es auch kein Kettenfett zwischen Action und Krimi, Lovestory und zwinkernder Film-im-Film-Selbstbespiegelung. Deshalb verliert der Film nach amüsanten ersten 30 Minuten den Griff auf alles. Sobald es romantisch sein soll und die Leute mal drei ernste Sätze tauschen, wird es bleischwer im Tempo. Stürzt die Action sich in in endlose Prügeleien, Explosionen und Verfolgungen, sind es Digitaltrickstudios, die den Feinschliff im Budenzauber ermöglichen.

Warum „The Fall Guy“ trotz Weltrekord eine Mogelpackung ist

Die vorgebliche Verneigung vor der physischen Stuntakrobatik ist also bloß eine Mogelpackung, weil der Film im Blick aufs Jugendpublikum seiner Kernkompetenz nicht genug Spektakel zutraut. Immerhin bescherte ein Stunt den Weltrekord mit den meisten Überschlägen eines Autos. Für die Story hat das nichts gebracht. Das ist Verschwendung.