Essen. Ein deftiger Schocker, ein wildromantischer Frauenfilm und eine heitere Posse aus Frankreichs Provinz starten jetzt in deutschen Kinos

Schocker der Kinowoche: „Abigail“

Der gruseligste Kinofilm der Woche! Ein sechsköpfiges Team von Kriminellen – vier Männer, zwei Frauen, alle Könner auf ihrem Gebiet – entführt in „Abigail“ein zwölfjähriges Mädchen und bringt es zu einem geheimen Treffpunkt, einem abgelegenen Herrenhaus. Das Klima verdüstert sich, als sich herausstellt, dass das Entführungsopfer die Tochter eines Unterweltbosses ist. Und dann enthüllt sich die wahre Identität von Abigail.

Die jüngste Tat des in einschlägigen Kreisen vorschnell in Kultweihen erhobenen Regieteams Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillett (u.a. „Ready Or Not“ und die „Scream“-Neuauflagen) ist die bislang beste. Die Beiden haben den Einsatz von Schnitt und Kamera sichtbar verfeinert, weshalb sie das auffällig um Originalität bemühte Drehbuch trotz der knapp zwei Stunden Spielzeit unterhaltsam im Griff behalten. Die Besetzung mit Szenegrößen wie Melissa Barrera, Dan Stevens und Kathryn Newton, vor allem aber mit der hoch talentierten Alisha Weir in der Titelrolle hält den Film auch dann in der Kurve, wenn die Regie im Finale schon mal übertourt. Im zuletzt so drögen Schockgenre ergibt das einen feinen Beitrag.

Wildromantischer Frauenfilm: „Amsel im Brombeerstrauch“

Die 48-jährige Etoro lebt ohne Mann in einem Dorf im georgischen Hinterland und betreibt dort einen Laden für Körperpflegeartikel. In einer Regennacht verliert Etoro doch noch ihre Jungfernschaft an ihren verheirateten Lieferanten. Das löst einen Sturm der Gefühle aus. Nicht alle Männer sind Schweine, aber es gibt Gesellschaften, wo Männer sich wie zu allen Zeiten alles gegenüber Frauen herausnehmen. Die stramme Protagonistin von „Amsel im Brombeerstrauch“ sagt denn auch nicht von ungefähr: „Mir streut keiner Sand in die Augen und nennt es dann Liebe.“

Späte Freuden, nicht ohne Hindernisse. Das Liebespaar aus „Amsel im Brombeerstrauch“.
Späte Freuden, nicht ohne Hindernisse. Das Liebespaar aus „Amsel im Brombeerstrauch“. © Takes Film | Alva Film

Es gibt also von Beginn an viel emotionalen Sprengstoff in Elene Naverianis Adaption von Tamta Melaschwilis Roman „Amsel, Amsel, Brombeerbusch“, der sich in den Augen der außerordentlichen Hauptdarstellerin Eka Schawleischwili machtvoll entlädt. Je mehr es in der Protagonistin tobt, desto zarter bettet der Film sie in weiches Licht und farbiges Idyll. Selbstfindung, Selbstachtung – es geht um was in diesem schönen, wildromantischen Frauenfilm.

Kino aus der Bretagne: „Es sind die kleinen Dinge“

Kein Bäcker, kein Arzt, kein Bistro – die Dinge stehen nicht gut im bretonischen Dorf Kerguen. Alice lebte immer schon hier, hat nun das Bürgermeisteramt übernommen und unterrichtet zudem die einzige Klasse der vom Aus bedrohten Grundschule. In diese Krisenlage platzt der 65-jährige Emile, der doch noch lesen und schreiben lernen will.

Spät übt sich: Michel Blanc in einer Szene des Films „Es sind die kleinen Dinge“
Spät übt sich: Michel Blanc in einer Szene des Films „Es sind die kleinen Dinge“ © DPA Images | Stephanie Branchu

Eine französische Provinzkomödie mittlerer Kategorie, wo die Stars entweder noch keine sind (Julia Piaton, die aussieht wie die Tochter von Meryl Streep) oder ihre große Zeit lange hinter sich haben wie eben der zu feister Hemdsärmeligkeit gealterte Michel Blanc. Hier zählt noch ein Frankreich-Bild, das so weiß ist wie ein Camembert und in dem Robustheit alter Schule jeden Ansturm politischer Korrektheit blasierter Pariser Prägung locker abwehrt. Auch die Franzosen kochen mit Wasser und blasen blasse TV-Ästhetik mittels Cinemascope-Breitbild zu vermeintlicher Kinogröße auf. Dieser Film ist wie eine Folge „Mord mit Aussicht“, zwar ohne Mord, aber amüsant und anrührend provinziell.