Essen. „Back to Black“ über die Sängerin Amy Winehouse überzeugt dank der starken Hauptdarstellerin. Die Hochglanzbilder sind tiefenbereinigt.
Am 23. Juli 2011 war es schließlich vorbei. Amy Winehouse, hoch gefeierte Pop-, Jazz- und Soulsängerin erlag ihrer Alkohol- und Drogensucht. Als die Polizei die Leiche fand, betrug der Alkoholpegel in ihrem Blut immer noch einen Wert von 4,6. Da sie nur 27 Jahre alt geworden war, trat Winehouse – mutmaßlich unbeabsichtigt – dem Klub 27 bei (u.a. Brian Jones und Janis Joplin, Jim Morrison, Kurt Cobain und Jimi Hendrix, aber auch die deutsche Schlagerdiseuse Alexandra), der mit jedem Neuzugang zu neuer morbider Strahlkraft erwacht. Die 2015 veröffentlichte Dokumentation „Amy“ wurde im Folgejahr mit dem Oscar ausgezeichnet. Und nun kommt, mit dem Titel des Erfolgsalbums „Back to Black“, ein Kinofilm über Amy Winehouse heraus.
Filmbiografien über berühmte Musiker, von denen es zuletzt immer mehr gab, folgen zumindest in diesem Jahrhundert dem stets gleichen Muster. Man erzählt die Geschichte eines außerordentlichen Talents, vom steinigen Aufstieg, den privaten Hürden und künstlerischen Rückschlägen – und am Ende künden Texttafeln von ikonischem Stellenwert und gewaltigen Verkaufszahlen und Preisvergaben. Man geht nie da hin, wo es richtig wehtun kann, sondern folgt der Predigt: Wer es geschafft hat, der lebt glücklich bis ans Ende seiner Tage. Das war so in den Filmen über Ray Charles und Johnny Cash, Aretha Franklin und Whitney Houston, selbst Baz Luhrmans Elvis-Film ließ das bittere Ende außen vor.
Sam Taylor-Johnson hat mit „Nowhere Boy“ über den jungen John Lennon schon Besseres abgeliefert
Wer nun allerdings erhofft hatte, dass die filmische Nacherzählung vom absehbaren, vielerseits aber in Kauf genommenen Niedergang einer englischen Soul-Röhre mit gewaltigen Drogenproblemen rauere Töne anschlägt, sieht sich enttäuscht. Erst einmal verwundert das, weil das Drehbuch von dem Engländer Matt Greenhalgh stammt, der zuvor schon mit Regisseurin Sam Taylor-Johnson die Vorlage zu „Nowhere Boy“ (über den jungen John Lennon) verfasst hatte. Seither machte Taylor-Johnson als Regisseurin von „50 Shades of Grey“ auf sich aufmerksam, und in einem vergleichbaren Stil hat sie nun „Back to Black“ aufgezäumt.
Jack O’Connell spielt Amys Lebens- und Drogengefährten Fielder-Civil
An der Oberfläche funktioniert das besser, als man sich erhoffen durfte. Denn mit Marisa Abela wurde eine extrem hübsche Hauptdarstellerin gefunden, die den bizarren Sixties-Retro-Look aus Bienenkorbfrisur und Lidstrichüberdosis mit englisch proletarischer Vulgarität ebenso glänzend verkörpert, wie sie den Gesangsstil des Vorbilds staunenswert gut nachgestalten kann. An ihrer Seite führt Jack O’Connell als Amys Lebens- und Drogengefährte Fielder-Civil die lange englische Tradition des verführerischen Kneipenprofis mit dem billigen Sexualversprechen stilsicher fort.
Sam Taylor-Johnson inszeniert das alles aufregend schick – und zugleich bestürzend leer. Ihr Film macht nur Station bei den diversen Schlagzeilen eines Lebens, zeigt aber nie das Entscheidende: Wie es dazu kam und was daraus wurde. Alles, was verstören oder die Jugendfreigabe in Gefahr bringen könnte, wird in clever kalkulierter Diskretion ausgespart. Es ist ein Film für Fans, die am Ruch des Unmoralischen schnuppern wollen, ohne sich dabei weit aus dem Fenster lehnen zu müssen.
Der außerordentlichen Hauptdarstellerin, deren Talent man noch gern in anderen Rollen entfaltet sähe, wäre etwas viel Besseres zu wünschen gewesen.