Düsseldorf. In Künstler- und Musikerkreisen ist er längst ein Begriff: Jetzt hebt das Landesmuseum Mike Kelly mit einer großen Schau aufs Podest.
Mike Kelly ist einer von diesen Künstler-Künstlern, die zu wild und unbeständig waren, zu wenig monomanisch an einem bestimmten Künstlerprofil gearbeitet haben, als dass es für ein Markenprodukt auf dem Kunstmarkt gereicht hätte. Eine Marke war dieser Mann eher im umgangssprachlichen Sinn, ein Typ. „Ich wurde Künstler“, sagte Kelly einmal, „weil ich Außenseiter sein wollte. Als ich jung war, beschäftigte man sich mit Kunst, wenn man der Gesellschaft wirklich den Rücken kehren wollte.“ Deshalb lärmte der 1956 in einem Vorort von Detroit geborene, katholisch erzogene Rebell schon in den 70ern in einer Punk-Band, als die Musik noch gar nicht so hieß.
Und nun schlägt die Kunstsammlung NRW (in Zusammenarbeit mit der Tate Modern in London, der Pinault Collection in Paris, und dem Moderna Museet in Stockholm) im Rückblick auf dieses 2012 von eigener Hand gestorbenen Kunstbiest diverse Seiten seines so diversen Gesamtwerks auf. Kelly hätte leicht bei den gespenstischen abgeliebten Puppen und Stofftieren vom Flohmarkt bleiben können, die er zu riesigen Arrangements des Realitätsgrusels zusammenfügte, was dann Ende der 80er-, Anfang der 90er-Jahre doch für etwas mehr als 15 Minuten Ruhm sorgte.
Mike Kellys Groß-Arrangements „Monkey Island“ und „Day Is Done“
In Düsseldorf hat man Kellys Groß-Arrangements wie „Monkey Island“ oder auch das jahrmarktähnliche „Day Is Done“ rekonstruiert, für das der Künstler in Highschool-Jahrbüchern wahrhaft volkstümliches Bühnenbrauchtum kunst in gruseligem Ausmaß plünderte, um es mit weiteren Trivialmythen von Kirmesqualität zu einem sarkastischen Jahrmarkt für den Kunstzirkus zu kombinieren. Noch schlagender wird Kellys lustvoll ironischer Umgang mit allem Übersinnlichen in „The Poltergeist“, wo ihm mit dem „Ektoplasma“ das Mystisch-Spirituelle Element der Geistererscheinungen aus Nase, Ohren und anderen Körperöffnungen quillt. Dabei misstraute Kelly sogar der Erinnerung als metaphysischem Ort von Geschichte: Allzu gut wusste er um die Formbarkeit, ja Manipulierbarkeit dessen, was wir für einen Schatz unseres Gedächtnisses halten, was aber täglich aufs Neue im Hirn zusammengesetzt wird.
Da, wo sie nicht unmittelbar politisch werden (wie am simpel-brutalen Foltertisch ohne spaßigen Hintersinn), verhält es sich mit diesen Installationen und auch mit den „Drehbüchern“ seiner frühen Performances allerdings kaum anders als mit den Relikten von einstigen Beuys-Aktionen: Sie alle atmen die Aura von Kunst-Reliquien, sind stillgestellte Momente eines Prozesses, der vor Jahrzehnten einmal aufregend, erschreckend, verstörend gewesen sein mag. Das Museum jedoch musealisiert auch diese Impulse aus dem wirklichen Leben. Nur dass sie bei Mike Kelly um etliches bunter und unterhaltsamer und weniger raunend als bei Ahnvater Beuys daherkommen. Wo die Ausstellungsmacher im Metaphysischen unterscheiden möchten zwischen dem „Ghost“, der nur für das Abwesende aus der Vergangenheit steht, und dem „Spirit“, der noch befruchtend für die Gegenwart ist, geht eher Gespenstisches um.