Gelsenkirchen. Die Politik gibt auf dem Weg zum Abitur teilweise die Literatur im Fach Deutsch vor. Eine Lehrerin in Gelsenkirchen hält wenig davon.
Bund und Land geben in Teilen vor, was Schülerinnen und Schüler fürs Abitur an Literatur kennen sollen. Wie sinnvoll ist es, das zentral zu steuern? Wir haben eine Frau aus der Praxis gefragt. Gabriele T. (Name geändert) ist Oberstudienrätin in Gelsenkirchen. Mit ihrem Schulalltag, sagt sie, haben die Vorgaben der Politik zu wenig zu tun.
Sind zentrale Vorgaben gut?
In Summe gehen die Vorgaben an der Lebenswirklichkeit der Lernenden und am Bildungsauftrag vorbei. Erziehung im Sinne Adornos, junge Menschen, zu kritisch-mündigen Bürgern zu erziehen, bleibt eher auf der Strecke.
Warum?
Ein besonderer Standort wird vom Bildungs-Ministerium per se als zentral vergleichbar eingestuft. Wenn ich gemäß den zentralen Abiturvorgaben in NRW an Gelsenkirchener Gesamtschulen Lessings „Nathan“ zu unterrichten habe, muss ich ganz andere Wortschatz-Vorentlastungen erbringen als an einem katholischen Gymnasium in Münster. Das dauert; unterm Strich hat der Lernende also einen zeitlichen Nachteil.
Geht die Politik darauf ein?
Das NRW-Schulministerium hat bei der Pflichtlektüre schon abgespeckt. Es gab früher absurde Vorgaben. Schnitzlers Traumnovelle! Da stehen Sie vor einer Klasse mit vorwiegend Jungs aus vielen Herkunftsländern und es geht um erotische Fantasien eines Ehepaars im Wien der 1920er Jahre...
Wo funktioniert es am besten?
In der Gegenwartsliteratur! Da gibt es eine gemeinsame Sprache, etwa bei den vorgegebenen Romanen „Unter der Drachenwand“ und „Der Trafikant“.
Wenn Sie was ändern könnten:
Ich würde mich völlig von den Vorgaben entfernen. Viel mehr szenische Zugänge zur Literatur, viel mehr Aktuelles, viel mehr aus den Lebenswelten der Schüler!
Unsere Interviewpartnerin bat um Anonymisierung ihrer Person.