Essen. Kein Meilenstein, aber gut anzuhören: Am Freitag kommt Stoppoks 20. Studioalbum heraus. Mit dem ESC-Beitrag eines KZ-Überlebenden.
Um mit der Tür ins Haus zu fallen: Ein überragender Meilenstein wie „Popschutz“ (2014) oder „Happy-End im La-La-Land“ (1993) ist das neue Stoppok-Album, das am Freitag erscheint, nicht. Aber eben doch ein zuverlässig gutes. Es verrührt die vertrauten Stoppok-Zutaten von Ironie-Pfeffer bis zum verschärften Gitarren-Fond einmal mehr so, dass man wieder Spaß dran hat: Bluesrock, Blödsinn und tiefere Bedeutung.
Duette mit Cäthe, Alin Coen, Fortuna Ehrenfeld und Olli Schulz
Um ein Haar wäre „Teufelsküche“ (Glitterhouse Records) ein reines Duo-Album geworden; schließlich ist Stoppok nicht nur mit seinen „Artgenossen“-Abenden, die er 2021 auf Zeche Zollverein in Essen anlaufen ließ, ein notorischer Kollaborateur. Aber eben auch zu klug, um sich zum Sklaven eines Konzepts zu machen. Also steigen jetzt Duett-Partner ein, wenn es gut passt: Cäthe gewinnt mit ihrem Einsatz bei „Wer du wirklich bist“ jeden Janis-Joplin-Ähnlichkeitswettbewerb; Fortuna Ehrenfeld übernimmt markig und überaus stimmig die ein oder andere Strophe im Endzeit-Schlager „Wir pfeifen auf dem letzten Loch, aber solange wir noch pfeifen, geht‘s ja noch“. Und Olli Schulz gibt, als wären sie schon immer in derselben Band, den freundlichen Helfer beim Spurenverwischen in „Hier gibt nichts zu sehn“.
„Teufelsküche“ ist das erste Album nach Stoppoks Herzinfarkt
Musikalisch bleibt Stoppok, der in zwei Wochen 68 wird, zwischen Schmusehymne („Wo man hingehört“) und Blues-Kracher: Für seinen wunderbaren „Klugscheißeralarm“ leiht er sich das Riff von der guten alten „Dumpfbacke“ aus. Und seine Sprachbilder für das, was wir als Gegenwart erleben, sind immer noch genauer als so mancher Essay, frei nach seinem gewohnt lakonischen Motto: „Die Antwort auf Künstliche Intelligenz ist künstlerische Intelligenz.“ Die monatelange Auszeit nach dem Herzinfarkt im Oktober 2022 hat er offenbar zum Songschreiben genutzt. Bloß weil ihm drei Röhrchen in Herznähe eingesetzt wurden, hieß das ja nicht, dass er nur noch „Stent By Me“ oder „Get Up, Stent Up“ spielen könnte, wie er mal in einem Interview flachste.
Man hört, er nehme erstmals in seinem Leben Medikamente und treibe Sport, wolle ansonsten aber nicht viel ändern. Aber wer weiß, ob es so einen vom knackigen Rock-Drive getriebenen Song wie „Vom Tod kein Wort“ überhaupt gegeben hätte ohne den „süßen kleinen Infarkt“, wie er ihn nennt – Stoppok wurde ja von seiner Frau zum Arzt geschickt, bevor es hätte dramatisch werden können: „Solange wir da sind, ist er nicht da. / Und wenn er dann da ist, sind wir nicht mehr da-da-da“.
Stoppok singt den ESC-Beitrag des KZ-Überlebenden Walter Andreas Schwarz
Und dann ist da noch eine echte Entdeckung: „Im Wartesaal zum großen Glück“ singt er gestützt von Alin Coen, und es klingt wie ein echter Stoppok-Song. Der Song ist aber so alt wie Stoppok selbst und stammt aus der Feder eines Mannes, der das KZ überlebt hatte und 1956 den ersten deutschen Beitrag zum Eurovision Song Contest schrieb: Walter Andreas Schwarz (1913-1992): „Und man baute am Kai der Vergangenheit / Einen Saal mit Blick auf das Meer / Und mit Wänden aus Träumen gegen die Wirklichkeit / Denn die liebte man nicht sehr“.